4. Dezember 2007

Zettels Meckerecke: PISA, Moslems und die finnische Sauna

Wenn heute die Ergebnisse der neuen PISA-Studie offiziell bekanntgegeben werden, wird etwas stattfinden oder vielmehr sich aus den letzten Tagen fortsetzen, was inzwischen rituellen Charakter hat:

Defizite des deutschen Schulsystems werden beklagt werden. Und unweigerlich werden wir zu hören und zu lesen bekommen, diese Defizite lägen wesentlich darin begründet, daß in Deutschland die Schüler zu früh "getrennt", also auf unterschiedliche Schulypen verteilt würden.

Wir werden gemahnt werden, uns ein Beispiel an Finnland zu nehmen, das wieder bei den Naturwissenschaften am besten abschnitt und wo, wie es gern formuliert wird, die "SchülerInnen gemeinsam lernen".

Schafft das gegliederte Schulsystem ab, so werden uns viele "Experten" auffordern, und schon wird Deutschland in den PISA- Charts steil nach oben steigen.

Warum glauben sie das, diese "Experten"? Haben sie Daten, die das belegen oder wenigstens wahrscheinlich machen? Sie haben keine.

Sie propagieren die Gemeinschaftsschule nämlich gar nicht als Experten, sondern als Ideologen. Sie wollen die Gemeinschaftsschule, weil sie ein egalitäres Gesellschaftsbild haben, dem sie auch im Schulwesen zur Realität verhelfen wollen.



Ja, aber sind denn die finnischen Schüler nicht wirklich in vielen Bereichen die besten? Ja, das sind sie.

Und in Finnland wird in der Tat erst relativ spät differenziert, nämlich nach der neunjährigen Primarstufe. (Dann allerdings radikal: Die einen kommen auf eine Berufsschule, die anderen auf eine akademische Schule, die zum Abitur führt).

Nur folgt daraus ja nicht, daß die finnischen Schüler gut abschneiden, weil erst so spät differenziert wird. Es gibt viele Unterschiede zwischen dem finnischen und dem deutschen Schulwesen, zwischen der deutschen und der finnischen Gesellschaft, die den Leistungsunterschied ebenso gut erklären könnten.

Was das Schulsystem angeht, so bedeutet eine späte Differenzierung nach Schultypen überhaupt nicht, daß nicht innerhalb desselben Schultyps die Unterschiede groß sein könnten - je nach Wohnbezirk, je nach der sich daraus ergebenden Zusammensetzung der Schülerschaft, je nach dem individuellen Lernangebot der einzelnen Schulen.

In dieser Hinsicht bietet das deutsche Schulystem wegen der vom jeweiligen Kultusministerium verordneten Lehrpläne gerade sehr wenig Differenzierung; ganz anders als zum Beispiel das amerikanische, in dem unter der gemeinsamen Bezeichnung "High School" die unterschiedlichsten Lernangebote existieren.

Aber bleiben wir beim Vergleich zwischen Deutschland und Finnland. Der offensichtlichste Unterschied ist, daß Finnland so gut wie keine Einwanderung aus Ländern mit einem niedrigen Bildungsstandard hat. Moslems gibt es in Finnland so wenige, daß das CIA World Factbook sie gar nicht als Religion aufführt; sie gehören zu den 0,1 Prozent "Sonstige". Deutschland dagegen hat 3,7 Prozent Moslems; im Schulalter sind es bedeutend mehr. Deutschland ist das Land mit dem dritthöchsten Prozentsatz an Einwanderern weltweit. Es hat laut World Factbook einen Netto- Einwandereranteil von 2,18 pro 1000 Einwohner. Der finnische beträgt 0,78 pro 1000 Einwohner.

Oder: In Finnland sind nur 17,5 Prozent der Bevölkerung in der Industrie beschäftigt; in Deutschland sind es 30 Prozent.

Oder: In Finnland hat fast jede Familie ihre Sauna. In Deutschland nicht.

Daß die gute PISA-Leistung der finnischen Schüler am häufigen Sauna- Besuch liegt, ist genauso gut möglich, wie daß die späte Differenzierung des Schulsystems dafür verantwortlich ist.

Im Grunde ist der Zusammenhang bei der Sauna sogar plausibler: Ein Saunabesuch bewirkt bekanntlich eine bessere Durchblutung; auch des Gehirns.

Für Kommentare und Diskussionen zu diesem Beitrag ist in "Zettels kleinem Zimmer" ein Thread eingerichtet. Wie man sich dort registriert, ist hier zu lesen. Registrierte Teilnehmer können Beiträge schreiben, die sofort automatisch freigeschaltet werden.