12. Januar 2011

Zitat des Tages: Militärische Demonstration, während der Minister Gates Peking besucht. China veräppelt die USA ein wenig

Staging the test flight of the long-secret J-20 while Mr. Gates was in Beijing amounted to an unusually bold show of force by China. (...)

In remarks to reporters on Tuesday in Beijing, Mr. Gates said that Mr. Hu did acknowledge the test (...) and that he assured Mr. Gates that it “had absolutely nothing to do with my visit.”

Asked if he truly believed that, Mr. Gates said, “I take President Hu at his word.”


(Daß der Testflug des lange geheimgehaltenen J-20 zeitgleich mit dem Besuch von Gates in Peking angesetzt wurde, stellte eine ungewöhnlich dreiste Machtdemonstration Chinas dar. (...)

Gegenüber Reportern sagte Gates am Dienstag in Peking, daß Hu den Test eingeräumt und ihm versichert habe, dieser hätte "absolut nichts mit meinem Besuch zu tun".

Auf die Frage, ob er ihm das ernsthaft geglaubt hätte, sagte Gates: "Ich nehme Präsident Hu bei seinem Wort".)

Die New York Times gestern über den Besuch von US-Verteidigungsminister Robert M. Gates in Peking, zeitgleich mit dem die Chinesen bekanntgaben, daß sie einen J-20-Tarnkappenjäger erfolgreich getestet hatten.


Kommentar: Drastischer kann Peking den USA kaum vor Augen führen, daß es ihnen nach dem wirtschaftlichen jetzt auch den militärischen Fehdehandschuh hinwirft.

Und, adding insult to injury, macht man sich über Gates auch noch ein wenig lustig, indem Hu ihm offenbar todernst versicherte, selbstverständlich hätte das militärische Muskelspiel während seines Besuchs mit diesem nichts zu tun.

Das Flugzeug J-20 ist ein sogenannter Tarnkappen-Jäger, der durch die Form und Beschaffenheit seiner Oberfläche für Radar weitgehend "unsichtbar" ist. Er ähnelt sehr dem amerikanischen F-22 Raptor. Dadurch, daß er im Flug aufgetankt werden kann, hat er eine große Reichweite weit über die Grenzen Chinas hinaus. Zur Bewaffnung gehören Raketen.

Die NYT spekuliert, daß das chinesische Militär vielleicht den Test ohne Wissen der Führung in Peking unternommen haben könnte. Jedenfalls hätten Präsident Hu und seine Mitarbeiter der US-Delegation den "Eindruck vermittelt, daß sie von dem Test nichts gewußt hätten".

Präsident Hu ist in Personalunion Vorsitzender der Militärkommission, also Oberbefehlshaber des chinesischen Militärs; so, wie Präsident Obama Oberbefehlshaber der US-Streitmacht ist.

Daß das US-Militär eine solche Demonstration ohne das Wissen des Präsidenten arrangieren würde, während dieser den chinesischen Verteidigungsminister empfängt, ist so gut wie undenkbar. Erst recht unwahrscheinlich ist so etwas in einer straffen Diktatur wie der chinesischen.

Aber kommunistische Führungen haben schon seit der Zeit von Nikita Chruschtschow und seinem "Zwilling" Nikolai Bulganin gern dieses Spiel gespielt, das gegenwärtig in Moskau Putin und Medwedew und in Peking Hu und sein Premier Wen Jiabao veranstalten: Der Sanfte und der Harte; der Falke und die Taube. Gern auch "der Reformer" und der "Hardliner".

So haben die Kreml-Astrologen und die Peking-Auguren etwas zu deuten und zu analysieren. Und je nach taktischen Erfordernissen kann man glaubwürdig manchmal hart und dann wieder konziliant auftreten. Für die Deuter hat sich dann eben mal der eine und mal der andere durchgesetzt.



Jenseits solcher Spielchen geht es um eine ernste Sache: Heimlich, still und leise bereitet sich China auf eine neue bipolare Weltordnung vor, in der es als Gegenspieler der USA aufzutreten gedenkt (siehe "China, China, China". Kein neuer Sputnik-Schock, leider; ZR vom 1. 1. 2011).

Seine Aufrüstung schreitet zügig voran. Noch ist es den USA militärisch nicht gewachsen; aber das Ziel wird immer deutlicher sichtbar. Vor einer Woche hat die New York Times einen Überblick über den Stand der chinesischen Rüstung und ihr Entwicklungspotential gegeben. Fazit:
... after years of denials that it has any intention of becoming a peer military power of the United States, it is now unveiling capabilities that suggest that it intends, sooner or later, to be able to challenge American forces in the Pacific.

Nach Jahren des Leugnens, daß es irgendwie beabsichtige, mit den USA militärisch gleichzuziehen, enthüllt es [China; Zettel] jetzt Fähigkeiten, die vermuten lassen, daß es beabsichtigt, früher oder später die amerikanischen Streitkräfte im Pazifik herausfordern zu können.
Ein entscheidender Schritt hin zu diesem Ziel dürfte die Entwicklung der Dong Feng 21D-Rakete sein, die in der Lage sein soll, jeden US-Flugzeugträger zu zerstören. Es wäre damit für die USA schwierig, beispielsweise Taiwan noch gegen einen rotchinesischen Angriff zu schützen.

Die jetzige Machtdemonstration deutet darauf hin, daß man es sich in Peking inzwischen zutraut, seine Fähigkeiten deutlicher zu zeigen als noch vor wenigen Jahren.

Daß man just mit der Vorführung eines Tarnkappen-Flugzeugs ein Stück von der Tarnung wegzieht, wird man möglicherweise als feine chinesische Ironie verstehen dürfen. Daß man Gates dann erzählt, das hätte aber auch rein gar nichts mit seinem Besuch zu tun, macht die Ironie freilich ein wenig gröber. Vielleicht, damit auch ein Amerikaner sie bemerkt.



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