Sehr viele Interviews hat Thilo Sarrazin - ein Erfolgsautor, wie dieses Land ihn selten gesehen hat - seit dem Erscheinen seines Buchs nicht gegeben. Nicht jedenfalls in Relation zu der Medienpräsenz, die sonst mit einem solchen Bestseller-Erfolg einhergeht. Also ist man auf jedes Interview gespannt.
Als ich sah, daß heute "Welt-Online" ein Interview der "Welt am Sonntag" mit Sarrazin bringt, war ich erwartungsfroh, das zu lesen.
Zum einen, weil die "Welt am Sonntag" nicht irgendeinen ihrer Journalisten geschickt hatte, sondern den stellvertretenden Politik-Chef der "Welt"-Gruppe, Claus Christian Malzahn. Das ließ ein Interview mit politischer Substanz erwarten.
Zum anderen, weil diese "Welt"-Gruppe ja bei Sarrazin etwas gutzumachen hat:
Man hatte dort die Sache mit dem "Juden-Gen" groß gebracht; nicht aber die Korrektur seiner unpräzisen Formulierung, die Sarrazin über seinen Verlag schon am Tag nach dem Erscheinen des Interviews hatte verbreiten lassen (siehe Teilen alle Juden ein bestimmtes Gen?; ZR vom 7. 9. 2010 sowie Sarrazin: Gibt es jetzt doch noch eine Diskussion? Nebst einem (fast) unbekannten Dokument zum "Juden-Gen"; ZR vom 18. 9. 2010).
Man würde doch jetzt sicher das Interview nutzen, um Sarrazin Gelegenheit geben, das endlich klarzustellen. Dachte ich. (Naja ...). Aber das war falsch gedacht.
Lesen Sie den Artikel. Oder besser: Lassen Sie es bleiben.
Überwiegend enthält er lächerliche Belanglosigkeiten wie die, daß Sarrazin bei dem Besuch der drei Journalisten (neben Malzahn dessen Kollegin Andrea Seibel und ein Fotograf) Jeans sowie einen roten Pulli trug, daß seine Wohnung schlecht geheizt war (16 Grad!) und er die Besucher bat, zur Schonung des Parketts in Hausschuhe zu schlüpfen. (Malzahn allerdings mußte, auch das will er uns nicht vorenthalten, das Interview in Socken durchstehen, weil sich für ihn keine Hausschuhe fanden).
Auch daß es Tee und Plätzchen gab, vergißt der Autor Malzahn nicht der Nachwelt zu überliefern. Und daß - man bites dog! - vor Sarrazins Haus der Schnee geräumt war.
Und so fort. Eine belanglose, kraftlos dahinplätschernde Homestory, wie man sie vielleicht in der "Bunten" erwartet; allerdings in dem herablassend-ironischen Ton verfaßt, den man zu Sarrazin als Journalist der Qualitätspresse offenbar anschlagen muß.
Und was steht nun in dem Interview, zu dem die drei "Welt"-Leute sich zu Sarrazin bemüht hatten? Fragen wie diese:
"Vermissen Sie die Privilegien, Dienstwagen, Büro, Referent, die sie ja 20 Jahre lang genossen haben?"; "Gab es literarische Helden, die Sie mal hatten oder noch heute haben?"; "Sind die Bücher alphabetisch sortiert?" (zu Sarrazins Bücherregalen).
Das sind drei von insgesamt sieben Fragen, die in dem Artikel vorkommen; Nachfragen wie "Vielleicht früher?" und "Und gibt es die?" mitgerechnet. Ein lächerliches, ein substanzloses Interview. Oder sagen wir: Ein alberner Artikel, in den ein paar dumme Fragen an Sarrazin eingebettet sind. So gut wie nichts zur Sache; zu den Themen, um die es diesem Autor geht.
Malzahn erinnert in dem Artikel nicht nur an das "Welt"-Interview mit dem "Juden-Gen", sondern auch an einen anderen Bericht:
Die "Welt" (genauer: Die "Welt am Sonntag", "Welt-Online" sowie "Welt kompakt") hatte, Sie erinnern sich, berichtet, daß Sarrazin den Text des Buchs zwischen den Auflagen an einigen Stellen verändert hatte. Das hatte er nun in der Tat; so, wie man das häufig zwischen Auflagen tut, seit es den Lichtsatz gibt. Warum um Himmels willen sollte Sarrazin also wegen dieser zutreffenden Meldung Journalisten von "Welt am Sonntag" nicht einige Wochen später zu einem Interview einladen?
Daß Malzahn das erstaunlich findet, wirft ein Licht darauf, wie dieser Journalist - auch er übrigens einer der Vielen, die das Handwerk bei der taz gelernt haben - seinen Beruf sieht: Er setzt offenbar voraus, daß Sarrazin die Meldung über die Änderung nicht als Berichterstattung wahrgenommen hatte, sondern als einen Angriff.
So freilich kann man sie in der Tat verstehen. Sie können das in meinem damaligen Kommentar nachlesen (Distanziert sich Sarrazin jetzt von Sarrazin? Relativiert er? Auch wenn Sie das heute überall lesen: Es ist eine Zeitungsente; ZR vom 15. 11. 2010).
"Welt-Online" hatte behauptet, Sarrazin hätte sich von sich selbst distanziert. Die glatte Unwahrheit. Er hatte einen Satz aus dem Buch herausgenommen, weil dieser im argumentativen Kontext entbehrlich gewesen war, aber zu heftigen Angriffen geführt hatte. Distanziert hat er sich - er hat das inzwischen noch einmal bei Maischberger gesagt - in keiner Weise von diesem Satz.
"Welt-Online" hatte nicht sachlich berichtet, sondern agitiert. Aber Thilo Sarrazin ist augenscheinlich ein Mann, der nicht übelnimmt. Ohne seine heitere Gelassenheit - Ataraxia nannt man das im alten Griechenland - hätte er die vergangenen Monate wohl schwerlich in so guter Stimmung überstehen können, daß er bei dem Interview sogar eine Adventskerze anzündete.
Auch diese Kerze fand Malzahn erwähnenswert.
Als ich sah, daß heute "Welt-Online" ein Interview der "Welt am Sonntag" mit Sarrazin bringt, war ich erwartungsfroh, das zu lesen.
Zum einen, weil die "Welt am Sonntag" nicht irgendeinen ihrer Journalisten geschickt hatte, sondern den stellvertretenden Politik-Chef der "Welt"-Gruppe, Claus Christian Malzahn. Das ließ ein Interview mit politischer Substanz erwarten.
Zum anderen, weil diese "Welt"-Gruppe ja bei Sarrazin etwas gutzumachen hat:
Man hatte dort die Sache mit dem "Juden-Gen" groß gebracht; nicht aber die Korrektur seiner unpräzisen Formulierung, die Sarrazin über seinen Verlag schon am Tag nach dem Erscheinen des Interviews hatte verbreiten lassen (siehe Teilen alle Juden ein bestimmtes Gen?; ZR vom 7. 9. 2010 sowie Sarrazin: Gibt es jetzt doch noch eine Diskussion? Nebst einem (fast) unbekannten Dokument zum "Juden-Gen"; ZR vom 18. 9. 2010).
Man würde doch jetzt sicher das Interview nutzen, um Sarrazin Gelegenheit geben, das endlich klarzustellen. Dachte ich. (Naja ...). Aber das war falsch gedacht.
Lesen Sie den Artikel. Oder besser: Lassen Sie es bleiben.
Überwiegend enthält er lächerliche Belanglosigkeiten wie die, daß Sarrazin bei dem Besuch der drei Journalisten (neben Malzahn dessen Kollegin Andrea Seibel und ein Fotograf) Jeans sowie einen roten Pulli trug, daß seine Wohnung schlecht geheizt war (16 Grad!) und er die Besucher bat, zur Schonung des Parketts in Hausschuhe zu schlüpfen. (Malzahn allerdings mußte, auch das will er uns nicht vorenthalten, das Interview in Socken durchstehen, weil sich für ihn keine Hausschuhe fanden).
Auch daß es Tee und Plätzchen gab, vergißt der Autor Malzahn nicht der Nachwelt zu überliefern. Und daß - man bites dog! - vor Sarrazins Haus der Schnee geräumt war.
Und so fort. Eine belanglose, kraftlos dahinplätschernde Homestory, wie man sie vielleicht in der "Bunten" erwartet; allerdings in dem herablassend-ironischen Ton verfaßt, den man zu Sarrazin als Journalist der Qualitätspresse offenbar anschlagen muß.
Und was steht nun in dem Interview, zu dem die drei "Welt"-Leute sich zu Sarrazin bemüht hatten? Fragen wie diese:
"Vermissen Sie die Privilegien, Dienstwagen, Büro, Referent, die sie ja 20 Jahre lang genossen haben?"; "Gab es literarische Helden, die Sie mal hatten oder noch heute haben?"; "Sind die Bücher alphabetisch sortiert?" (zu Sarrazins Bücherregalen).
Das sind drei von insgesamt sieben Fragen, die in dem Artikel vorkommen; Nachfragen wie "Vielleicht früher?" und "Und gibt es die?" mitgerechnet. Ein lächerliches, ein substanzloses Interview. Oder sagen wir: Ein alberner Artikel, in den ein paar dumme Fragen an Sarrazin eingebettet sind. So gut wie nichts zur Sache; zu den Themen, um die es diesem Autor geht.
Malzahn erinnert in dem Artikel nicht nur an das "Welt"-Interview mit dem "Juden-Gen", sondern auch an einen anderen Bericht:
In seinem Buch hat er seitdem einige umstrittene Passagen relativiert. Eine Passage zu "genetischen Belastungen" bei Migranten aus dem Nahen Osten hat er gar komplett gestrichen. Auch darüber berichtete die "Welt" als erstes. Umso erstaunlicher, dass er uns trotzdem eingeladen hat.Dieses "umso erstaunlicher" ist die einzige lesenswerte Äußerung in dem Artikel.
Die "Welt" (genauer: Die "Welt am Sonntag", "Welt-Online" sowie "Welt kompakt") hatte, Sie erinnern sich, berichtet, daß Sarrazin den Text des Buchs zwischen den Auflagen an einigen Stellen verändert hatte. Das hatte er nun in der Tat; so, wie man das häufig zwischen Auflagen tut, seit es den Lichtsatz gibt. Warum um Himmels willen sollte Sarrazin also wegen dieser zutreffenden Meldung Journalisten von "Welt am Sonntag" nicht einige Wochen später zu einem Interview einladen?
Daß Malzahn das erstaunlich findet, wirft ein Licht darauf, wie dieser Journalist - auch er übrigens einer der Vielen, die das Handwerk bei der taz gelernt haben - seinen Beruf sieht: Er setzt offenbar voraus, daß Sarrazin die Meldung über die Änderung nicht als Berichterstattung wahrgenommen hatte, sondern als einen Angriff.
So freilich kann man sie in der Tat verstehen. Sie können das in meinem damaligen Kommentar nachlesen (Distanziert sich Sarrazin jetzt von Sarrazin? Relativiert er? Auch wenn Sie das heute überall lesen: Es ist eine Zeitungsente; ZR vom 15. 11. 2010).
"Welt-Online" hatte behauptet, Sarrazin hätte sich von sich selbst distanziert. Die glatte Unwahrheit. Er hatte einen Satz aus dem Buch herausgenommen, weil dieser im argumentativen Kontext entbehrlich gewesen war, aber zu heftigen Angriffen geführt hatte. Distanziert hat er sich - er hat das inzwischen noch einmal bei Maischberger gesagt - in keiner Weise von diesem Satz.
"Welt-Online" hatte nicht sachlich berichtet, sondern agitiert. Aber Thilo Sarrazin ist augenscheinlich ein Mann, der nicht übelnimmt. Ohne seine heitere Gelassenheit - Ataraxia nannt man das im alten Griechenland - hätte er die vergangenen Monate wohl schwerlich in so guter Stimmung überstehen können, daß er bei dem Interview sogar eine Adventskerze anzündete.
Auch diese Kerze fand Malzahn erwähnenswert.
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