6. Dezember 2007

Marginalie: Nach Aust jetzt Matussek. Der "Spiegel" wird auf Linie gebracht

Seit ein paar Tagen wird es gemunkelt, jetzt scheint es sicher zu sein: Nach Stefan Aust ist das nächste Opfer der Wende beim "Spiegel" Matthias Matussek, den Aust zum Kulturchef gemacht hatte. Zusammen mit Dr. Romain Leick, auch er keiner aus der In-Group der die Feuilletons bevölkernden Journalisten Publizisten, sondern zuvor Korrespondent in Paris, so wie Matussek in Rio und London stationiert gewesen war.

Ich kann nicht sagen, daß ich Matusseks meist etwas flapsige, oft oberflächliche, nur selten gut geschriebene Arbeiten sehr geschätzt hätte.

Aber er hatte erfrischende Ideen, er rührte nicht im faden Einheitsbrei linker Konformität herum, sondern servierte schon mal Gepfeffertes.

Und vor allem: Unter diesem Ressortleiter konnten Artikel erscheinen, die in den meisten Feuilletons nicht hätten gedruckt werden können.

Beispielsweise eine realistische, also vernichtende Reportage über die Absurditäten gewisser Formen des Regietheaters. Eine "Spiegel"- Story, über deren Entstehung und Schicksal der Autor Joachim Lottmann im Rückblick berichtet hat.

So etwas bringt man als Ressortleiter nicht in Deutschland, wenn man nicht als rückständig, ja als - horribile dictu - konservativ erscheinen will. (In Frankreich hingegen geht das schon; dort hat sogar der stellvertretende Chefredakteur des linken Nouvel Observateur, Jacques Julliard, kürzlich eine Philippika gegen das Regietheater vom Stapel gelassen, gegen die der Artikel im "Spiegel" ein schüchternes Zweifeln war).

Daß beim "Spiegel" so etwas immerhin nach deutschen Maßstäben Hoch- Ketzerisches erscheinen konnte, war sozusagen der gedruckte Beweis dafür, daß es dort unter Aust, daß es in Matusseks Kultur- Ressort liberal zuging; daß neben den selbstveständlich dominierenden Linken auch Unpolitische, ja Konservative zu Wort kommen durften. Eine seltsam zusammengecastete Redaktion halt, aus der Sicht eines Autors wie Oliver Gehrs, der es als gestandener Linker beim "Spiegel" einst allerdings nur auf zwei Jahre als Redakteur gebracht hatte.

Mit dem seltsamen Zusammencasten wird es jetzt vorbei sein. Denn es wird immer deutlicher, daß die Mitarbeiter KG sich die jetzige Gelegenheit, den "Spiegel" wieder auf eine linke Einheitslinie zu trimmen, nicht entgehen lassen wird.

Oder, wie es die "Taz" vor ein paar Tagen formuliert hat: Der "Spiegel" dürfte "wieder ein durch und durch lesbares Blatt" werden. Von einem "Taz"-Autor geschrieben ist das ungefähr die düsterste Prognose, die man dem "Spiegel" ausstellen kann.

Ich bin gespannt, wer die nächsten Opfer dieser Mitarbeiter KG sein werden, in der, wie gestern Wolf Lotter in der "Welt" schrieb, "typische Repräsentanten der in Deutschland so mächtigen Armee der eingebildeten Benachteiligten" das Sagen haben.

An Stelle von Joachim Preuß, von Gabor Steingart, von Georg Mascolo und von Henryk M. Broder würde ich mich schon mal ein wenig auf dem Arbeitsmarkt umsehen.

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