4. November 2008

Falls Sie heute aufbleiben: Ein paar Tips für die US-Wahlnacht

Wer die Wahlnacht bei CNN verfolgt, ist dort bestens aufgehoben.
  • Ich empfehle erstens die Beiträge von John King, US-Chefkorrespondent von CNN. Er beherrscht die magische Landkarte perfekt. Man hat den Eindruck, daß er jede County der USA mit allen Details im Kopf hat; aber natürlich ist das eine Benutzerillusion. Er ist nur sehr, sehr schnell darin, neue Informationen aufzunehmen, zu bewerten und das Ergebnis überzeugend und präzise mitzuteilen.

    Auch seine sonstigen Analysen sind vom Feinsten. Welchem Kandidaten er mehr zuneigt, läßt er nicht durchblicken. Für einen heißen Obama- Fan halte ich ihn jedenfalls nicht; dafür ist er zu rational. Er repräsentiert mustergültig den soliden, an den Fakten norientierten, impartial amerikanischen Journalismus. Eine Lieblingsfloskel von ihm ist "Here is why ...": Wenn er etwas behauptet hat, präzisiert er sofort die Gründe und nennt die Details.

  • Zweitens lohnt es sich immer, aufzumerken, wenn Bill Schneider auf dem Bildschirm erscheint. In Deutschland würde er als "Prof. Dr. William Schneider" vorgestellt werden, denn er ist promoviert und hatte verschiedene Professuren inne.

    Aber auch wenn auf dem Bildschirm nur "Bill Schneider" steht, können Sie seinen immer knappen, immer mit einem ironischen Lächeln vorgetragenen Analysen vertrauen. Besser geht es nicht. King ist für die aktuellen Details zuständig, Schneider mehr für The Greater Picture. Auch er läßt keine Präferenz für einen der beiden Kandidaten erkennen.

  • Ganz anders ist das bei den Mitglieder der Runde, des Panel, das von Wolf Blitzer in seinem Situation Room gesteuert wird. Er nennt es gern "The Best Political Team on Television", weil es einen Emmy zuerkannt bekommen hat. Die meisten, die dort zu Wort kommen, stehen mehr oder weniger ausgeprägt der einen oder anderen politischen Seite nahe; zum Beispiel ist Donna Brazile eine glühende Anhängerin Obamas.

    In diesem Panel wird also kontrovers diskutiert; allerdings immer argumentativ, wie das bei CNN üblich ist.

  • Die Auszählungen und Hochrechnungen sind bei CNN im Allgemeinen sehr zuverlässig. Im Hintergrund läuft ständig eine inferenzstatistische Analyse, aufgrund deren für jeden Staat festgelegt wird, wann sich CNN auf einen Sieger festlegt. Das heißt "to call".

    "Too close to call" bedeutet, daß die Daten noch nicht ausreichen, um eine Festlegung vorzunehmen. Das kann auch der Fall sein, obwohl scheinbar der eine oder andere einen sehr großen Vorsprung hat; wenn die vorliegenden Daten nur aus einer bestimmten Region, nur aus Städten o.ä. stammen und deshalb noch nicht repräsentativ sind.

    Seit ich CNN sehe, habe ich es noch nie erlebt, daß dann, wenn es sich für einen "call" entschieden hatte, am Ende ein anderer gewann. Das zeigt, daß man bei CNN in dieser Hinsicht sehr konservativ ist.



  • Obwohl die Umfrageinstitute offiziell keine Daten von Exit Polls publizieren, bevor die Wahllokale geschlossen sind, sickert meist etwas durch.

    Vor vier Jahren gab es sogar im Lauf des Wahltags eine ganze Welle von Gerüchten, daß Kerry vorn liege. Wie sie zustande kamen, wurde nie ganz geklärt. Möglicherweise waren die Stichproben nicht repräsentativ; zum Beispiel könnten die Kerry- Wähler im Schnitt früher am Tag zur Wahl gegangen sein als die Bushs.

    Wenn also heute wieder solche Gerüchte im Umlauf sind - vertrauen Sie ihnen nicht allzu sehr. Obama wird gewinnen. Aber die Exit Polls könnten einen höheren Sieg prognostizieren, als er am Ende des Tages vorliegt. Oder vielmehr der Nacht.



    Und noch etwas zum Fahrplan der Wahlen: Um 1.00 Uhr MEZ schließen die Wahllokale in Virgina und Georgia sowie die meisten Lokale in Florida und New Hampshire.

    Dann wird es schon bald spannend. Wenn McCain Virginia verliert - einen Staat mit viel Militär, meist republikanisch wählend, also eigentlich eine sichere Bank für ihn -, dann wird es sehr schwierig werden. Um überhaupt noch im Rennen zu bleiben, muß er dann mindestens Florida und Ohio gewinnen.

    Bis 2.00 MEZ sollte erkennbar werden, wie es in Virginia aussieht.

    Falls Obama klar vorn ist, können Obama-Fans dann beruhigt ins Bett gehen.

    Und McCain-Fans, die immer noch die Hoffnung nicht aufgegeben haben, werden warten müssen, bis sich das Ergebnis von Florida und Ohio abzeichnet, bevor sie sich zum Trost einen irischen Whiskey genehmigen. Es geht aber auch ein Scotch, denn McCain hat Vorfahren aus beiden Ländern.



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