28. Juni 2010

Zitat des Tages: "Wenigstens nicht gegen Argentinien". Britischer Fußball, britischer Humor, britische Fairness. Über das Zivilisieren von Affekten

Falling out of the tournament will be a blow not just to fans but to the economy. But the consolation for England's followers was that at least they didn't lose to Argentina in the next round.

(Das Ausscheiden aus dem Turnier ist nicht nur für die Fans ein Schlag, sondern auch für die Wirtschaft. Aber die Anhänger Englands konnten sich damit trösten, daß sie wenigstens nicht in der nächsten Runde gegen Argentinien verloren haben.)

Die britische Daily Mail über das gestrige Spiel Deutschland gegen England.


Kommentar: Britischer Humor. Gegen Argentinien zu verlieren, gegen das man den Falkland-Krieg gewonnen hatte, das wäre wirklich eine nationale Schande gewesen. Dann doch besser gegen die Krauts.

In der britischen Presse wird die krasse Fehlentscheidung des Schiedsrichters Jorge Larrionda herzhaft kritisiert; wie auch anders. Aber man hat ganz überwiegend soviel Gefühl für Fair Play, dieses Versagen von Larrionda samt seinem Gespann nicht als Entschuldigung für das eigene Ausscheiden zu bemühen.

In den Kommentaren zu dem Artikel in der Daily Mail schreibt zum Beispiel der Leser "Eric the Red":
The Lampard decision was a disgrace but let's not delude ourselves - we were awful from day 1. There wasn't a good performance from any one player in any of the games.

Die Entscheidung bei Lampard war eine Schande. Aber machen wir uns nichts vor - wir waren von Anbeginn an erbärmlich. Kein Spieler hat in irgendeinem der Spiele eine gute Leistung gebracht.
Der Guardian schreibt:
Not that England could claim to have deserved any other result. Germany came to South Africa with their youngest squad since the 1930s and their play was full of freshness, verve and mutual understanding – all the things their opponents, despite their greater experience, have been lacking for years.

Nicht daß England den Anspruch erheben könnte, irgend ein anderes Ergebnis verdient zu haben. Deutschland kam mit der jüngsten Mannschaft seit den dreißiger Jahren nach Südafrika, und ihr Spiel war voller Frische, Dynamik und gegenseitigem Verständnis - alles Dinge, die ihre Gegner trotz ihrer größeren Erfahrung seit Jahren vermissen lassen.
Und im Daily Telegraph ist zu lesen:
Don't be be fooled by Fabio Capello's smokescreen over Frank Lampard's "goal". Even if the midfielder's exceptional shot had stood, as it should, England cannot escape the brutal reality that Germany were superior in every department.

Lassen Sie sich nicht von den Nebelkerzen von Fabio Capello zu Frank Lampards "Tor" zum Narren halten. Selbst wenn das außerordentliche Tor des Mittelfeld-Spielers anerkannt worden wäre, wie das hätte geschehen müssen, kann England nicht der brutalen Realität entgehen, daß Deutschland in jedem Belang überlegen war.



Sport hat, gewiß doch, etwas mit Gruppenegoismus zu tun, mit Chauvinismus und Nationalismus. Aber diese phylogenetisch sehr alten Affekte werden durch die kühlen Regeln des Sports, durch seine erbarmungslose Gerechtigkeit, durch die Unterwerfung aller unter dieselben Regeln gebändigt; sie werden zivilisiert.

Von ein paar unreifen Schreihälsen abgesehen, wird man bei den Fans eines Fußballvereins fast immer eine objektive, schonungslose Beurteilung ihrer Mannschaft finden. Man trauert, wenn sie verliert, aber man hat kein Ressentiment. So ist das jetzt auch im Mutterland des Sports.

Früher als die meisten anderen Nationen haben die Briten erkannt, welche zivilisatorische Kraft dem Sport innewohnt (siehe Fahrer, Prügler, Krieger. Über den Prozeß der Zivilisation; ZR vom 2. 7. 2007). Sie haben dadurch manche Sportart erfunden oder waren in ihr - als "Mutterland des Fußballs" zum Beispiel - einmal führend.

Das ist vorbei. Aber die britische Fairness ist geblieben.



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