"Seid ruhig, ich werde den Rhein nimmermehr den Franzosen abtreten, schon aus dem ganz einfachen Grunde: weil mir der Rhein gehört. Ja, mir gehört er, durch unveräußerliches Geburtsrecht, ich bin des freien Rheins noch weit freierer Sohn, an seinem Ufer stand meine Wiege, und ich sehe gar nicht ein, warum der Rhein irgendeinem andern gehören soll als den Landeskindern".
Diese Worte stammen aus der Feder eines Mannes, der nicht nur an den Ufern des mitteleuropäischen Schicksalsflusses das Licht der Welt erblickt hatte; er setzte diesem Strom mit seinem Loreley-Lied auch ein unsterbliches literarisches Denkmal: Heinrich Heine.
Während der Geburtsort des Dichters völlig außer Zweifel steht – es war Düsseldorf, genauer gesagt: die Bolkerstraße –, ist die Frage nach seinem Geburtsdatum bis heute nicht abschließend geklärt. Heine selbst kommentierte diese Ungewissheit mit dem lapidaren Satz: "La chose la plus importante, c'est que je suis né" (Das Wichtigste ist, dass ich geboren wurde). Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand gilt der 13. Dezember 1797 als der wahrscheinlichste Termin. Ein guter Grund, am heutigen Tag an einen der größten deutschen Lyriker zu erinnern, besteht damit allemal.
Heine ist eine dieser schillernden Außenseiterfiguren, an denen es in der abendländischen Geistesgeschichte nicht mangelt. Alle seine Versuche, eine bürgerliche Existenz aufzubauen, waren vergeblich: Die Laufbahn als Handelsunternehmer (Harry Heine & Comp.) währte nur ein Jahr; die nach der Promotion zum Doctor iuris geplante Eröffnung einer Rechtsanwaltskanzlei war ebenso erfolglos wie seine Bewerbung um eine Professur in München.
Das Scheitern der angestrebten Universitätskarriere lastete Heine übrigens den in der bayerischen Hauptstadt ansässigen katholischen Kräften an, als deren Sprachrohr er den Grafen Platen vermutete. Mit diesem seinerseits exzentrischen Poeten lieferte er sich einen aus nichtigem Anlass entstandenen, mit saftigen persönlichen Attacken nicht sparsamen Schlagabtausch, in dessen Ergebnis Heine als vom Judentum konvertierter Protestant und Platen als verklemmter Homosexueller geoutet waren.
Nur wenige Jahre nach diesem wüsten Duell fand Heine aber durchaus freundliche Worte für seinen vormaligen Gegner. In der Romantischen Schule begegnet der erstaunte Leser folgendem Satz:
Womit sich Heine allerdings die Bewunderung der Nachwelt redlich verdient hat, das ist seine Befreiung der deutschen Lyrik zum stilus humilis, zur schlichten Eleganz. Heine schreibt auch dann einfaches Deutsch, wenn er sich in versgebundener und gereimter Sprache äußert. Paradoxerweise ist es gerade die Schmucklosigkeit und die Pathosfreiheit seiner Gedichte, die diesen ihre emotionale Intensität verleiht:
Seine letzten Jahre verbrachte Heine im Siechenbett, in der von ihm so genannten Matratzengruft. Eine Syphilis-Erkrankung argwöhnend und mittlerweile auch ohne die großzügige Unterstützung seines anno 1844 verstorbenen Onkels Salomon finanziell abgesichert, war der seinerzeit vielleicht bekannteste Exilant weiterhin schriftstellerisch produktiv: In die Zeit der Bettlägerigkeit fiel etwa der Romanzero.
Heines vielschichtige und widersprüchliche Persönlichkeit reizt Publizistenurgesteine auch in unserer Epoche zu einer weit intensiveren Beschäftigung, als sie weniger umstrittene Klassiker unserer Literatur vor einem Feuilleton-Publikum noch erhoffen dürfen. Dies liegt wohl insbesondere daran, dass sich Heine aufgrund seiner gedanklichen und künstlerischen Unstetigkeit jeglicher Kategorisierungen verweigert:
Da ist zunächst die mittlerweile schon zum Stehsatz gehörende und von ihm selbst durchaus maßgeblich beförderte Charakterisierung als letzter Dichter der Romantik und zugleich deren Überwinder. Ebenso saß Heine politisch zwischen den Stühlen; so liest man in seinen Werken konservative, liberale und protosozialistische Ansichten gleichermaßen.
Es mag deshalb kaum verwundern, dass Heine einerseits den fest im Establishment verwurzelten Goethe als Literaten verehrte – im schroffen Gegensatz übrigens zu Börne, für den der Geheimrat "ein grauer Star im deutschen Auge" war und zu dem er aphoristisch anmerkte: "Seit ich fühle, habe ich Goethe gehaßt, seit ich denke, weiß ich warum." Und dass derselbe Heine andererseits in Paris mit Karl Marx zusammenarbeitete – so erschien etwa das berühmte Gedicht über Die schlesischen Weber zuerst im Vorwärts!
Erwähnenswert ist auch, dass der bekennende Spinozist, der die protestantische Taufe als das "Entre Billet (sic) zur Europäischen Kultur" verspottete, in unvergleichlicher Weise die Bedeutung der "Prinzessin Sabbath" für das Leben gläubiger Juden darzustellen wusste.
Dem egomanischen homme de lettres, der seine Widersacher wie später der große Wiener Polemiker Karl Kraus mit spitzer Feder erledigen wollte, stand ein bisweilen ungewöhnlich fairer Kritiker gegenüber, der sich manchmal sogar zu fast schon anrührenden Elogen hinreißen ließ; etwa in Heines (absolut nachvollziehbarer) Würdigung Ludwig Uhlands in der Romantischen Schule:
Das Faszinierende an Heine ist, kurz zusammengefasst: Er hat nach 215 Jahren noch immer nicht aufgehört, bei jeder Lektüre von neuem zu überraschen.
Diese Worte stammen aus der Feder eines Mannes, der nicht nur an den Ufern des mitteleuropäischen Schicksalsflusses das Licht der Welt erblickt hatte; er setzte diesem Strom mit seinem Loreley-Lied auch ein unsterbliches literarisches Denkmal: Heinrich Heine.
Während der Geburtsort des Dichters völlig außer Zweifel steht – es war Düsseldorf, genauer gesagt: die Bolkerstraße –, ist die Frage nach seinem Geburtsdatum bis heute nicht abschließend geklärt. Heine selbst kommentierte diese Ungewissheit mit dem lapidaren Satz: "La chose la plus importante, c'est que je suis né" (Das Wichtigste ist, dass ich geboren wurde). Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand gilt der 13. Dezember 1797 als der wahrscheinlichste Termin. Ein guter Grund, am heutigen Tag an einen der größten deutschen Lyriker zu erinnern, besteht damit allemal.
Heine ist eine dieser schillernden Außenseiterfiguren, an denen es in der abendländischen Geistesgeschichte nicht mangelt. Alle seine Versuche, eine bürgerliche Existenz aufzubauen, waren vergeblich: Die Laufbahn als Handelsunternehmer (Harry Heine & Comp.) währte nur ein Jahr; die nach der Promotion zum Doctor iuris geplante Eröffnung einer Rechtsanwaltskanzlei war ebenso erfolglos wie seine Bewerbung um eine Professur in München.
Das Scheitern der angestrebten Universitätskarriere lastete Heine übrigens den in der bayerischen Hauptstadt ansässigen katholischen Kräften an, als deren Sprachrohr er den Grafen Platen vermutete. Mit diesem seinerseits exzentrischen Poeten lieferte er sich einen aus nichtigem Anlass entstandenen, mit saftigen persönlichen Attacken nicht sparsamen Schlagabtausch, in dessen Ergebnis Heine als vom Judentum konvertierter Protestant und Platen als verklemmter Homosexueller geoutet waren.
Nur wenige Jahre nach diesem wüsten Duell fand Heine aber durchaus freundliche Worte für seinen vormaligen Gegner. In der Romantischen Schule begegnet der erstaunte Leser folgendem Satz:
Vielleicht mit Ausnahme des Herren Gries und des Herren Grafen Platen ist Herr A. W. Schlegel überhaupt der größte Metriker Deutschlands.Eine andere bekannte Kontroverse Heines, nämlich die mit dem ebenfalls nach Paris verzogenen Ludwig Börne über ideologische Standfestigkeit und die Rolle des gesellschaftlich-politischen Engagements im Wirken eines Künstlers, endete weit weniger versöhnlich. Das Nachtreten Heines in seiner drei Jahre nach Börnes Tod veröffentlichten Denkschrift kann man mit einigem Recht als unschön empfinden. "Dieu me pardonnera; c’est son métier" (Gott wird mir verzeihen; das ist sein Beruf), hätte Heine auf solche Vorhaltungen vielleicht geantwortet.
Womit sich Heine allerdings die Bewunderung der Nachwelt redlich verdient hat, das ist seine Befreiung der deutschen Lyrik zum stilus humilis, zur schlichten Eleganz. Heine schreibt auch dann einfaches Deutsch, wenn er sich in versgebundener und gereimter Sprache äußert. Paradoxerweise ist es gerade die Schmucklosigkeit und die Pathosfreiheit seiner Gedichte, die diesen ihre emotionale Intensität verleiht:
Nach Deutschland lechzt' ich nicht so sehr,Mit solchen Strophen hat Heine der deutschen Dichtkunst den Weg in die Moderne gewiesen. Weniger beachtet, aber wohl nicht minder bedeutend ist seine Rolle als einer der Ahnherren des Reportage-Journalismus.
Wenn nicht die Mutter dorten wär';
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.
Seine letzten Jahre verbrachte Heine im Siechenbett, in der von ihm so genannten Matratzengruft. Eine Syphilis-Erkrankung argwöhnend und mittlerweile auch ohne die großzügige Unterstützung seines anno 1844 verstorbenen Onkels Salomon finanziell abgesichert, war der seinerzeit vielleicht bekannteste Exilant weiterhin schriftstellerisch produktiv: In die Zeit der Bettlägerigkeit fiel etwa der Romanzero.
Heines vielschichtige und widersprüchliche Persönlichkeit reizt Publizistenurgesteine auch in unserer Epoche zu einer weit intensiveren Beschäftigung, als sie weniger umstrittene Klassiker unserer Literatur vor einem Feuilleton-Publikum noch erhoffen dürfen. Dies liegt wohl insbesondere daran, dass sich Heine aufgrund seiner gedanklichen und künstlerischen Unstetigkeit jeglicher Kategorisierungen verweigert:
Da ist zunächst die mittlerweile schon zum Stehsatz gehörende und von ihm selbst durchaus maßgeblich beförderte Charakterisierung als letzter Dichter der Romantik und zugleich deren Überwinder. Ebenso saß Heine politisch zwischen den Stühlen; so liest man in seinen Werken konservative, liberale und protosozialistische Ansichten gleichermaßen.
Es mag deshalb kaum verwundern, dass Heine einerseits den fest im Establishment verwurzelten Goethe als Literaten verehrte – im schroffen Gegensatz übrigens zu Börne, für den der Geheimrat "ein grauer Star im deutschen Auge" war und zu dem er aphoristisch anmerkte: "Seit ich fühle, habe ich Goethe gehaßt, seit ich denke, weiß ich warum." Und dass derselbe Heine andererseits in Paris mit Karl Marx zusammenarbeitete – so erschien etwa das berühmte Gedicht über Die schlesischen Weber zuerst im Vorwärts!
Erwähnenswert ist auch, dass der bekennende Spinozist, der die protestantische Taufe als das "Entre Billet (sic) zur Europäischen Kultur" verspottete, in unvergleichlicher Weise die Bedeutung der "Prinzessin Sabbath" für das Leben gläubiger Juden darzustellen wusste.
Dem egomanischen homme de lettres, der seine Widersacher wie später der große Wiener Polemiker Karl Kraus mit spitzer Feder erledigen wollte, stand ein bisweilen ungewöhnlich fairer Kritiker gegenüber, der sich manchmal sogar zu fast schon anrührenden Elogen hinreißen ließ; etwa in Heines (absolut nachvollziehbarer) Würdigung Ludwig Uhlands in der Romantischen Schule:
Daß diese demokratische und protestantische Gesinnung bey ihm ächt und lauter ist, bewies Herr Uhland durch die großen persönlichen Opfer, die er ihr brachte; hatte er einst den Dichterlorbeer errungen, so erwarb er auch jetzt den Eichenkranz der Bürgertugend. Aber eben weil er es mit der neuen Zeit so ehrlich meinte, konnte er das alte Lied von der alten Zeit nicht mehr mit der vorigen Begeisterung weiter singen; und da sein Pegasus nur ein Ritterroß war, das gern in die Vergangenheit zurücktrabte, aber gleich stätig wurde wenn es vorwärts sollte in das moderne Leben, da ist der wackere Uhland lächelnd abgestiegen, ließ ruhig absatteln und den unfügsamen Gaul nach dem Stall bringen.Und schließlich kontrastiert ein Unvermögen in den epischen Formen mit einer Ehrfurcht gebietenden Brillanz in den Gattungen der Kurz- und Sachprosa sowie insbesondere der Lyrik.
Das Faszinierende an Heine ist, kurz zusammengefasst: Er hat nach 215 Jahren noch immer nicht aufgehört, bei jeder Lektüre von neuem zu überraschen.
Noricus
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