Die, wie man so sagt, "politische Landschaft" hat sich in Deutschland im Lauf dieses Jahrs in einem Maß verändert, wie ich es nicht für möglich gehalten hatte.
Anfang des Jahres galt die Möglichkeit eines Wechsels hin zu einer Koalition, zu der neben der SPD und den Grünen auch die Kommunisten gehören, noch als abwegig; der Gedanke daran als Spintisiererei von Intellektuellen. Jetzt, gegen Ende dieses interessanten Jahres 2007, ist eine derartige Volksfront- Regierung schon eine so triviale Option geworden, daß die Antworten auf die Sonntagsfrage ganz selbstverständlich in Sitze für Schwarzgelb und für das sogenannte Rot- Rot- Grün, also die Volksfront, umgerechnet werden.
Innerhalb dieses jetzt zu Ende gehenden Jahres hat die SPD sich verwandelt, genauer gesagt: Sie hat sich in die Partei des Demokratischen Sozialismus zurückverwandelt, als die sie sich im Grunde immer verstanden hat. Sie hat die Agenda 2010 mit einem so wohligen Gefühl abgelegt, wie es der FKKler spürt, wenn er am Strand die Kleider abstreifen kann.
Die SPD hat sich damit fit gemacht für die Volksfront. Wer zuvor als Gegner einer solchen Option gegolten hatte, wie Kurt Beck, der hat sich der neuen Linie angepaßt und stimmt in das Lob des Demokratischen Sozialismus ein.
Was der SPD ihr Hamburg, das war den Grünen ihr Nürnberg. Die linken Töne, die Beck und Müntefering in Hamburg sangen, schmetterten Bütikofer, Roth und auch der schnellgewendete Kuhn bei den Grünen in Nürnberg aus vollem Hals. Und anders als die SPD hatten die Grünen auch noch den Einfall, ihre Kehrtwende in die siebziger und achtziger Jahre sozusagen mit einem Menschenopfer zu besiegeln. Das Mobbing, das auf den aufrechten Oswald Metzger niederprasselte, war klassischer linker Stil.
Nein, mit diesen Grünen '07 werden die Kommunisten keine Probleme haben. So wenig, wie sie mit der Partei des Demokratischen Sozialismus Probleme haben werden; das Epitheton hatten sie ja mit ihrer Wandlung zur "Linken" für die SPD freigegeben.
Also, wann kommt die Volksfront- Regierung? Anfang des Jahres hielt ich noch die Wahlen 2013 für realistisch. Die Geschwindigkeit, mit der sich die SPD und die Grünen fit für die Partnerschaft mit den Kommunisten machen, ließ mich in letzter Zeit immer mehr bereits 2009 als die wahrscheinlichere Perspektive sehen.
Seit den beiden Parteitagen frage ich mich, ob es nicht noch viel schneller gehen könnte.
In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine Besonderheit gegenüber den anderen westlichen Demokratien; man könnte sie eine Anomalie nennen: Nur ein einziges Mal in fast sechs Jahrzehnten hat ein Regierungswechsel auf die normale Art stattgefunden, daß nach termingemäßen Wahlen die bisherige Opposition die Regierung übernahm.
Das war 1998, als eine rotgrüne Regierung die schwarzgelbe von Helmut Kohl ablöste. Alle anderen Kanzlerwechsel vollzogen sich anders: Durch Rücktritt des Kanzlers (Wechsel von Adenauer zu Erhard, von Erhard zu Kiesinger, von Brandt zu Schmidt), durch ein konstruktives Mißtrauensvotum (Wechsel von Schmidt zu Kohl) oder dadurch, daß ein Kanzler die Vertrauensfrage verlor und der Präsident danach den Bundestag auflöste (Wechsel von Schröder zu Merkel).
Mehr noch: Nur nach diesen Wahlen von 1998 fand ein kompletter Rollentausch zwischen Regierung und Opposition statt. In allen anderen Fällen bestand der "Wechsel" lediglich darin, daß eine Partei die Macht weiter ausübte, aber mit einem neuen Koalitionspartner. Als Kiesinger auf Erhard folgte, blieb die CDU mit an der Regierung. Als Brandt Kiesinger ablöste, war es die SPD, die weiter regierte, nur jetzt mit der FDP statt der CDU. Beim Wechsel von Schmidt zu Kohl blieb die FDP Regierungspartei, und Merkel regiert nun mit jener SPD, die auch vor dem Wechsel schon an der Macht gewesen war.
Es läge also vollkommen in der Tradition der Bundesrepublik Deutschland, wenn auch der Wechsel zu einer Volksfront- Regierung nicht erst nach den Wahlen 2009 erfolgte. Sondern durch ein konstruktives Mißtrauensvotum. Und wenn damit die bisherige Regierungspartei SPD weiter an der Regierung bliebe, nur eben in einer neuen Konstellation.
Aber reicht es denn überhaupt zu einem konstruktiven Mißtrauensvotum?
Die Volksfront hat im Bundestag eine satte Mehrheit von 327 Mandaten; fast zwanzig mehr als die Kanzlermehrheit von 308 Stimmen. Genug Polster also, um den einen oder anderen Abweichler zu verkraften. Eine größere Mehrheit, als sie 1969 Willy Brandt hatte (SPD und FDP hatten zusammen 254 Stimmen; die Kanzlermehrheit lag bei 248 Stimmen); mehr als Schröder 1998 (345 Stimmen; Kanzlermehrheit 335 Stimmen) und Schröder 2002 (306 Stimmen; Kanzlermehrheit 302 Stimmen).
Nun erklären uns manche Politologen unermüdlich, daß eine numerische Mehrheit noch keine politische Mehrheit sei. Wohl wahr. Aber eine numerische Mehrheit kann sich schnell in eine politische verwandeln, wenn sie so sind, die Verhältnisse.
Und sie sind so, will mir scheinen. Wenn - und dafür spricht im Augenblick sehr viel - die Strategen der drei Parteien einer potentiellen Volksfront- Regierung zu einem impliziten, vielleicht ja auch schon mehr oder weniger expliziten Einverständnis gekommen sind, es nach 2009 miteinander zu versuchen, dann liegt es doch nahe, daß im Augenblick ein Denkprozeß im Gang ist. Ein Denkprozeß ungefähr des folgenden Zuschnitts:
Will man nach den Wahlen 2009 zusammengehen, dann könnte man es im Prinzip auch schon früher. Ob man es 2009 kann, ist aber ungewiß. In den Umfragen der vergangenen Monate lag zwar meistens die Volksfront knapp vor Schwarzgelb, aber manchmal - wie im Augenlick - lag sie auch hinten. Niemand kann jetzt sagen, wie es 2009 ausgehen wird.
Kommt es aber vor diesen Wahlen zu einem Regierungswechsel, dann stehen die Chancen für einen Sieg der Volksfront 2009 ungleich besser.
Erstens, weil dann in der Bevölkerung die Stimmung vorherrschen wird "Jetzt sind die Linken nun einmal dran. Gut, geben wir ihnen eine Chance. Um Gottes willen nicht jetzt schon wieder einen Wechsel!". Exakt eine solche Stimmung hat Helmut Kohl 1983 bei den Wahlen, die auf das erfolgreiche konstruktive Mißtrauensvotum gegen Helmut Schmidt folgten, einen triumphalen Sieg eingebracht.
Zweitens, weil die Volksfront dann mit einem Amtsbonus antreten könnte. Weil sie, schon in der Regierung, vor den Wahlen Wohltaten verteilen könnte, wie das Sozialisten immer nach ihrer Regierungsübernahme getan haben.
Und drittens, weil sie für den Wahkampf, wie üblich, in gewissen Grenzen auf den Regierungsapparat zurückgreifen könnte.
Die Versuchung dürfte also groß sein, es mit einem konstruktiven Mißtrauensvotum zu versuchen. Allerdings muß das gut eingefädelt werden, um nicht als ein Putsch gegen die beliebte Kanzlerin Merkel wahrgenommen zu werden.
Dazu müßte die SPD ein Thema finden, ein soziales am besten, das sich zum Bruch der Koalition eignet. Mindestlohn für alle, beispielsweise. Da kann man leicht die Auseinandersetzung so weit treiben, daß man empört die Koalition verlassen kann. Genscher und Lambsdorff haben 1982 vorgemacht, wie man so etwas macht.
Und dann braucht man natürlich einen Kanzlerkandidaten, den man beim konstruktiven Mißtrauensvotum aufstellen kann. Dieser muß, so geht aus Artikel 67 des Grundgesetzes hervor, nicht dem Bundestag angehören.
Jeder aus der SPD, der für eine Kanzlerkandidatur zu den Wahlen 2009 in Frage käme, könnte also auch beim konstruktiven Mißtrauensvotum gegen Angela Merkel ins Rennen geschickt werden. Kurt Beck, Frank Walter Steinmeier; oder auch Klaus Wowereit oder gar Sigmar Gabriel.
Sie alle hätten es schwer, in Bundestagswahlen gegen die Kanzlerin zu bestehen; Steinmeier vielleicht noch am wenigsten. Jeder von ihnen hätte aber beste Chancen, ein konstruktives Mißtrauensvotum zu gewinnen.
Anfang des Jahres galt die Möglichkeit eines Wechsels hin zu einer Koalition, zu der neben der SPD und den Grünen auch die Kommunisten gehören, noch als abwegig; der Gedanke daran als Spintisiererei von Intellektuellen. Jetzt, gegen Ende dieses interessanten Jahres 2007, ist eine derartige Volksfront- Regierung schon eine so triviale Option geworden, daß die Antworten auf die Sonntagsfrage ganz selbstverständlich in Sitze für Schwarzgelb und für das sogenannte Rot- Rot- Grün, also die Volksfront, umgerechnet werden.
Innerhalb dieses jetzt zu Ende gehenden Jahres hat die SPD sich verwandelt, genauer gesagt: Sie hat sich in die Partei des Demokratischen Sozialismus zurückverwandelt, als die sie sich im Grunde immer verstanden hat. Sie hat die Agenda 2010 mit einem so wohligen Gefühl abgelegt, wie es der FKKler spürt, wenn er am Strand die Kleider abstreifen kann.
Die SPD hat sich damit fit gemacht für die Volksfront. Wer zuvor als Gegner einer solchen Option gegolten hatte, wie Kurt Beck, der hat sich der neuen Linie angepaßt und stimmt in das Lob des Demokratischen Sozialismus ein.
Was der SPD ihr Hamburg, das war den Grünen ihr Nürnberg. Die linken Töne, die Beck und Müntefering in Hamburg sangen, schmetterten Bütikofer, Roth und auch der schnellgewendete Kuhn bei den Grünen in Nürnberg aus vollem Hals. Und anders als die SPD hatten die Grünen auch noch den Einfall, ihre Kehrtwende in die siebziger und achtziger Jahre sozusagen mit einem Menschenopfer zu besiegeln. Das Mobbing, das auf den aufrechten Oswald Metzger niederprasselte, war klassischer linker Stil.
Nein, mit diesen Grünen '07 werden die Kommunisten keine Probleme haben. So wenig, wie sie mit der Partei des Demokratischen Sozialismus Probleme haben werden; das Epitheton hatten sie ja mit ihrer Wandlung zur "Linken" für die SPD freigegeben.
Also, wann kommt die Volksfront- Regierung? Anfang des Jahres hielt ich noch die Wahlen 2013 für realistisch. Die Geschwindigkeit, mit der sich die SPD und die Grünen fit für die Partnerschaft mit den Kommunisten machen, ließ mich in letzter Zeit immer mehr bereits 2009 als die wahrscheinlichere Perspektive sehen.
Seit den beiden Parteitagen frage ich mich, ob es nicht noch viel schneller gehen könnte.
In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine Besonderheit gegenüber den anderen westlichen Demokratien; man könnte sie eine Anomalie nennen: Nur ein einziges Mal in fast sechs Jahrzehnten hat ein Regierungswechsel auf die normale Art stattgefunden, daß nach termingemäßen Wahlen die bisherige Opposition die Regierung übernahm.
Das war 1998, als eine rotgrüne Regierung die schwarzgelbe von Helmut Kohl ablöste. Alle anderen Kanzlerwechsel vollzogen sich anders: Durch Rücktritt des Kanzlers (Wechsel von Adenauer zu Erhard, von Erhard zu Kiesinger, von Brandt zu Schmidt), durch ein konstruktives Mißtrauensvotum (Wechsel von Schmidt zu Kohl) oder dadurch, daß ein Kanzler die Vertrauensfrage verlor und der Präsident danach den Bundestag auflöste (Wechsel von Schröder zu Merkel).
Mehr noch: Nur nach diesen Wahlen von 1998 fand ein kompletter Rollentausch zwischen Regierung und Opposition statt. In allen anderen Fällen bestand der "Wechsel" lediglich darin, daß eine Partei die Macht weiter ausübte, aber mit einem neuen Koalitionspartner. Als Kiesinger auf Erhard folgte, blieb die CDU mit an der Regierung. Als Brandt Kiesinger ablöste, war es die SPD, die weiter regierte, nur jetzt mit der FDP statt der CDU. Beim Wechsel von Schmidt zu Kohl blieb die FDP Regierungspartei, und Merkel regiert nun mit jener SPD, die auch vor dem Wechsel schon an der Macht gewesen war.
Es läge also vollkommen in der Tradition der Bundesrepublik Deutschland, wenn auch der Wechsel zu einer Volksfront- Regierung nicht erst nach den Wahlen 2009 erfolgte. Sondern durch ein konstruktives Mißtrauensvotum. Und wenn damit die bisherige Regierungspartei SPD weiter an der Regierung bliebe, nur eben in einer neuen Konstellation.
Aber reicht es denn überhaupt zu einem konstruktiven Mißtrauensvotum?
Die Volksfront hat im Bundestag eine satte Mehrheit von 327 Mandaten; fast zwanzig mehr als die Kanzlermehrheit von 308 Stimmen. Genug Polster also, um den einen oder anderen Abweichler zu verkraften. Eine größere Mehrheit, als sie 1969 Willy Brandt hatte (SPD und FDP hatten zusammen 254 Stimmen; die Kanzlermehrheit lag bei 248 Stimmen); mehr als Schröder 1998 (345 Stimmen; Kanzlermehrheit 335 Stimmen) und Schröder 2002 (306 Stimmen; Kanzlermehrheit 302 Stimmen).
Nun erklären uns manche Politologen unermüdlich, daß eine numerische Mehrheit noch keine politische Mehrheit sei. Wohl wahr. Aber eine numerische Mehrheit kann sich schnell in eine politische verwandeln, wenn sie so sind, die Verhältnisse.
Und sie sind so, will mir scheinen. Wenn - und dafür spricht im Augenblick sehr viel - die Strategen der drei Parteien einer potentiellen Volksfront- Regierung zu einem impliziten, vielleicht ja auch schon mehr oder weniger expliziten Einverständnis gekommen sind, es nach 2009 miteinander zu versuchen, dann liegt es doch nahe, daß im Augenblick ein Denkprozeß im Gang ist. Ein Denkprozeß ungefähr des folgenden Zuschnitts:
Will man nach den Wahlen 2009 zusammengehen, dann könnte man es im Prinzip auch schon früher. Ob man es 2009 kann, ist aber ungewiß. In den Umfragen der vergangenen Monate lag zwar meistens die Volksfront knapp vor Schwarzgelb, aber manchmal - wie im Augenlick - lag sie auch hinten. Niemand kann jetzt sagen, wie es 2009 ausgehen wird.
Kommt es aber vor diesen Wahlen zu einem Regierungswechsel, dann stehen die Chancen für einen Sieg der Volksfront 2009 ungleich besser.
Erstens, weil dann in der Bevölkerung die Stimmung vorherrschen wird "Jetzt sind die Linken nun einmal dran. Gut, geben wir ihnen eine Chance. Um Gottes willen nicht jetzt schon wieder einen Wechsel!". Exakt eine solche Stimmung hat Helmut Kohl 1983 bei den Wahlen, die auf das erfolgreiche konstruktive Mißtrauensvotum gegen Helmut Schmidt folgten, einen triumphalen Sieg eingebracht.
Zweitens, weil die Volksfront dann mit einem Amtsbonus antreten könnte. Weil sie, schon in der Regierung, vor den Wahlen Wohltaten verteilen könnte, wie das Sozialisten immer nach ihrer Regierungsübernahme getan haben.
Und drittens, weil sie für den Wahkampf, wie üblich, in gewissen Grenzen auf den Regierungsapparat zurückgreifen könnte.
Die Versuchung dürfte also groß sein, es mit einem konstruktiven Mißtrauensvotum zu versuchen. Allerdings muß das gut eingefädelt werden, um nicht als ein Putsch gegen die beliebte Kanzlerin Merkel wahrgenommen zu werden.
Dazu müßte die SPD ein Thema finden, ein soziales am besten, das sich zum Bruch der Koalition eignet. Mindestlohn für alle, beispielsweise. Da kann man leicht die Auseinandersetzung so weit treiben, daß man empört die Koalition verlassen kann. Genscher und Lambsdorff haben 1982 vorgemacht, wie man so etwas macht.
Und dann braucht man natürlich einen Kanzlerkandidaten, den man beim konstruktiven Mißtrauensvotum aufstellen kann. Dieser muß, so geht aus Artikel 67 des Grundgesetzes hervor, nicht dem Bundestag angehören.
Jeder aus der SPD, der für eine Kanzlerkandidatur zu den Wahlen 2009 in Frage käme, könnte also auch beim konstruktiven Mißtrauensvotum gegen Angela Merkel ins Rennen geschickt werden. Kurt Beck, Frank Walter Steinmeier; oder auch Klaus Wowereit oder gar Sigmar Gabriel.
Sie alle hätten es schwer, in Bundestagswahlen gegen die Kanzlerin zu bestehen; Steinmeier vielleicht noch am wenigsten. Jeder von ihnen hätte aber beste Chancen, ein konstruktives Mißtrauensvotum zu gewinnen.
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