Gestern habe ich über den Diebstahl von vertraulichen Kundendaten bei Stratfor und die Plünderung von Bankkonten mit Hilfe der erbeuteten Daten berichtet (Transparenz dank "Anonymous"? Nein, ganz normale Internet-Kriminalität. Auszug aus einer Mail, die ich heute von Stratfor erhalten habe; ZR vom 26. 12. 2011). Ich möchte das jetzt mit einer kleinen Medienschau ergänzen.
Bemerkenswerterweise wurde diese Sache nämlich in Deutschland hochgespielt, während sie in den USA selbst nur geringe Beachtung in den Medien fand; die im übrigen durchweg zurückhaltend und sachlich berichteten.
Den Anfang machte in Deutschland, wie so oft, "Spiegel-Online", das wieder einmal als Leitmedium fungierte und am Sonntag Abend um 22.18 eine Zusammenfassung der Agenturmeldungen brachte, zeitweilig sogar als Aufmacher.
Die übrige Internet-Presse sowie die öffentlich-rechtlichen Sender folgten im Lauf der Nacht und des gestrigen Tags; man findet das beispielsweise im News Reader dokumentiert.
Um 23.02 hatte die "Frankfurter Rundschau" als erste nach "Spiegel-Online" die Meldung; und zwar unter der (später geänderten) Überschrift "Stratfor gehackt - Umverteilung mit Anonymous". Auch andere betonten den sozusagen karitativen Charakter der Straftat: "Eine Million Dollar unfreiwillige Spenden abgebucht" ("Stern-Online" um 9.15 Uhr); "Anonymous 'spendet' offenbar erneut" (WDR 2 um 15.54 Uhr).
Und wer sind die Täter? "Zeit-Online" nennt sie nicht Internet-Kriminelle, sondern "Aktivisten". Das Wort Internet-Kriminalität habe ich in den deutschen Berichten, die ich durchgesehen habe, kein einziges Mal gefunden. Bemerkenswert, da ja gerade deutsche Medien sonst nicht müde werden, vor Internet-Kriminalität zu warnen.
Bereits in der Nacht zum Montag hatte die "Tagesschau" einen ersten Korrespondentenbericht aus Washington; die Autorin Sabine Müller faßte im wesentlichen die Agenturmeldungen zusammen.
Den ganzen gestrigen Montag über blieb die "Tagesschau" dann an dem Thema; zuletzt in der Ausgabe um 23.15 Uhr mit diesem Bericht der Washingtoner ARD-Korrespondentin Marion Schmückler. Hervorgehoben wird dort nicht die kriminelle Energie der Täter, sondern wie "peinlich" es für Stratfor sei, Opfer geworden zu sein. Auszug aus dem von der Korrespondentin gesprochenen Text:
Noch extremer ist ein Beitrag, der gestern in mehreren "heute"-Sendungen lief. Dort tritt ein gewisser Prof. Ahmad-Reza Sadhegi (Technische Universität Darmstadt) auf:
Dieser Professor subsumiert Kriminalität unter "Gerechtigkeit" und sieht die Täter offenbar als Menschen, die etwas "Gerechtes für die Welt tun" wollen; nur überschreiten sie aus seiner Sicht möglicherweise Grenzen. Und was "eigentlich nicht passieren dürfte", ist für ihn nicht das Handeln der Kriminellen, sondern die unzureichende Sicherheit des Servers von Stratfor.
Bizarr. Nicht die Täter unterliegen der Kritik, sondern auch hier, beim ZDF, das Opfer.
Und in den USA? Weder die New York Times noch die Washington Post hatte die Meldung auf ihrer Titelseite. Die Washington Post brachte einen Artikel auf ihrer Wirtschaftsseite. In der New York Times erschien der Beitrag im Ressort "Technologie".
Beide Artikel sind, anders als der Tenor in den deutschen Medien, ohne jede Häme oder Kritik an Stratfor. Es wird im Gegenteil darauf hingewiesen, daß ein solcher Angriff jeden treffen kann, auch wenn er sich noch so aufwendig zu schützen sucht:
Bemerkenswerterweise wurde diese Sache nämlich in Deutschland hochgespielt, während sie in den USA selbst nur geringe Beachtung in den Medien fand; die im übrigen durchweg zurückhaltend und sachlich berichteten.
Den Anfang machte in Deutschland, wie so oft, "Spiegel-Online", das wieder einmal als Leitmedium fungierte und am Sonntag Abend um 22.18 eine Zusammenfassung der Agenturmeldungen brachte, zeitweilig sogar als Aufmacher.
Die übrige Internet-Presse sowie die öffentlich-rechtlichen Sender folgten im Lauf der Nacht und des gestrigen Tags; man findet das beispielsweise im News Reader dokumentiert.
Um 23.02 hatte die "Frankfurter Rundschau" als erste nach "Spiegel-Online" die Meldung; und zwar unter der (später geänderten) Überschrift "Stratfor gehackt - Umverteilung mit Anonymous". Auch andere betonten den sozusagen karitativen Charakter der Straftat: "Eine Million Dollar unfreiwillige Spenden abgebucht" ("Stern-Online" um 9.15 Uhr); "Anonymous 'spendet' offenbar erneut" (WDR 2 um 15.54 Uhr).
Und wer sind die Täter? "Zeit-Online" nennt sie nicht Internet-Kriminelle, sondern "Aktivisten". Das Wort Internet-Kriminalität habe ich in den deutschen Berichten, die ich durchgesehen habe, kein einziges Mal gefunden. Bemerkenswert, da ja gerade deutsche Medien sonst nicht müde werden, vor Internet-Kriminalität zu warnen.
Bereits in der Nacht zum Montag hatte die "Tagesschau" einen ersten Korrespondentenbericht aus Washington; die Autorin Sabine Müller faßte im wesentlichen die Agenturmeldungen zusammen.
Den ganzen gestrigen Montag über blieb die "Tagesschau" dann an dem Thema; zuletzt in der Ausgabe um 23.15 Uhr mit diesem Bericht der Washingtoner ARD-Korrespondentin Marion Schmückler. Hervorgehoben wird dort nicht die kriminelle Energie der Täter, sondern wie "peinlich" es für Stratfor sei, Opfer geworden zu sein. Auszug aus dem von der Korrespondentin gesprochenen Text:
Es sei ein Leichtes gewesen, in die Internetseite [sic!] der Sicherheitsfirma Stratfor einzudringen und sensible Daten zu stehlen. So spotten die Hacker der Online-Bewegung "Anonymous", die sich gerne maskiert zeigen. (...) Auf Facebook räumt Stratfor den Angriff der Hacker ein. Besonders peinlich: Durch diese Attacke könnte öffentlich werden, wen das Sicherheitsunternehmen berät; bisher streng gehütetes Firmengeheimnis. (...) Man habe zwar Sicherheits-systeme installiert, erklärt Stratfor kleinlaut, aber es sei außerordentlich schwer, sich gegen solche Attacken zu wehren.Nicht etwa die Kriminellen werden also von dieser ARD-Korrespondentin kritisiert - es gibt in dem Bericht keine einzige negative Äußerung über sie -, sondern das Opfer Stratfor.
Noch extremer ist ein Beitrag, der gestern in mehreren "heute"-Sendungen lief. Dort tritt ein gewisser Prof. Ahmad-Reza Sadhegi (Technische Universität Darmstadt) auf:
Es sieht so aus, daß es sehr einfach war, an die Daten heranzukommen, was eigentlich nicht passieren dürfte. Jeder von uns möchte irgendwann einmal etwas Gerechtes für diese Welt tun. Die Frage ist, wo sind die Grenzen.Offenbar ist es für Sadhegi eine "Frage", ob man denn Daten stehlen und ob man denn Menschen das Geld entwenden darf, das sie auf ihrem Konto haben.
Dieser Professor subsumiert Kriminalität unter "Gerechtigkeit" und sieht die Täter offenbar als Menschen, die etwas "Gerechtes für die Welt tun" wollen; nur überschreiten sie aus seiner Sicht möglicherweise Grenzen. Und was "eigentlich nicht passieren dürfte", ist für ihn nicht das Handeln der Kriminellen, sondern die unzureichende Sicherheit des Servers von Stratfor.
Bizarr. Nicht die Täter unterliegen der Kritik, sondern auch hier, beim ZDF, das Opfer.
Und in den USA? Weder die New York Times noch die Washington Post hatte die Meldung auf ihrer Titelseite. Die Washington Post brachte einen Artikel auf ihrer Wirtschaftsseite. In der New York Times erschien der Beitrag im Ressort "Technologie".
Beide Artikel sind, anders als der Tenor in den deutschen Medien, ohne jede Häme oder Kritik an Stratfor. Es wird im Gegenteil darauf hingewiesen, daß ein solcher Angriff jeden treffen kann, auch wenn er sich noch so aufwendig zu schützen sucht:
"The scary thing is that no matter what you do, every system has some level of vulnerability," says Jerry Irvine, a member of the National Cyber Security Task Force. "The more you do from an advanced technical standpoint, the more common things go unnoticed. Getting into a system is really not that difficult."
"Das Beängstigende ist, daß - egal, was man macht - jedes System einen bestimmten Grad der Verwundbarkeit hat" sagt Jerry Irvine, Mitglied der National Cyber Security Task Force [einer für die Internetsicherheit zuständigen Abteilung des US-Innenministeriums]; Zettel]. "Je mehr man vom Standpunkt neuester Technologie tut, umso eher bleiben triviale Dinge unbeachtet. Es ist wirklich nicht so schwer, in ein System einzudringen".
Zettel
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