13. Dezember 2011

Wie man eine parlamentarische Anfrage "korrekt beantwortet": Christian Wulff auf den Spuren Bill Clintons

Am 18. Februar 2010 beantwortete die Niedersächsische Staatskanzlei die parlamentarische Anfrage, ob es "es geschäftliche Beziehungen zwischen Christian Wulff […] und Herrn Egon Geerkens oder Herrn Klaus Hunold oder irgendeiner Firma, an der Herr Hunold oder Herr Geerkens als Gesellschafter beteiligt waren", gegeben habe, wie folgt:
Zwischen Ministerpräsident Wulff und den in der Anfrage genannten Personen und Gesellschaften hat es in den letzten zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben.
Inzwischen hat sich herausgestellt, daß das Ehepaar Wulff 2008 mit der Ehefrau von Herrn Geerkens einen privaten Kreditvertrag abgeschlossen hatte: Eine halbe Million Euro zu einem Zins von 4 %. Der Sprecher des Bundespräsidenten hat diesen Sachverhalt inzwischen bestätigt, meint aber dennoch, Wulff habe die Anfrage "korrekt beantwortet":
Solche geschäftlichen Beziehungen bestanden und bestehen nicht. Es bestand eine Vereinbarung mit Frau Edith Geerkens zu einem Darlehen aus ihrem Privatvermögen. Dementsprechend wurde die unmissverständliche Anfrage wahrheitsgemäß verneint.
Die Geschichte erinnert in einer Hinsicht doch sehr an die Verteidigungsstrategie Bill Clintons in der Lewinsky-Affäre. Clinton hatte damals explizit abgestritten, eine sexuelle Beziehung ("sexual relations") zu Monica Lewinsky gehabt zu haben. Als klar wurde, daß sich eine solche Beziehung im Zweifelsfall durch eine DNA-Analyse beweisen lassen würde, änderte Clinton seine Strategie: Er räumte eine "improper physical relationship" ein, meinte aber, nicht gelogen zu haben, weil aus seine Sicht passiver Oralsex eben nicht unter den Begriff "sexuelle Beziehung" falle.

Hat Bill Clinton mit seiner ursprünglichen Aussage ("I did not have sexual relations with that woman") gelogen? Die Antwort kann eigentlich nur "Ja!" lauten, wenn man den Ausdruck "sexuelle Beziehung" so verwendet, wie er normalerweise verwendet wird und sich nicht auf definitorische Spitzfindigkeiten einläßt.

Hat Christian Wulff den Landtag des Landes Niedersachsen belogen? Wenn man sich an den Wortlaut der Anfrage hält, hat er dies natürlich nicht getan; es hat in der Tat keine geschäftliche Beziehung zwischen dem damaligen Ministerpräsidenten und Herrn Geerkes oder einer seiner Firmen gegeben, und insofern wurde die Anfrage tatsächlich "wahrheitsgemäß verneint".

Wenn es um das mit der Frage Gemeinte geht, hat es dies hingegen sehr wohl getan. Wenn die Opposition, wie es ihr gutes Recht ist, einem Korruptionsverdacht nachgeht, dann spielt es für diesen Verdacht offensichtlich keine Rolle, ob Politiker A eine geschäftliche Beziehung zu Unternehmer B hat oder zu der Ehefrau von Unternehmer B.

DrNick

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