21. November 2007

Randbemerkung: Schröder über Merkel - uninteressant. Aber da war noch ein anderer ...

Gerhard Schröder hat das getan, wofür er von Gazprom bezahlt wird: Er hat die russischen Interessen allgemein, er hat speziell die Interessen der russischen Energiewirtschaft vertreten. Das ist seine Aufgabe als Lobbyist dieses russischen Staatskonzerns.

Also hat er die Kanzlerin dafür getadelt, daß sie sich nicht so verhält, wie es den russischen Interessen, wie es speziell den Interessen von Gazprom entspricht;
Es sei gefährlich, sich in den Beziehungen zu Russland von Gefühlen leiten zu lassen, die auf 'Erfahrungen mit Systemen wie der DDR' beruhen, meint der Altkanzler mit Blick auf seine Nachfolgerin Merkel. Zwar habe er 'Verständnis für die Besonderheit von DDR-Biografien', aber das russische Gas werde gebraucht.
So steht es heute im "Tagesspiegel".

Ja, was soll der Lobbyist Schröder denn anderes sagen, als daß das Produkt, das zu promoten er bezahlt wird, "gebraucht" wird?

Ist es einem Lobbyisten vorzuwerfen, daß er jemanden wie die Kanzlerin, deren Politik die Geschäfte von Gazprom zu beeinträchtigen droht, das jedenfalls tun könnte, herabsetzt? Daß er diese Politik als nicht rational, sondern durch die persönliche Biographie bedingt erklärt?

Er tut das, was seines Amtes ist, der von Gazprom dafür eingekaufte Gerhard Schröder.

Daran ist nichts Tadelnswertes. Daß die CDU darauf mit Empörung reagiert hat, erscheint unbegründet; zumindest überzogen.

Oder doch nicht?



In der gestrigen Diskussion ist erstaunlich wenig thematisiert worden, in welchem Kontext sich denn Schröder derart geäußert hat. Im heutigen "Tagesspiegel" steht es:

Am vergangenen Wochenende fand im Großen Ballsaal des Berliner "Ritz Carlton" eine Tagung der Herbert- Quandt- Stiftung statt, zu der Schröder als Redner eingeladen war; zugegegen waren, wie der "Tagesspiegel" berichtet, "Menschen aus vielen Ländern, die einen Konzern oder zumindest eine Gedankenfabrik leiten."

Diesem illustren Auditorium suchte Schröder offenbar deutlich zu machen, daß Deutschland eine rußlandfreundlichere Politik betreiben solle. Diesem Auditorium versuchte er nahezubringen, daß die Kanzlerin eine irrationale DDR-Frau sei, die das leider nicht in gehörigem Maß tue.

Aber es war nicht Schröder allein, der diese Botschaft zu verbreiten suchte. Da war noch ein zweiter auf derselben Tagung, der es mindestens genauso deutlich, wenn auch weniger verletzend tat: Frank Walter Steinmeier.

Und damit wird Schröders Auftritt interessant. Nicht, daß ein Lobbyist das tut, wofür er bezahlt wird, ist bemerkenswert. Sondern daß der deutsche Außenminister ins selbe Horn bläst.

Steinmeier sprach, wie der "Tagesspiegel" berichtet, früher als Schröder und war schon nicht mehr anwesend, als Schröder seine Rede hielt. Aus dem Artikel des "Tagsspiegel":
Das Thema ist heikel, weil Deutschland auf Jahrzehnte abhängig bleibt von russischen Gaslieferungen. Die Kanzlerin fährt einen weit kritischeren Kurs gegenüber Präsident Wladimir Putin als der Außenminister. Der zählt an diesem Abend Gründe auf, warum Moskau gebraucht wird – vom Kosovo über Afghanistan bis zum iranischen Atomprogramm. In Steinmeiers Rede gibt es keinen Höhepunkt, sondern nur den Wunsch, "dass wir uns den langen Atem gestatten, der notwendig ist, um die Beziehungen zu Russland weiter zu entwickeln."



Steinmeier und Schröder sind einander bekanntlich politisch so eng verbunden, wie zwei Politiker überhaupt nur einander verbunden sein können.

Unmittelbar nach der Promotion 1991 begann Steinmeier seine Karriere in der Niedersächsischen Staatskanzlei unter dem Ministerpräsidenten Schröder; bereits 1993 war er persönlicher Referent von Schröder. 1998 ging er mit ihm nach Berlin, wiederum als sein engster Mitarbeiter - zuerst als Staatssekretär, dann als Staatsminister im Bundeskanzleramt. Das blieb er bis zum Ende von Schröders Kanzlerschaft.

Als Steinmeier im November 2005 von der SPD als Außenminister ins schwarzrote Kabinett geschickt wurde, sahen viele darin einen Schachzug Schröders, der auf diese Weise seinen Mann im Kabinett haben wollte.

Das schien sich erledigt zu haben, als Schröder im März 2006 bei Gazprom anheuerte (genauer: Bei einem Konsortium, dessen Mehrheit Gazprom hält). Das schien zu signalisieren, daß er sich endgültig aus der deutschen Politik verabschiedet hatte.

Vielleicht aber doch nicht so ganz. Auch auf dem Hamburger Parteitag war Schröder ja aufgetreten.



Wenn Schröder und sein Buddy Steinmeier am vergangenen Wochenende auf derselben Konferenz sprachen und dort nachgerade identische Argumente vortrugen, dann fällt es schwer, nicht an eine konzertierte Aktion zu glauben.

Sei dem, wie es will - jedenfalls signalisiert dieser Gleichklang, daß Steinmeier nicht länger bereit ist, die von der Kanzlerin formulierte Außenpolitik zu implementieren.

Diesen Eindruck hatte er in den ersten beiden Jahren der Koalition erweckt, jedenfalls nach außen hin. Es geriet dabei in Vergessenheit, daß er im Kanzleramt unter Schröder einer der Architekten der antiamerikanischen Politik Schröders gewesen, daß er insbesondere an der Achse Moskau- Berlin - Paris eifrig mitgeschmiedet hatte.

Kenner der deutsch-amerikanischen Beziehungen wie Soeren Kern hatten allerdings schon nach Bildung der Großen Koalition vermutet, daß Merkels außenpolitischer Spielraum gering sein könne, angesichts eines Außenministers, der die Außenpolitik Schröders wesentlich geprägt hatte.



Zwei Jahre lang schien Steinmeier diese Prognose Lügen zu strafen. Jetzt hat er sich zur Parteikarriere in der SPD entschlossen, ist er stellvertretender SPD- Vorsitzender und Vizekanzler geworden, wird er als Kanzlerkandidat gehandelt.

Und damit hält er es offenbar für an der Zeit, Merkel außenpolitisch Paroli zu bieten. Es begann mit Steinmeiers öffentlicher Kritik daran, daß die Kanzlerin den Dalai Lama empfangen hatte - eine im Grunde unerhörte Illoyalität eines Ministers seiner Kanzlerin gegenüber. Wolfgang Schäuble sagt in der heutigen FAZ das, was dazu zu sagen ist. Und jetzt folgte eben Steinmeiers Auftritt am Wochenende in Berlin.

Sein einstiger Chef Schröder hat ihm dabei ein wenig sekundiert. Aber die Presse, aber die CDU stürzte sich auf Schröder, nicht auf Steinmeier.

Vielleicht, weil man den Vizekanzler schonen wollte. Man schlug den Sack. Meinte man den Esel?

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