Daran, daß Guido Westerwelle ein guter Außenminister ist, glaubt allein noch Guido Westerwelle. Er ist in diesem Amt vom ersten Tag an eine Fehlbesetzung gewesen.
Westerwelle war ein guter Parteivorsitzender, der viel für das Profil der FDP getan hat; er war ein guter, ein manchmal auch exzellenter Wahlkämpfer. In diesen Funktionen kam ihm seine Fähigkeit zum Zuspitzen zugute, sein rhetorisches Talent.
Am besten war er, wenn es galt, die Programmatik der FDP plakativ darzustellen. Wie beispielsweise in seiner Rede auf dem Wahlparteitag der FDP am 15. Mai 2009, mit der er einen der Grundsteine zum Wahlerfolg am 27. September 2009 legte (siehe Guido Westerwelle in Hannover: Eine ausgezeichnete Analyse. Treffliche Ziele. Und ein Kurs von beklemmender Unlogik; ZR vom 15. 5. 2009).
Wenn man sich diese Rede in Erinnerung ruft, dann hat man im Grunde die Antwort auf die Frage, warum Guido Westerwelle ein so schlechter Außenminister ist:
Seit Rebellen in Tripolis einmarschiert sind, prasselt auf Westerwelle Kritik nieder. In Deutschland hat sich der Eindruck breit gemacht, jetzt sei in Libyen alles gut geworden; dank des Eingreifens der NATO. Und es sei folglich ein großer Fehler gewesen, daß Deutschland sich an dieser Militäroperation nicht beteiligte.
In dieses Horn blasen in diesen Tagen sehr viele; in der Publizistik wie in der Politik. Der Sieg hat eben viele Väter, unter denen man gern wäre; auch solch ein wackliger Sieg wie derjenige in Libyen. Mit am lautesten in das Horn getutet haben Jörg Lau und Bernd Ulrich in der "Zeit" vom letzten Donnerstag. Unter der nicht eben zimperlichen Überschrift "Eine deutsche Schande" schreiben sie:
Was die Folgen angeht, so sind sie derzeit noch gar nicht abzusehen. Ebenso, wie die Motive für die deutsche Entscheidung, nicht an der Intervention in Libyen teilzunehmen, einer genaueren Analyse bedürfen.
Ja, der deutschen Entscheidung. Denn nichts spricht dafür, daß die Enthaltung bei der Verabschiedung der Resolution 1973 eine einsame Entscheidung des Außenministers war. Gegenüber "Bild am Sonntag" hat die Kanzlerin sie sich gestern ausdrücklich noch einmal zu eigen gemacht:
Dagegen war abzuwägen gewesen, ob es klug sein würde, daß Deutschland nicht mit seinen traditionellen Verbündeten stimmte. Ich tendiere dazu, das für unklug zu halten; denn gerade angesichts der in der jetzigen Krise Europas wachsenden Macht Deutschlands sollten wir alles vermeiden, was nach einer Schaukelpolitik zwischen Rußland und dem westlichen Bündnis aussieht.
Aber das war eben eine Abwägungssache. Ein Fehler, so offenkundig, daß er seinen Sturz rechtfertigen würde, war Westerwelles Entscheidung - zusammen mit der Kanzlerin - keinesfalls.
Es besteht somit eine recht paradoxe Situation: Guido Westerwelle ist ein so schlechter Außenminister, daß seine Ablösung für die deutschen Interessen, für die Bundesregierung und nicht zuletzt für die FDP wünschenswert ist. Je eher, umso besser. Aber ausgerechnet wegen der Libyenpolitik? Nein.
Nein, was die objektive Berechtigung angeht. Aber manchmal bedarf es ja eines für sich genommen nichtigen Anlasses, sich zu dem aufzuraffen, was längst überfällig ist.
In der FAZ schrieb am Wochenende Berthold Kohler:
Westerwelle war ein guter Parteivorsitzender, der viel für das Profil der FDP getan hat; er war ein guter, ein manchmal auch exzellenter Wahlkämpfer. In diesen Funktionen kam ihm seine Fähigkeit zum Zuspitzen zugute, sein rhetorisches Talent.
Am besten war er, wenn es galt, die Programmatik der FDP plakativ darzustellen. Wie beispielsweise in seiner Rede auf dem Wahlparteitag der FDP am 15. Mai 2009, mit der er einen der Grundsteine zum Wahlerfolg am 27. September 2009 legte (siehe Guido Westerwelle in Hannover: Eine ausgezeichnete Analyse. Treffliche Ziele. Und ein Kurs von beklemmender Unlogik; ZR vom 15. 5. 2009).
Wenn man sich diese Rede in Erinnerung ruft, dann hat man im Grunde die Antwort auf die Frage, warum Guido Westerwelle ein so schlechter Außenminister ist:
Hinzu kommt, daß die Konturen einer deutschen Außenpolitik unter diesem Chefdiplomaten noch immer nicht sichtbar sind. Das hat sich auch wieder in der Libyenpolitik gezeigt.Erstens ist das nicht sein Fach. Sein politisches Interesse, seine Leidenschaft galten immer der Gesellschafts- und der Wirtschaftspolitik sowie der Finanzpolitik, die er im Wahlkampf 2009 in den Vordergrund stellte. "Für die freie und faire Gesellschaft" hatte er diese Rede überschrieben. Die Außenpolitik kam in ihr erst gegen Ende vor; und dieser Teil der Rede reihte eine Platitüde an die andere.
Westerwelle hätte so, wie er im Wahlkampf die Schwerpunkte gesetzt hatte, bei der Regierungsbildung das Amt des Finanzministers für sich reklamieren müssen. Aber er wollte unbedingt Außenminister werden und damit das in der (informellen) Rangfolge der Ministerien ranghöchste Ressort leiten.
Ein Ressort, für das ihm nicht nur die fachlichen Vorkenntnisse fehlten. Das hätte sich vielleicht beheben lassen, wenn Westerwelle sich mit aller Energie in die Einarbeitung in dieses Amt, das unwöhnlich viel Detailwissen verlangt, hineingekniet hätte. Aber das tat er nicht.
Guido Westerwelle ist nie ein Aktenfresser gewesen. Schon bald beklagten seine Beamten im Auswärtigen Amt, wie schlecht der Chef oft informiert sei. Auch das hätte er vielleicht noch mit diplomatischem Geschick ausgleichen können. Aber er taugt zum Diplomaten so wenig wie Meister Lampe zum Jagdhund.
Ein erfolgreicher Diplomat muß leise und vorsichtig agieren. Westerwelle liebt die Bühne; er präsentiert sich oft einen Tick zu schrill, ist überlaut. Vom Diplomaten wird Flexibilität und soziales Geschick erwartet. Westerwelle wirkt - wie jetzt wieder bei der Diskussion der Libyenpolitik - starrsinnig und rechthaberisch. Soweit bekannt ist, gibt es nach zwei Jahren noch immer keinen Amtskollegen, mit dem dieser deutsche Außenminister ein vertrauliches oder gar freundschaftliches Verhältnisse hätte; so, wie es etwa Hans Dietrich Genscher seinerzeit mit James Baker und Eduard Schewardnadse verbunden hatte, oder später Joschka Fischer mit Madeleine Albright.
Das, was die Stärke des Wahlkämpfers Westerwelle ausmachte - das Zuspitzen, die plakative Vereinfachung, das Pathos, der theatralische Auftritt -, ist heute eine der entscheidenden Schwächen des Außenministers Westerwelle.
Seit Rebellen in Tripolis einmarschiert sind, prasselt auf Westerwelle Kritik nieder. In Deutschland hat sich der Eindruck breit gemacht, jetzt sei in Libyen alles gut geworden; dank des Eingreifens der NATO. Und es sei folglich ein großer Fehler gewesen, daß Deutschland sich an dieser Militäroperation nicht beteiligte.
In dieses Horn blasen in diesen Tagen sehr viele; in der Publizistik wie in der Politik. Der Sieg hat eben viele Väter, unter denen man gern wäre; auch solch ein wackliger Sieg wie derjenige in Libyen. Mit am lautesten in das Horn getutet haben Jörg Lau und Bernd Ulrich in der "Zeit" vom letzten Donnerstag. Unter der nicht eben zimperlichen Überschrift "Eine deutsche Schande" schreiben sie:
Keine Befürchtung der Bundesregierung ist eingetreten, die Mission war nicht unmöglich, sie blieb nicht im Wüstensand stecken, es mussten keine Bodentruppen geschickt werden, die militärische Intervention hat die arabische Rebellion belebt, statt sie zu verderben, die Kollateralschäden hielten sich in Grenzen. (...)Was die Fakten angeht, ist das recht kühn formuliert. Bodentruppen vor allem aus England und Frankreich wurden sehr wohl eingesetzt und dürften für die jetzigen militärischen Erfolge maßgeblich gewesen sein; nur allerdings Bodentruppen in Gestalt von verdeckt operierenden Spezialeinheiten. Wie groß die "Kolleratalschäden" sein werden, weiß niemand; denn der Krieg ist ja noch nicht zu Ende (siehe Libyen ist von Waffen überschwemmt; ZR vom 28. 8. 2011).
Die Deutschen haben sich militärisch rausgehalten und die Verbündeten im Stich gelassen. Das alles war ein großer Fehler und ist eine Schande. So weit die Fakten und ihre Folgen (...).
Was die Folgen angeht, so sind sie derzeit noch gar nicht abzusehen. Ebenso, wie die Motive für die deutsche Entscheidung, nicht an der Intervention in Libyen teilzunehmen, einer genaueren Analyse bedürfen.
Ja, der deutschen Entscheidung. Denn nichts spricht dafür, daß die Enthaltung bei der Verabschiedung der Resolution 1973 eine einsame Entscheidung des Außenministers war. Gegenüber "Bild am Sonntag" hat die Kanzlerin sie sich gestern ausdrücklich noch einmal zu eigen gemacht:
Wir haben damals mit unseren Partnern über unsere Bedenken gesprochen und entschieden, dass Deutschland sich an diesem Einsatz militärisch nicht beteiligt. Wir haben aber auch von Anfang an klar gemacht, dass niemand unsere Enthaltung mit Neutralität verwechseln sollte.Die Motive für diese deutsche Haltung liegen bisher nicht offen. Man kann aber begründete Vermutungen anstellen:
Alle diese Gesichtspunkte könnten - und dürften wohl auch - bei der Entscheidung Deutschlands eine Rolle gespielt haben, sich bei Resolution 1973 der Stimme zu enthalten.Die Intervention wurde von Frankreich und England betrieben, die in Libyen ihre Interessen haben; Deutschland hat solche Interessen nicht. Auch die USA haben sich auf das Notwendige beschränkt und auf ihre bei solchen Einsätzen bisher übliche Führungsrolle (im Kosovo, im Irak, in Afghanistan) ausdrücklich verzichtet (siehe Ein "gerechter Krieg" gegen Libyen? Welche Interessen stecken hinter der Intervention Frankreichs und Großbritanniens?; ZR vom 27. 3. 2011). Auch die übrigen Mächte, die sich am Krieg gegen Gaddafi militärisch beteiligen, wie zum Beispiel Ägypten, verfolgen eigene strategische Interessen (siehe Die militärische Lage in Libyen und die Rolle Ägyptens; ZR vom 1. 3. 2011).
Eine militärische Intervention irgendwo auf der Welt ist in Verantwortung vor dem Steuerzahler und in Verantwortung für unsere Soldaten nur dann zu rechtfertigen, wenn sie in einem hinreichenden Umfang deutschen Interessen dient. Es ist durchaus nachvollziehbar, daß man im Kanzleramt und im AA im Vorfeld der Entscheidung über die Resolution 1973 solche Interessen nicht gesehen hat.
Es ist keineswegs ausgemacht, daß für einen Regimewechsel in Libyen der Bürgerkrieg der einzige Weg gewesen ist. Als der Aufstand in Bengasi begann, gab es in Tripolis einen Machtkampf zwischen zwei möglichen Nachfolgern, Gaddafis Söhnen Seif al-Islam und Motasem. Seif al-Islam stand für eine Modernisierung und eine Öffnung des Landes. Ihn zu unterstützen hätte eine Alternative dazu sein können, durch die Intervention der NATO aus einem lokalen Aufstand in der Cyrenaika einen Bürgerkrieg im ganzen Land zu machen (siehe Die aktuelle Lage in den arabischen Ländern und im Iran. Teil 3: Libyen; ZR vom 21. 2. 2011). Ein friedlicher Regimewandel lag im Bereich des Möglichen.
Die deutsche Befürchtung, daß als Ergebnis eines Sturzes von Gaddafi in Libyen chaotische Zustände eintreten könnten, ist bisher durchaus noch nicht widerlegt (siehe "Libyen ist von Waffen überschwemmt"; ZR vom 28. 8. 2011). Falls sich nicht bald eine stabile Zentralmacht etabliert - was höchst ungewiß ist -, dann könnte Libyen schon wegen seiner Rolle als Durchgangsland für illegale Flüchtlinge aus Afrika zu einem Problem für Europa werden (siehe "Piraten in Sizilien". Liegt ein Sturz Gaddafis eigentlich im Interesse Europas? Libyen und Afrika; ZR vom 7. 3. 2011).
Rußland stand bis zum Schluß eindeutig auf der Seite Gaddafis; seine engen Beziehungen zu Libyen reichen bis zur Zeit der UdSSR zurück (siehe "Libyen ist von Waffen überschwemmt"; ZR vom 28. 8. 2011). Seit der Entscheidung zum "Ausstieg aus der Atomenergie" ist Deutschland in einem solchen Maß von Rußland abhängig, daß künftig bei allen außenpolitischen Entscheidung der Bundesregierung die Haltung Rußlands ein wesentlicher Faktor sein muß. Das ist höchst bedauerlich; aber ein Land, das sich selbst einer wesentlichen Grundlage seiner Energieversorgung beraubt, ist nun einmal abhängig von einem großen und in seiner Bedeutung wachsenden Energielieferanten.
Dagegen war abzuwägen gewesen, ob es klug sein würde, daß Deutschland nicht mit seinen traditionellen Verbündeten stimmte. Ich tendiere dazu, das für unklug zu halten; denn gerade angesichts der in der jetzigen Krise Europas wachsenden Macht Deutschlands sollten wir alles vermeiden, was nach einer Schaukelpolitik zwischen Rußland und dem westlichen Bündnis aussieht.
Aber das war eben eine Abwägungssache. Ein Fehler, so offenkundig, daß er seinen Sturz rechtfertigen würde, war Westerwelles Entscheidung - zusammen mit der Kanzlerin - keinesfalls.
Es besteht somit eine recht paradoxe Situation: Guido Westerwelle ist ein so schlechter Außenminister, daß seine Ablösung für die deutschen Interessen, für die Bundesregierung und nicht zuletzt für die FDP wünschenswert ist. Je eher, umso besser. Aber ausgerechnet wegen der Libyenpolitik? Nein.
Nein, was die objektive Berechtigung angeht. Aber manchmal bedarf es ja eines für sich genommen nichtigen Anlasses, sich zu dem aufzuraffen, was längst überfällig ist.
In der FAZ schrieb am Wochenende Berthold Kohler:
Im Frühjahr fehlte der neuen, jungen Führungsriege noch der Mut zur Trennung von ihrem einstigen Förderer. Aber auch jetzt schreckt sie davor zurück: Mitten in einer Krise Europas und vor zwei Landtagswahlen wechselt eine Regierungskoalition nur ungern ihren Außenminister aus - schon gar nicht, wenn dadurch der Eindruck entstehen könnte, seine Kritiker hätten recht. So wird Westerwelle weiter mitgeschleppt. Was für ein trauriges Los. Denn zu einem Happy End kommt es in diesem Film nicht mehr.Warum nimmt Westerwelle nicht von sich aus den Hut? Er könnte jetzt noch in Würde gehen.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Guido Westerwelle auf einer Wahlklampfveranstaltung in Hessen im Januar 2009. Autor: Cgaa. Frei unter Creative Commons Attribution ShareAlike 3.0 License; bearbeitet.