10. Januar 2011

Zitat des Tages: Linke Gewalt gegen Opfer des Stalinismus und zwei seltsame Stellungnahmen der Berliner Polizei

In der ersten Angriffswelle wurden die Männer zu Boden gerissen und mit Schlägen ins Gesicht und in die Seite traktiert. Ein Mann um die 60 wurde von jungen Männern Anfang 20 so zugerichtet, dass er ins Krankenhaus eingewiesen werden musste.

Ein anderer älterer Herr erhielt mehrere Faustschläge ins Gesicht und in die Seite. Einem dritten ehemaligen Häftling wurde bei einem Schlag ins Gesicht die Brille zerstört. Er hatte noch Glück, dass seine Augen verschont blieben.


Vera Lengsfeld gegenüber dem "Tagesspiegel" über linksextreme Gewalt gegen friedliche Demonstranten der "Vereinigung der Opfer des Stalinismus", die vor der "Urania" in Berlin gegen das Bekenntnis von Gesine Lötzsch zum Kommunismus protestiert hatten.


Kommentar: Das klingt nach ernsthafter Gewalt. Und wie wird darüber berichtet? "Rangelei bei Rosa-Luxemburg-Kongreß", titelt "Spiegel-Online".

Wieder einmal eine Ente von "Spiegel-Online"? Nicht ganz. Denn der betreffende Redakteur hat das mit der "Rangelei" nicht erfunden. Er zitiert vielmehr die Polizei. Noch einmal der "Tagesspiegel":
Ein Polizeisprecher sagte am Sonntag, ihm sei nur ein Verletzter bekannt. Auch habe es keinen Angriff gegeben, sondern einen "Streit, der letztlich in eine Rangelei mündete". Man habe die Identität von drei Männern festgestellt, die "mutmaßlich an der Rauferei" beteiligt waren.
Wenn die Polizei einen derartigen Vorfall anders schildert als ein Beteiligter, dann wird man in der Regel eher der Polizei vertrauen können. Sie ist ja nicht Partei; sie ist zweitens im Beobachten und Protokollieren derartiger Geschehnisse geschult.

Hier aber ist das Seltsame, daß ein - offenbar anderer - Sprecher der Berliner Polizei zuvor die Darstellung von Vera Lengsfeld exakt bestätigt hatte.

Der Artikel mit der Behauptung einer "Rangelei" erschien gestern um 23.27 Uhr in der Online-Ausgabe des "Tagesspiegel". Am Samstag um 19.34 Uhr, also unmittelbar nach dem Vorfall, publizierte der "Tagesspiegel" bereits eine erste Meldung über den Vorfall. Und darin heißt es:
Bei einer Protestveranstaltung der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) vor der Urania in Berlin-Schöneberg wurden am Samstagnachmittag mindestens drei Menschen verletzt. Potenzielle Teilnehmer der Rosa-Luxemburg-Konferenz hätten die VOS-Demonstranten erst verbal und dann tätlich angegriffen, sagte ein Polizeisprecher. Ein Mitglied der Opfervereinigung sei dabei am Auge verletzt worden und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Laut VOS wurde ein weiterer Mann blutig geschlagen und eine Frau getreten.
Laut dem Polizsprecher, der sich unmittelbar nach dem Vorfall äußerte, wurden die Demonstranten der VOS "erst verbal und dann tätlich angegriffen". Einen Tag später ist daraus "kein Angriff" geworden.

Es wäre interessant, zu erfahren, wie sich die Erkenntnisse der Berliner Polizei über das, was vor der "Urania" geschah, innerhalb von 24 Stunden derart verändert haben konnten. Honi soit qui mal y pense.




Nachtrag um 21.25 Uhr: In der "Achse des Guten" schreibt Vera Lengsfeld dazu über den Sender RBB:
Als Dr. Frieder Weiß, Vorsitzender der VOS nach seiner Behandlung im Krankenhaus beim Sender erschien, um für die Spätausgabe der Abendschau zu schildern, wie das angebliche „Gerangel“ am Rande der Rosa-Luxemburg-Konferenz letzten Sonnabend in Berlin wirklich vonstatten ging, ließ man ihn erst vor der Tür stehen. (...)

Erst nach längerer Zeit bequemte sich ein Redaktionsmitarbeiter nach draußen, um Weiß genervt mitzuteilen, der Sender wolle die "Sache nicht so hoch hängen" und verzichte deshalb auf ein Interview.
Mit Dank an flobotron.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.