5. November 2007

Marginalie: Sigmar Gabriel auf dem Weg zur Kanzlerschaft

"Abgewatscht" sei er worden, der Sigmar Gabriel, indem man ihn nicht ins SPD- Präsidum gewählt habe, schreibt Carsten Volkery in "Spiegel-Online".

Sieht man von dem süddeutschen Ausdruck "abwatschen" ab, der nicht recht auf einen Mann paßt, der fast sein ganzes Leben zwischen Goslar, Göttingen und Hannover verbracht hat - wenn's denn eine Ohrfeige gewesen sein sollte, dann war's eine von denen, die den Lebensweg vieler Erfolgreicher als kleine Hürden oder Stolpersteine interessanter machen.

Volkery kolportiert, auf dem Hamburger Parteitag habe jemand die Quizfrage gestellt: "Welcher Parteiströmung gehört Sigmar Gabriel an? A. Linke, B. Netzwerker, C. Seeheimer, D. allen dreien". Man habe sich, unter großem Gelächter, auf D geeinigt. Gabriel gelte als ein Mann ohne Überzeugungen.



Ja und? Gabriels Vorbild ist Gerhard Schröder, in dessen Fraktion er seit 1990 im Niedersächsischen Landtag saß, während Schröder Ministerpräsident war - Gabriel im unaufhörlichen Aufstieg vom einfachen Abgeordneten über den innenpolitischen Sprecher und den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden bis zum Fraktionsvorsitzenden. Und schließlich, als Schröder 1998 Kanzler wurde, beerbte ihn Gabriel als Ministerpräsident.

Mir scheint, wie er sich räuspert und wie er spuckt, das hat er ihm glücklich abgeguckt, der Gabriel dem Schröder.

Denn schon zu Juso-Zeiten wußte niemand, wo Schröder eigentlich stand - aber irgendwie wurde er Juso- Vorsitzender. Seinen gesamten Aufstieg verdankt Schröder dem Umstand, daß nie jemand wußte, wo er stand. Wenn es je einen Mann ohne Überzeugungen in der SPD gab, dann war das Gerhard Schröder.

Es hat ihm nicht geschadet. Gewiß, die Partei liebte ihn so wenig, wie sie offenbar jetzt Sigmar Gabriel liebt. Aber Wähler interessieren sich nicht dafür, wo in der SPD jemand verortet ist. Sie lassen sich von guten Rednern beeindrucken, zum Beispiel. Sie lassen sich von Versprechungen verführen, zum Beispiel.

Und die SPD hat noch immer, seit Willy Brandt 1961 statt des Vorsitzenden Ollenhauer Kanzlerkandidat wurde, denjenigen auf den Schild gehoben, von dem man erwartete, daß er die Wähler beeindrucken und sie verführen würde können.

Gabriel ist, wie Schröder, ein glänzender Redner. Wie Schröder kann er in Diskussionen jeden niederquatschen. Er ist, wie Schröder, der Typ des Verkäufers, der auch noch einer blinden Oma eine Illustrierten- Abonnement andrehen kann.

Schröder hat es mit diesen Qualitäten an die Spitze geschafft. Warum nicht auch Gabriel?

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