29. Dezember 2007

Randbemerkung: Muß Roland Koch "zittern"?

Wenn wir "Spiegel Online" Glauben schenken wollen, dann muß Roland Koch um sein "Regierungsamt zittern". Nicht ganz so bildhaft schreibt heute auch FAZ.Net, er müsse um die "Macht fürchten".

Die Grundlage für diese düsteren Prognosen ist eine Umfrage des Düsseldorfer Instituts "Advanced Market Research", die unter 1000 Befragten in Hessen folgende Verteilung der Antworten auf die Sonntagsfrage ermittelt hat: CDU 40 Prozent, FDP 9 Prozent. SPD 33 Prozent, Grüne 10 Prozent.

Nanu, wieso muß da Koch "zittern" und um seine Macht "fürchten"? Nach Adam Riese liegt bei dieser Umfrage Schwarzgelb mit zusammen 49 Prozent weit vor Rotgrün mit zusammen 43 Prozent. Eine komfortable Mehrheit ist Koch, so sollte man meinen, so gut wie sicher.

Ja, aber da ist ja seit diesem Jahr noch eine andere ernst zu nehmende Partei: Die Kommunisten, die sich im Augenblick "Die Linke" nennen. Sie erreichen in der Umfrage 6 Prozent.



Nun wollen wir ein wenig rechnen. 49 Prozent für Schwarzgelb plus 43 Prozent für Rotgrün plus 6 Prozent für die Kommunisten macht zusammen 98 Prozent. Also bekämen in Hessen die "Sonstigen" nur - ein sehr niedriger Wert - 2 Prozent.

Das könnte bedeuten, daß Schwarzgelb mit 49 Prozent der Stimmen gerade eben die absolute Mehrheit von 56 der 110 Sitze erreicht oder diese knapp verfehlt.

Angenommen, es reicht nicht. Muß Koch dann um sein "Regierungsamt zittern"? Keineswegs, sollte man meinen.

Denn Rotgrün wäre ja weit von einer Mehrheit entfernt. Es bestünde eine ähnliche Situation wie 2005 im Bund: Koch könnte eine Große Koalition anführen oder - falls dergleichen zustandekäme - eine Jamaika- Koalition.

Abgelöst werden könnte er allenfalls dann, wenn die FDP in einem Ampel- Bündnis Frau Ypsilanti zur Ministerpräsidentin mitwählte; eine gerade in Hessen mit seiner linken SPD äußerst unwahrscheinliche Möglichkeit.



Also kann Roland Koch den Wahlen gelassen entgegensehen? Nicht ganz. Denn so völlig Unrecht haben "Spiegel Online" und "FAZ.Net" nicht. Zittern und sich fürchten müßte Koch dann, wenn die SPD und die Grünen bereit wären, bei einer entsprechenden Mehrheit eine Koalition mit den Kommunisten einzugehen.

Daß es diese Bereitschaft zu einer Volksfront- Koalition in Hessen gibt, das wird - Rayson hat heute darauf hingewiesen - von "Spiegel Online" ganz selbstverständlich vorausgesetzt, wenn es dort heißt: "Andererseits könnten aber auch SPD, Grüne und Linke zusammen keine Regierung bilden".

Gemeint ist nicht, daß sie das nicht könnten, weil Frau Ypsilanti ja nicht mit den Kommunisten koalieren würde. Sondern weil die momentane Umfrage diesem Bündnis eben auch nur 49 Prozent gibt. Ähnlich steht es auch bei "FAZ.Net".



In diesem Blog war seit Januar dieses Jahres immer wieder zu lesen, daß die politische Entwicklung in Deutschland aus meiner Sicht auf die Möglichkeit einer Volksfront- Regierung nach dem Vorbild des klassischen Front Populaire in den dreißiger Jahren zusteuert.

Was sich an meiner Einschätzung allerdings im Lauf des Jahres geändert hat, das ist die Prognose der Wahrscheinlichkeit, wann das der Fall sein wird. Anfang des Jahres hielt ich noch die übernächsten Bundestagswahlen 2013 für wahrscheinlich, dann schon die kommenden Wahlen 2009. Vor vier Wochen habe ich die Befürchtung zu Protokoll gegeben, daß der Wechsel der Koalition sogar noch früher stattfinden könnte.

Die Volksfront hätte bekanntlich im jetzigen Bundestag eine komfortable Mehrheit. Mit einem Konstruktiven Mißtrauensvotum könnten die drei Fraktionen jederzeit die Kanzlerin stürzen und Kurt Beck oder wen auch immer zum Kanzler einer Volksfront wählen. Aus der Regierung heraus hätte die Volksfront eine ausgezeichnete Chance, 2009 vom Wähler bestätigt zu werden.

Die jetzigen Umfragen zu Hessen (und ähnlich zu Hamburg) weisen darauf hin, wann das passieren könnte - nämlich während oder nach den Koalitionsverhandlungen, die nach dem 27. Januar sehr wahrscheinlich in Hessen und nach dem 24. Februar in Hamburg erforderlich sein werden.

Sollte es in einem oder in beiden Ländern nicht zu Schwarzgelb reichen, dann werden Koch und/oder von Beust der SPD eine Große Koalition anbieten. Innerhalb der SPD wird es in beiden Ländern aber einen erheblichen Druck in Richtung auf eine Volksfront geben.

Es ist so gut wie sicher, daß das erhebliche Auswirkungen auf die Situation in Berlin haben wird.

Sollte die SPD in beiden Ländern für die Große Koalition optieren, dann wird diese auch in Berlin vermutlich bis zum Ende der Legislaturperiode halten. Gibt es aber in einem der beiden Länder oder gar in beiden die Volksfront, dann wird das zu einer solchen Belastung der Koalition im Bund führen, daß die Forderungen nach deren Beendigung immer lauter werden dürften. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, das wird die Devise sein.

Das wird dann die Stunde derer sein, die in allen drei Parteien das neue Historische Bündnis der Arbeiterklasse mit dem progressiven Bürgertum schon seit langem vorbereiten.

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