Das Slate Magazine ist eine Internetzeitung, wie sie uns in Deutschland leider fehlt: Ein Ableger der Washington Post, der wie diese darauf angelegt ist, die Leser zu informieren, nicht sie politisch zu beeinflussen. Slate gehört für mich zur unverzichtbaren täglichen Lektüre.
Dort nun gibt es die hübsche Spalte The Explainer. Leser stellen Fragen; oft auch solche, die dumm oder naiv klingen. Und der Wissenschaftsjournalist Daniel Engber macht sich an die Arbeit, diese Fragen auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu beantworten.
Wenn man die Antwort liest, dann denkt man oft: Sieh an, so dumm war die Frage also gar nicht.
Am Ende jedes Jahres stellt Engber diejenigen Fragen zusammen, die während des Jahres eingereicht worden, aber noch unbeantwortet geblieben waren. Die Leser dürfen wählen, welche dieser Fragen sie dringend beantwortet haben wollen.
2007 zum Beispiel siegte die Frage, warum man giftigen Abfall eigentlich nicht in aktive Vulkane entsorgen kann; schließlich seien das doch die "Brennöfen mit den höchsten Temperaturen, die es gibt". (Antwort: Weil sie gar nicht so heiß sind, und wegen der Rückstände).
2008 war es die Frage, welche Hunderasse am wenigsten treu ist. (Die überraschende Antwort: Es gibt im Verhalten nur vergleichsweise geringe Unterschiede zwischen Hunderassen; viel größer ist die Variabilität innerhalb der jeweiligen Rasse).
Dieses Jahr nun lag, wie Engber am vergangenen Mittwoch schrieb, an zweiter Stelle die Frage, ob Lippenlesen bei allen Sprachen gleich gut möglich ist (bisher unbeantwortet). Die Siegerfrage aber lautete:
Tja, was meinen Sie? Ihre erste Reaktion ist vielleicht: Aber das ist doch klar. Ein Stock paßt eben zum Rollenklischee des Männlichen, das schon kleinen Jungen vermittelt wird. Was auch sonst?
Doch, auch sonst. Denn die wissenschaftlichen Untersuchungen, die Engber dazu gelesen hat, legen einen anderen Schluß nahe. Sie beweisen ihn nicht zwingend; aber sie legen ihn eben nah:
Und wie schade, daß viele Menschen darüber hinweggehen, weil sie ja schon wissen, daß die Unterschiede zwischen den Geschlechtern ausschließlich auf "Rollenklischees" zurückgehen.
Sie wissen es nicht deshalb, weil die Forschung das ergeben hätte, sondern weil es ihre Vorurteile ihnen sagen. Siehe zu diesen Vorurteilen, die noch immer verbreitet sind, Alice Schwarzer vs. Kristina Schröder; ZR vom 10. 11. 2010, und Kristina Schröder. Gender. Islam; ZR vom 3. 12. 2010.
Dort nun gibt es die hübsche Spalte The Explainer. Leser stellen Fragen; oft auch solche, die dumm oder naiv klingen. Und der Wissenschaftsjournalist Daniel Engber macht sich an die Arbeit, diese Fragen auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu beantworten.
Wenn man die Antwort liest, dann denkt man oft: Sieh an, so dumm war die Frage also gar nicht.
Am Ende jedes Jahres stellt Engber diejenigen Fragen zusammen, die während des Jahres eingereicht worden, aber noch unbeantwortet geblieben waren. Die Leser dürfen wählen, welche dieser Fragen sie dringend beantwortet haben wollen.
2007 zum Beispiel siegte die Frage, warum man giftigen Abfall eigentlich nicht in aktive Vulkane entsorgen kann; schließlich seien das doch die "Brennöfen mit den höchsten Temperaturen, die es gibt". (Antwort: Weil sie gar nicht so heiß sind, und wegen der Rückstände).
2008 war es die Frage, welche Hunderasse am wenigsten treu ist. (Die überraschende Antwort: Es gibt im Verhalten nur vergleichsweise geringe Unterschiede zwischen Hunderassen; viel größer ist die Variabilität innerhalb der jeweiligen Rasse).
Dieses Jahr nun lag, wie Engber am vergangenen Mittwoch schrieb, an zweiter Stelle die Frage, ob Lippenlesen bei allen Sprachen gleich gut möglich ist (bisher unbeantwortet). Die Siegerfrage aber lautete:
I've always pondered why boys like having sticks. Whether it be walking down a hiking trail with a stick they picked up or running a stick across a white picket fence, boys (including me when I was small) seem to have a knack for having a stick. Is there some kind of explanation for this behavior?
Ich habe mich immer schon gefragt, warum Jungen so gern einen Stock haben. Ob sie nun einen Wanderweg mit einem Stock hinunterlaufen, den sie sich geschnappt haben, oder ob sie mit dem Stock einen weißen Lattenzaun entlangschrammen - Jungen (auch ich, als ich klein war) scheinen darauf versessen zu sein, einen Stock zu haben. Gibt es für dieses Verhalten irgendeine Erklärung?
Tja, was meinen Sie? Ihre erste Reaktion ist vielleicht: Aber das ist doch klar. Ein Stock paßt eben zum Rollenklischee des Männlichen, das schon kleinen Jungen vermittelt wird. Was auch sonst?
Doch, auch sonst. Denn die wissenschaftlichen Untersuchungen, die Engber dazu gelesen hat, legen einen anderen Schluß nahe. Sie beweisen ihn nicht zwingend; aber sie legen ihn eben nah:
Faszinierende wissenschaftliche Ergebnisse, finden Sie nicht?Erstens zeigen Untersuchungen, das Jungen schon in sehr frühem Alter, wenn sie die Auswahl zwischen Spielzeug haben, anderes bevorzugen als Mädchen. Wenn man sie zwischen einer Puppe und einem Spielzeug-Brummi wählen läßt, dann bevorzugen die Mädchen die Puppe und die Jungen den Brummi. Das gilt, wie kürzlich nachgewiesen wurde, sogar schon für Babies im Alter von drei Monaten; also zu einer Zeit, zu der sie noch keine Vorstellung von geschlechtlicher Identität (gender) haben können. (In diesem Alter ermittelt man das Interesse für einen Gegenstand, indem man die Blickbewegungen registriert). Solche Ergebnisse sind immer schwierig zu interpretieren; denn wie will man den Einwand widerlegen, daß eben doch auch schon in den ersten Lebenswochen den Babies von ihrer Umgebung bestimmte Präferenzen beigebracht worden sind? Das könnte beispielsweise durch selektives Belohnen bestimmter vom Baby erwarteter oder erwünschter Verhaltensweisen geschehen. Deshalb war es eine entscheidende Entdeckung, daß sich ähnliche Präferenzen auch bei Primaten finden; beispielsweise bei Rhesusaffen. Auch die kleinen männlichen Äffchen interessieren sich mehr für bewegbares Spielzeug, die kleinen Affenmädchen mehr für Plüschiges. Hier scheidet die Hypothese einer Beeinflussung durch die Umwelt aus. Eine Analyse der wissenschaftlichen Literatur bis 2008 hat ergeben, daß es noch eine weitere, verblüffende Übereinstimmung zwischen menschlichen und Affenbabies gibt: Die Präferenz für bestimmtes Spielzeug ist beim männlichen Geschlecht ausgeprägter als beim weiblichen. Die Jungen sind, anders gesagt, wählerischer als die kleinen Mädchen. Eine Reihe von Befunden legt die Vermutung nahe, daß für diese Unterschiede männliche Hormone eine kritische Rolle spielen. Mädchen, die im Mutterleib hohen Dosen männlicher Hormone ausgesetzt gewesen waren, zeigen zum Beispiel ähnliche Präferenzen von Spielzeug wie Jungen.
Und wie schade, daß viele Menschen darüber hinweggehen, weil sie ja schon wissen, daß die Unterschiede zwischen den Geschlechtern ausschließlich auf "Rollenklischees" zurückgehen.
Sie wissen es nicht deshalb, weil die Forschung das ergeben hätte, sondern weil es ihre Vorurteile ihnen sagen. Siehe zu diesen Vorurteilen, die noch immer verbreitet sind, Alice Schwarzer vs. Kristina Schröder; ZR vom 10. 11. 2010, und Kristina Schröder. Gender. Islam; ZR vom 3. 12. 2010.
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