29. Dezember 2011

Marginalie: Wie aus einer Berliner Problemschule eine Musterschule wurde. Das Selbstverständliche als Sensation

Nein, ein "Zitat des Tages" ist das nicht wert, was man seit heute um 8.44 Uhr in "Zeit-Online" lesen kann. Aber doch eine Erwähnung und einen kleinen Kommentar.

Die folgende triviale, diese vor Selbstverständlichkeit sozusagen strotzende Meldung handelt von einer Berliner Schule:
... an der Bergius-Schule in Berlin-Friedenau, einer Sekundarschule, herrschen klare Regeln: Wer nicht pünktlich da ist, steht vor verschlossenen Türen, muss klingeln und bekommt eine Strafaufgabe: im Herbst die Blätter zusammenfegen, im Winter den Schnee. Irgendetwas findet sich immer. Wer sein Sportzeug vergisst, hilft während der Sportstunde dem Hausmeister. Nach drei Verspätungen bekommen die Eltern Post. Fehlt ein Schüler ohne bekannten Grund, werden sie direkt angerufen. Kaugummis, Handys und Mützen auf dem Kopf sind im Unterricht verboten.
Ja schau. In der Bergius-Schule in Berlin-Friedenau geht es also zu wie an jeder ordentlichen Schule überall in der Welt. Man darf nicht zu spät kommen, muß sein Sportzeug zum Sportunterricht mitbringen, kann nicht mit Mütze im Klassenzimmer sitzen und darf während des Unterrichts nicht das Handy benutzen. Wie bemerkenswert.

Nein, bemerkenswert ist es natürlich nicht, daß es an dieser Schule normal zugeht; sondern daß "Zeit-Online" es einen Artikel wert findet, uns mitzuteilen, daß es an dieser Schule normal zugeht.

Und nicht nur das. Man höre und staune: Das, was seit buchstäblichen Jahrtausenden funktioniert, was an allen ordentlichen Schulen weltweit funktioniert - es funktioniert sogar in Berlin. Der dadurch vermutlich verstörte Leser von "Zeit-Online" erfährt, daß eine Schule, an der es normal zugeht, auch noch eine erfolgreiche Schule ist:
Als Rudolph [der jetzige Schulleiter; Zettel] kam, stand die Bergius-Schule kurz vor der Schließung. Für das neue Schuljahr waren gerade einmal 38 Schüler für 116 Plätze im siebten Jahrgang angemeldet, der Rest wurde zugewiesen. Ein Jahr später waren es 91 Anmeldungen, 2011 dann 155 für 125 Plätze. Michael Rudolph hat eine Problem- in eine Musterschule verwandelt. (...) Auch andere Schulen machen gute Erfahrungen mit strengen Regeln.


Vor vier Jahrzehnten, Anfang der siebziger Jahre, begann das deutsche Schulsystem - jedenfalls in den SPD-regierten Bundesländern - auf die schiefe Bahn zu geraten.

Was in den Jahren zuvor die Ideen einer Minderheit von "antiautoritären" Ideologen gewesen waren, die sich eine Pädagogik aus falsch verstandenem Freud, aus Marx, Wilhelm Reich und Summerhill zusammengelesen hatten, ergänzt durch das Eine oder Andere aus der Reformpädagogik, - das gelangte jetzt in die Klassenzimmer, wenn nicht gar in die Büros der Kultusbürokraten. Autorität wurde verpönt. Das Normale - Pünktlichkeit, Disziplin, Ordnung und der Respekt vor den Lehrern - wurde weitgehend aus den Schulen hinausbefördert. Sogar die "Kopfnoten" verschwanden teilweise aus den Zeugnissen.

Das Ergebnis waren vierzig Jahre Rückschritt; vierzig Jahre, in denen sich viele deutsche Lehrer an verstaubter Ideologie orientierten statt an dem, was an allen erfolgreichen Schulen weltweit stets Praxis war und ist.

Nun, nachdem das Scheitern dieser Art von Pädagogik offenbar hinreichend spektakulär geworden ist, scheinen einige Lehrer wieder die Freiheit zu bekommen, in ihren Schulen zur Normalität zurückzukehren. Sogar in einem SPD-regierten Bundesland wie Berlin kann offenbar jetzt wieder so unterrichtet werden, wie es überall auf der Welt üblich ist.

So sieht das übrigens auch der erfolgreiche Schulleiter Rudolph:
Mittlerweile wird Rudolph von Schulräten aus anderen Bundesländern angerufen: ob er nicht mal vor ihren Schulleitern reden könne. Den strengsten Schulleiter Berlins amüsiert das. "Ich finde immer", sagt der 58-Jährige, "wir machen hier ganz normale Dinge".
Zettel



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