26. November 2007

Randbemerkung: Über die Nicht-Klassenkämpfe in den USA

Auseinandersetzungen, friedliche und gewalttätige, innerhalb einer Gesellschaft sind überwiegend keine Klassenkämpfe.

Das ist eine Binsenweisheit. Sie wird aber von vielen nicht gesehen, die - auch wenn sie sich nicht als Marxisten verstehen - in diesem Punkt vom Marxismus beeinflußt sind.

Ein drastisches Beispiel für eine seit langem andauernde gesellschaftliche Auseinandersetzung, die überhaupt nicht den Charakter eines Klassenkampfs hat, ist die zwischen Latinos und Schwarzen in den USA.

Sie ist, wie man sich denken kann, besonders heftig dort, wo die aus oder via Mexiko in die USA strömenden Latinos auf eine eingesessene Bevölkerung von schwarzen Amerikanern treffen, wie das z.B. in Californien der Fall ist.

Über die daraus resultierenden Probleme in Los Angeles berichtet in der Los Angeles Times jetzt Earl Ofari Hutchinson.

Am sichtbarsten sind die Auseinandersetzungen zwischen Schwarzen und Latinos, wenn es zu Kämpfen zwischen Gangs kommt, die eine vom Autor zitierte schwarze Amerikanerin so gekennzeichnet hat: ""You have one race of people exterminating another race of people" - da würde eine Rasse eine andere vernichten.

Wenn das auch sehr übertrieben klingt - Konflikte sind allgegenwärtig. Sie entstehen insbesondere in den Unterschicht- Wohngegenden im südlichen Los Angeles, wo ganze Straßenzüge, die bisher von Schwarzen bewohnt waren, jetzt zu Wohngebieten von Latinos geworden sind.

In der Jefferson High School im Süden von Los Angeles zum Beispiel ist der Anteil von Latinos unter den Schülern in 25 Jahren von 31 Prozent auf 92 Prozent gestiegen.

Im südlichen Wohnbezirk Florence-Firestone lebten in den achtziger Jahren noch 80 Prozent Schwarze; heute wohnen dort 90 Prozent Latinos. In dieser Gegend operiert eine Latino- Straßengang mit dem Namen Florencia 13, die nach Angaben der Behörden versucht, Gangs von Afro- Amerikanern von dort zu vertreiben. Das hat allein in den vergangenen drei Jahren zu zwanzig Getöteten geführt.



Meist wird der Konflikt aber weniger gewalttätig ausgetragen. Es geht z.B. darum, ob auf Versammlungen (etwa von Schul- Pflegschaften) Englisch oder Spanisch gesprochen wird. Es geht um den gegenseitigen Vorwurf, einander die Jobs wegzunehmen.

Sogenannte Hate Crimes, also u.a. rassistisch motivierte Verbrechen, sind nach den Angaben von Hutchsinson im Bezirk Los Angeles zwischen Latinos und Schwarzen inzwischen häufiger als zwischen Weißen und einer dieser Gruppen.

Ein weiteres Konfliktfeld sind die sogenannten affirmative action spots, Studienplätze, die für die Angehörige von Minoritäten reserviert sind und um die Latinos und Schwarze konkurrieren.

Hutchinson beschreibt auch Positives. In einigen Gemeinden arbeiten Schwarze und Latinos beispielsweise im Kampf gegen das Verbrechen und gegen Übergriffe der Polizei zusammen.

Jedoch, resümiert Hutchinson, "Changing demographics and the rise of Latinos to the top minority spot in America won't make the problems of either group disappear. Nor will blaming each other for those problems solve them." Der demographische Wandel und der Aufstieg der Latinos zur größten Minderheit in Amerika ließen die Probleme für die eine Gruppe so wenig verschwinden wie für die andere. Und diese Probleme könnten auch nicht dadurch gelöst werden, daß jede Seite die andere dafür verantwortlich mache.

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