Was wird nun aus Ägypten? Viele Beobachter fürchten, daß aus der Vielfalt dieses Landes so etwas wird wie eine islamistische Einfalt. Ein Staat, der seine Bürger bevormundet, der versucht, ihnen vorzuschreiben, was Sitte und Moral ist, und der für die Überwachung dieser Sitte und Moral sorgen wird. Also ein Staat, in dem sich Christen oder Freidenker nicht sehr wohl fühlen werden.
Kommentar: Daß sich in einem islamistischen Ägypten "Christen oder Freidenker nicht sehr wohl fühlen werden", ist ein Understatement, das schon an Zynismus grenzt. Und zwar in doppelter Hinsicht:
Erstens wird das "Sich-nicht-sehr-Wohlfühlen" mit großer Wahrscheinlichkeit darin bestehen, daß sich die Verfolgung verschärft, der die Kopten - die 10 bis 20 Prozent der Ägypter, die sich zum Christentum bekennen; eine der ältesten christlichen Gemeinden der Welt - bereits jetzt ausgesetzt sind (siehe Aufruhr in Arabien (31): Christenverfolgung in Ägypten; ZR vom 18. 9. 2012).
Dazu gehört, daß für Verfehlungen, die einem Christen zur Last gelegt werden, seine ganze Gemeinde einer sogenannten "kollektiven Bestrafung" unterworfen wird; Häuser werden angezündet, Geschäfte geplündert. Beispiele können Sie in dem verlinkten Artikel nachlesen.
Eine solche kollektive Bestrafung von Dhimmis (Nichtmoslems) ist - auch das ist in dem verlinkten Artikel im einzelnen zu lesen - im islamischen Recht ausdrücklich vorgesehen. Bisher bot die Justiz noch einigermaßen Schutz gegen derartige Übergriffe; eine Justiz, die auch zur Zeit Mubaraks und seiner Vorgänger eine gewisse Rechtsstaatlichkeit aufrecht zu erhalten versucht hatte (siehe "Fehlende Legitimität, Untergrabung der Justiz, ein Rückschritt gegenüber der Mubarak-Verfassung"; ZR vom 3. 12. 2012). In einem Ägypten unter der Scharia wird das nicht mehr der Fall sein.
Zweitens geht es ja keineswegs nur um "Christen oder Freidenker". Betroffen werden alle westlich orientierten, liberal denkenden Ägypter sein; betroffen werden insbesondere die Frauen sein, für die diese Verfassung eine Rolle vorsieht, die "dem wahren Wesen der ägyptischen Familie" und ihrer "Moral und ihren Werten" gerecht wird.
Und betroffen werden ebenso - darauf hat der Verfassungsjurist Chibli Mallat hingewiesen - die Schiiten sein. Artikel 219 definiert, wie der Bezug auf die Scharia zu verstehen ist: "Die Prinzipien des Islamischen Rechts umfassen dessen allgemeine Regelungen und seine juristische Methode, wie sie in den sunnitischen Lehren verstanden werden".
Als ich für diesen Artikel heute Nacht nach dem Text des Verfassungsentwurfs gesucht habe, war die WebSite von Al Ahram nicht zu erreichen. Inzwischen ist sie wieder zugänglich; mit einem Artikel über den heutigen Medienstreik, der möglicherweise der Grund für die nächtliche Abschaltung gewesen war. Ahram Online schreibt in einer redaktionellen Erklärung:
Der ARD-Korrespondent Jörg Armbruster gestern in der Hauptausgabe der Tagesschau um 20 Uhr aus Kairo.
Kommentar: Daß sich in einem islamistischen Ägypten "Christen oder Freidenker nicht sehr wohl fühlen werden", ist ein Understatement, das schon an Zynismus grenzt. Und zwar in doppelter Hinsicht:
Erstens wird das "Sich-nicht-sehr-Wohlfühlen" mit großer Wahrscheinlichkeit darin bestehen, daß sich die Verfolgung verschärft, der die Kopten - die 10 bis 20 Prozent der Ägypter, die sich zum Christentum bekennen; eine der ältesten christlichen Gemeinden der Welt - bereits jetzt ausgesetzt sind (siehe Aufruhr in Arabien (31): Christenverfolgung in Ägypten; ZR vom 18. 9. 2012).
Dazu gehört, daß für Verfehlungen, die einem Christen zur Last gelegt werden, seine ganze Gemeinde einer sogenannten "kollektiven Bestrafung" unterworfen wird; Häuser werden angezündet, Geschäfte geplündert. Beispiele können Sie in dem verlinkten Artikel nachlesen.
Eine solche kollektive Bestrafung von Dhimmis (Nichtmoslems) ist - auch das ist in dem verlinkten Artikel im einzelnen zu lesen - im islamischen Recht ausdrücklich vorgesehen. Bisher bot die Justiz noch einigermaßen Schutz gegen derartige Übergriffe; eine Justiz, die auch zur Zeit Mubaraks und seiner Vorgänger eine gewisse Rechtsstaatlichkeit aufrecht zu erhalten versucht hatte (siehe "Fehlende Legitimität, Untergrabung der Justiz, ein Rückschritt gegenüber der Mubarak-Verfassung"; ZR vom 3. 12. 2012). In einem Ägypten unter der Scharia wird das nicht mehr der Fall sein.
Zweitens geht es ja keineswegs nur um "Christen oder Freidenker". Betroffen werden alle westlich orientierten, liberal denkenden Ägypter sein; betroffen werden insbesondere die Frauen sein, für die diese Verfassung eine Rolle vorsieht, die "dem wahren Wesen der ägyptischen Familie" und ihrer "Moral und ihren Werten" gerecht wird.
Und betroffen werden ebenso - darauf hat der Verfassungsjurist Chibli Mallat hingewiesen - die Schiiten sein. Artikel 219 definiert, wie der Bezug auf die Scharia zu verstehen ist: "Die Prinzipien des Islamischen Rechts umfassen dessen allgemeine Regelungen und seine juristische Methode, wie sie in den sunnitischen Lehren verstanden werden".
Als ich für diesen Artikel heute Nacht nach dem Text des Verfassungsentwurfs gesucht habe, war die WebSite von Al Ahram nicht zu erreichen. Inzwischen ist sie wieder zugänglich; mit einem Artikel über den heutigen Medienstreik, der möglicherweise der Grund für die nächtliche Abschaltung gewesen war. Ahram Online schreibt in einer redaktionellen Erklärung:
Ahram Online declares its full support for the strike action undertaken on Tuesday by a large number of major Egyptian newspapers and TV stations in defence of freedom of the press, freedom of expression, civil liberties and the rule of law. In view of our particular status as a web-based news outlet, however, we will maintain our updates throughout this crucial day of protest, not in contravention of the strike action, but in full solidarity with it. These decisions were consensually adopted by an all-staff meeting of Ahram Online, and in consultation with members of the board of the Press Syndicate and striking news media.Wenn Sie sich ansehen wollen, wie der Internet-Auftritt einer der streikenden Zeitungen im Augenblick aussieht, dann gehen Sie einmal auf die WebSite des englischsprachigen Egyptian Independent.
Ahram Online erklärt seine vollständige Unterstützung für die Streikmaßnahme, die am Dienstag von einer großen Zahl ägyptischer Zeitungen und TV-Stationen durchgeführt wird, um Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, die bürgerlichen Freiheiten und die Herrschaft des Gesetzes zu verteidigen. In Anbetracht unseres besonderen Status als Nachrichtenportal im Internet werden wir jedoch weiter an diesem kritischen Tag des Protests aktuelle Meldungen bringen; nicht als Bruch dieses Streiks, sondern in voller Solidarität damit. Diese Entscheidungen wurden von einer Vollversammlung der Mitarbeiter von Ahram Online einvernehmlich getroffen, abgestimmt mit Mitgliedern des Vorstands der Pressegewerkschaft und streikenden Medien.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette gemeinfrei.