27. August 2011

Zitat des Tages: Die heimliche, die unheimliche Macht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Führende Politiker haben mir gesagt: "Sie haben Recht, aber ich lege mich mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr an." Bei jeder kritischen Frage würden Politiker sofort mit kritischer Berichterstattung in ganz anderen Punkten überzogen. Im Landtag von Nordrhein-Westfalen wurde Abgeordneten gedroht, wenn sie gegen die Mediengebühr stimmten, würde das in der WDR-Berichterstattung Folgen haben. (...) Es ist nicht so, dass die Politik die Rundfunkanstalten beeinflusst. Riesige Heerscharen von Lobbyisten, Beamten und Juristen aus den Rundfunkanstalten beeinflussen die Politik.
Der Geschäftsführer der WAZ-Gruppe, Christian Nienhaus, gegenüber der FAZ über die Macht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland.

Kommentar: Man spricht gern von den Medien als einer notwendigen "Vierten Gewalt". Ist es nicht gut, ja unabdingbar, daß der Macht der Politiker, daß der Macht der Justiz eine freie Presse gegenübersteht? War und ist der Kampf um die Demokratie nicht immer auch ein Kampf um die Pressefreiheit gewesen?

Gewiß. Nur gehört zur Freiheit unabdingbar der freie Wettbewerb. Auf dem Markt der Informationen und Meinungen treten aber die Öffentlich-Rechtlichen als ein Wettbewerber auf, für den die Regeln des Markts außer Kraft gesetzt sind. Nienhaus:
Die mächtigste Institution in unserer Gesellschaft ist der gebührenfinanzierte Staatsrundfunk, der autonom entscheidet und politischen Druck ausübt. Die Gebühren werden nach dem Prinzip ermittelt: Die Sender müssen nur einen Bedarf nachweisen, dann bekommen sie die Gebühren dafür.
Es ist ein Stück Sozialismus in einer freien Gesellschaft. Die Sender mögen sich für Zuschauer- und Hörerquoten interessieren; angewiesen sind sie auf gute Quoten nicht. Die dort arbeitenden Journalisten sind in der einmalig privilegierten Position, einerseits ihre Meinung verbreiten zu dürfen, wie abwegig sie auch sein mag. Andererseits fehlt aber jedes Korrektiv. Nicht durch den Markt, nicht durch Parlamente; lediglich formal durch die Rundfunkräte, zu denen Nienhaus richtig anmerkt:
Und diese verstehen sich häufig als Beschützer ihrer Rundfunkanstalten. Sie identifizieren sich mit der Anstalt statt diese zu kontrollieren.
Falls doch einmal ein Verwaltungsrat es wagt, von seinen Kompetenzen Gebrauch zu machen, dann trifft ihn die geballte Kritik der mächtigen Betroffenen (siehe 35 Führende für Nikolaus Brender; ZR vom 24. 11. 2009).

In diesem journalistischen Schlaraffenland kann man senden, was immer man will; ob es nun Abnehmer findet oder nicht. Der WDR beispielsweise meldete kürzlich stolz die Reichweiten seiner Hörfunk-Sender, basierend auf der aktuellen Erhebung Media-Analyse 2011/II. In der Pressemitteilung heißt es u.a.:
An einem durchschnittlichen Werktag (Montag bis Freitag) hören 0,68 Millionen Personen ab 10 Jahren in NRW das Programm WDR 5 (nach der Media-Analyse 2011/II).

An einem durchschnittlichen Werktag (Montag bis Freitag) hören 0,09 Millionen Personen ab 10 Jahren in NRW das Programm Funkhaus Europa (nch der Media-Analyse 2011/II).
0,09 Millionen! Die irgendwann im Lauf eines Tages einmal diese Welle einschalten. NRW hat knapp 18 Millionen Einwohner. Bei tausend Befragten waren es gerade einmal fünf, die angaben, "Funkhaus Europa" zu hören.



Es gibt so wenig einen guten Grund dafür, daß der Rundfunk quasi-staatlich und mit Zwangsfinanzierung durch die Bürger betrieben wird, wie sich das für die Versorgung mit Steaks oder frischen Brötchen rechtfertigen ließe. Es hat allein historische Gründe; siehe Schafft die Rundfunkgebühren ab!; ZR vom 19. 10. 2007, sowie "Das ist zumindest Verfassungsbeugung" Noch einmal zur Causa Nikolaus Brender; ZR 28. 11. 2009.

In der Anfangszeit des Rundfunks wurde jedenfalls in Ländern wie Deutschland der Rundfunk als ein staatlicher Service verstanden; wie die Post und die Eisenbahn. Das ist überholt. Eine Privatisierung ist überfällig. Ein kultureller Kernbereich sollte aber meines Erachtens erhalten bleiben; so, wie der Staat Museen und Theater finanziert.

Aber gegen die Macht derer, die damit ihre einzigartigen Privilegien verlieren würden, ist die Privatisierung natürlich nicht durchzusetzen. Schon der Politiker, der das auch nur zur Diskussion stellen würde, hätte damit seine Karriere verspielt.
Zettel



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