31. Dezember 2007

Zettels lobender Jahresrückblick (4): Präsident Bush, Staatsmann des Jahres

In der heutigen SZ ist im Vorspann eines Artikels über den Wahlkampf zu den US-Wahlen Ende 2008 dieser erstaunliche Satz zu lesen: "Nachdem der Irak aus den Schlagzeilen verschwunden ist, stehen die Kandidaten um die Nachfolge von Präsident George W. Bush in einem harten Wettbewerb der Themen."

Ja, wie kommt es denn, daß "der Irak aus den Schlagzeilen verschwunden" ist?

Haben die USA, wie es führende US-Demokraten Ende 2005 forderten, ihre Truppen bis Mitte 2006 aus dem Irak abgezogen? Hat die US-Regierung, wie es die Demokratische Partei im Frühjahr 2007 forderte, verkündet, daß sie bis zum August 2008 alle Truppen aus dem Irak abziehen werde? Haben die USA, wie es damals führende US- Demokraten verlangten, ihre Truppen bereits bis Ende 2007 aus dem Irak abgezogen?

Hätten diese Demokraten die Macht gehabt, ihre Forderungen durchzusetzen, dann allerdings wäre der Irak heute in den Schlagzeilen; mehr denn je.

Dann würden die El Kaida und andere extremistische Sunniten die Provinzen Anbar, Saladin und Diyala kontrollieren; sie hatten ja in Anbar schon ihre Republik ausgerufen. Dann würde in Bagdad der nackte Bürgerkrieg toben; im Süden würden - wären die Briten dem US-Beispiel gefolgt - die schiitischen Milizen herrschen.

Dann gäbe es eine riesige Flüchtlingswelle aus dem Irak; Hunderttausende von demokratisch gesonnen Irakern, die mit den USA zusammengearbeitet hatten, würden verzweifelt versuchen, ihr Leben zu retten, so wie einst die Boat People, nachdem die USA - auch damals auf Beschluß eines von den Demokraten kontrollierten Kongresses - ihren Verbündeten Südvietnam im Stich gelassen hatten.

Dann wäre jetzt der ganze Nahe Osten in Aufruhr, denn ein im Bürgerkrieg befindlicher Irak hätte natürlich den Iran, Syrien, Saudi- Arabien auf den Plan gerufen. Dann wäre die Situation Israels so prekär wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Dann wäre die El Kaida jetzt dabei, in den von ihr beherrschten irakischen Provinzen die Ausbildungslager zur Vorbereitung neuer Anschläge à la 9/11 einzurichten.

Daß dieses Szenario nicht eingetreten ist, haben die Iraker, hat die Welt einem einzigen Mann zu danken, dem amerikanischen Präsidenten. Er hat in der Zeit, in der die Lage im Irak immer schwieriger wurde - zwischen dem Anschlag auf die Al- Askari- Moschee in Samarra im Februar 2006 und den ersten Erfolgen des Surge in Anbar im Juni dieses Jahres - Kurs gehalten. Er hat mit einer bewundernswerten Charakterstärke den immensen Pressionen, denen er damals ausgesetzt war, widerstanden.

Als die Lage im Irak aussichtslos zu werden drohte, als eine große Mehrheit der US-Bürger den sofortigen Abzug forderte, als Bushs Popularität auf einen historischen Tiefstand gesunken war, da hat er das genaue Gegenteil von dem entschieden, was man von ihm erwartete: Er hat die Truppen im Irak verstärkt. Er hat einen neuen Oberbefehlshaber ernannt, den General Petraeus, und er hat ihm freie Hand gegeben, eine neue Strategie zu riskieren. Er hat damit die Wende eingeleitet, die dazu führte, daß jetzt "der Irak aus den Schlagzeilen verschwunden" ist.



Es hat in den vergangenen Jahrzehnten vermutlich keinen Staatsmann gegeben, dessen Image so massiv von seiner historischen Leistung abwich, wie das bei Präsident George W. Bush der Fall ist.

Auf die Gründe für Bushs miserables Image will ich hier nicht eingehen. Es dürfte sehr viel zusammenkommen.

Bushs konservative Überzeugungen, sein christlicher Glaube. Sein hemdsärmliges Auftreten. Innenpolitisch seine Führungsrolle auf der rechten Seite einer Gesellschaft, in der das traditionelle WASP- Amerika der "roten Staaten" mit dem multikulturellen Amerika der "blauen Staaten" an der Ost- und der Westküste ringt.

Außenpolitisch seine entschlossene Reaktion auf den Angriff am 11. September 2001. Sodann die direkte, undiplomatische Art, in der er die amerikanischen Hegemonial- Interessen vertritt (seine Vorgänger haben sie ebenso vertreten, aber in Watte verpackt). Und natürlich der Irak-Krieg.

Ob es eine weise Entscheidung gewesen war, dem ständigen und unbelehrbaren Störenfried des Nahen Ostens, der zweimal einen Krieg vom Zaun gebrochen hatte und der im Inneren mit barbarischer Brutalität herrschte, mit Waffengewalt entgegenzutreten, das mögen spätere Historiker entscheiden. Vermutlich werden sie sich nicht einig sein.

Ebenso wird es die Sache künftiger Historiker sein, anhand des dann verfügbaren Archiv- Materials die diplomatische Vorgeschichte dieses Kriegs zu klären - die Rolle Frankreichs zum Beispiel, das Verhalten des deutschen Kanzlers, die Rolle, die im Hintergrund Rußland und China spielten. Klarheit zu schaffen über die Konsultationen im Sommer 2002, über die Hintergründe der erfolgreichen und der gescheiterten Resolutionen im Weltsicherheitsrat.

Diese Historiker werden herauszufinden haben, wie es zu den fehlerhaften Geheimdienst- Berichten kommen konnte, die nicht nur Bush, sondern beispielsweise auch den französischen Präsidenten Chirac zu der Überzeugung brachten, daß Saddam Hussein über Massenvernichtungs- Waffen verfügte. Sie werden - hoffentlich - ein klärendes Wort zu den Vorwürfen sagen können, Bush habe gewußt, daß Saddam gar keine MWDs hatte, habe die Öffentlichkeit aber belogen.



Erst zukünftige Historiker werden das alles beurteilen können. Was man aber jetzt, am Ende des für das Schicksal des Irak entscheidenden Jahres 2007, sagen kann, ist dies: Ohne die Standfestigkeit des Präsidenten George W. Bush wäre die Lage des Irak, wären die Verhältnisse im Nahen Osten, wäre die gesamte weltpolitische Situation erheblich schlechter, als sie es ist.

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