Das vermutlich extremste Beispiel ideologischer Verblendung in der deutschen Politik war und ist die Annahme, daß die Welt im Begriff sei, die Nutzung der Kernkraft zur Stromerzeugung aufzugeben. Mit dem Beschluß, die eigenen Kernkraftwerke zu schließen, wollte man sich an die Spitze dieses unterstellten Prozesses setzen.
Ohne diese Voraussetzung macht der deutsche "Ausstieg" überhaupt keinen Sinn. Sein einziger Effekt wird dann sein, in Deutschland Energie zu verteuern und damit unseren Wohlstand zu mindern.
An unseren Grenzen werden dann weiter KKWs stehen, wie das oben abgebildete in Cattenom im französischen Lothringen; zwölf Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Der vorgeblichen Gefahr, Opfer einer Wiederholung des Unfalls von Fukushima zu werden, werden dann auch wir Deutschen weiter ausgesetzt sein; nur minimal verringert.
Wie abwegig die Erwartung ist, daß die Welt hinter uns deutschen "Vorreitern" herreiten wird, geht aus zwei heutigen Meldungen hervor:
In der einen, zu lesen zum Beispiel in "Zeit-Online", heißt es, daß in Japan "ein Wiedereinstieg in die Atomkraft" bevorstehe. Das ist natürlich abwegig, denn Japan war nie ausgestiegen.
Nach dem Unfall von Fukushima waren allerdings die japanischen KKWs vorübergehend heruntergefahren worden, um ihre Sicherheit zu überprüfen. Das kostete allein im Jahr 2011 die japanische Volkswirtschaft mehr als hundert Milliarden Dollar für die Einfuhr von Kohle, Öl und Erdgas.
Natürlich gab es auch in Japan nach dem Unfall eine Diskussion über die Kernenergie. Aber anders als in Deutschland verlief diese Diskussion rational; und es wurde niemals ein überstürzter "Ausstiegs"-Beschluß gefaßt.
Jetzt regiert in Japan, nach dem Intermezzo einer Linksregierung, die sich als unfähig erwiesen hatte, wieder die liberalkonservative LDP. Deren Energieminister Toshimitsu Motegi hat nun angekündigt, daß nicht nur die bestehenden KKWs nach Abschluß der Sicherheitsüberprüfung wieder ans Netz gehen werden, sondern daß Japan auch neue Reaktoren bauen wird.
Wie auch anders. Die Stromerzeugung aus Kernenergie ist die Technik der Wahl in einem Land, das wie Japan kaum über einheimische Vorräte an Kohle, Erdgas und Erdöl verfügt.
Sie ist aus demselben Grund die Technik der Wahl auch in Deutschland. Oder vielmehr: Sie wäre es, würden bei uns Entscheidungen zur Energiepolitik rational und nicht aus einem Bauchgefühl heraus getroffen werden. Oder in einem Zustand kollektiver Besoffenheit, wie im Frühsommer 2011.
Die zweite Meldung findet man heute in der Internetausgabe des französischen Nouvel Observateur: Es ist jetzt eine französisch-chinesische Kooperation so gut wie beschlossen, die zur gemeinsamen Entwicklung eines neuen Reaktors führen soll.
Beteiligt sind auf französischer Seite die Firmen Électricité de France (EDF) und Areva, auf chinesischer Seite die China Guangdong Nuclear Power Group (CGNPC).
Die EDF ist der weltweit größte Stromerzeuger, der Elektrizitätswerke auf fast allen Kontinenten betreibt; 74 Prozent davon mit Kernkraft. Die CGNPC ist einer der großen chinesischen Stromerzeuger. Sie verfügt über KKWs mit einer Gesamtkapazität von knapp 4000 Megawatt und baut gegenwärtig sechs weitere; vier sind außerdem in Planung.
Die Kooperation wurde bereits 2011 geplant; aber es gab bei den Franzosen Sorgen über einen möglichen Transfer von französischer Technologie an die Chinesen. Zur Wahrung geistigen Eigentums sind jetzt zusätzliche Vereinbarungen getroffen worden; und heute hat ein Direktor von EDF, Hervé Machenaud, mitgeteilt, daß jetzt eine Einigung bevorstehe.
Die sozialistische Regierung Frankreichs hat schon zugestimmt, nachdem die Regierung Sarkozy das Projekt zunächst blockiert hatte. In der französischen Regierung gibt es ein Komitee für Kernenergie (Comité de politique nucléaire; CPN). Bereits im September hat es grünes Licht gegeben und es den beiden französischen Firmen überlassen, die letzten Details auszuhandeln.
In Frankreich sind diejenigen, die aus der Kernenergie "aussteigen" wollen, eine kleine Minderheit; wie fast überall auf der Welt. Die einzige Partei, die das befürwortet, sind Les Verts, die französischen Grünen. Bei der Wahl im April/Mai dieses Jahres erhielt deren Kandidatin Eva Joly 2,31 Prozent der Stimmen.
Um die Aussteigernation herum wird es einsam. Wer außer uns Deutschen will keine Kernenergie mehr? Österreich, das freilich nie ein KKW hatte. Vielleicht noch die Schweiz, Italien, Belgien. Auch dort könnte man erneut nachdenken, wenn deutlich wird, daß hinter dem Vorreiter kaum jemand nachreitet.
Ohne diese Voraussetzung macht der deutsche "Ausstieg" überhaupt keinen Sinn. Sein einziger Effekt wird dann sein, in Deutschland Energie zu verteuern und damit unseren Wohlstand zu mindern.
An unseren Grenzen werden dann weiter KKWs stehen, wie das oben abgebildete in Cattenom im französischen Lothringen; zwölf Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Der vorgeblichen Gefahr, Opfer einer Wiederholung des Unfalls von Fukushima zu werden, werden dann auch wir Deutschen weiter ausgesetzt sein; nur minimal verringert.
Wie abwegig die Erwartung ist, daß die Welt hinter uns deutschen "Vorreitern" herreiten wird, geht aus zwei heutigen Meldungen hervor:
In der einen, zu lesen zum Beispiel in "Zeit-Online", heißt es, daß in Japan "ein Wiedereinstieg in die Atomkraft" bevorstehe. Das ist natürlich abwegig, denn Japan war nie ausgestiegen.
Nach dem Unfall von Fukushima waren allerdings die japanischen KKWs vorübergehend heruntergefahren worden, um ihre Sicherheit zu überprüfen. Das kostete allein im Jahr 2011 die japanische Volkswirtschaft mehr als hundert Milliarden Dollar für die Einfuhr von Kohle, Öl und Erdgas.
Natürlich gab es auch in Japan nach dem Unfall eine Diskussion über die Kernenergie. Aber anders als in Deutschland verlief diese Diskussion rational; und es wurde niemals ein überstürzter "Ausstiegs"-Beschluß gefaßt.
Jetzt regiert in Japan, nach dem Intermezzo einer Linksregierung, die sich als unfähig erwiesen hatte, wieder die liberalkonservative LDP. Deren Energieminister Toshimitsu Motegi hat nun angekündigt, daß nicht nur die bestehenden KKWs nach Abschluß der Sicherheitsüberprüfung wieder ans Netz gehen werden, sondern daß Japan auch neue Reaktoren bauen wird.
Wie auch anders. Die Stromerzeugung aus Kernenergie ist die Technik der Wahl in einem Land, das wie Japan kaum über einheimische Vorräte an Kohle, Erdgas und Erdöl verfügt.
Sie ist aus demselben Grund die Technik der Wahl auch in Deutschland. Oder vielmehr: Sie wäre es, würden bei uns Entscheidungen zur Energiepolitik rational und nicht aus einem Bauchgefühl heraus getroffen werden. Oder in einem Zustand kollektiver Besoffenheit, wie im Frühsommer 2011.
Die zweite Meldung findet man heute in der Internetausgabe des französischen Nouvel Observateur: Es ist jetzt eine französisch-chinesische Kooperation so gut wie beschlossen, die zur gemeinsamen Entwicklung eines neuen Reaktors führen soll.
Beteiligt sind auf französischer Seite die Firmen Électricité de France (EDF) und Areva, auf chinesischer Seite die China Guangdong Nuclear Power Group (CGNPC).
Die EDF ist der weltweit größte Stromerzeuger, der Elektrizitätswerke auf fast allen Kontinenten betreibt; 74 Prozent davon mit Kernkraft. Die CGNPC ist einer der großen chinesischen Stromerzeuger. Sie verfügt über KKWs mit einer Gesamtkapazität von knapp 4000 Megawatt und baut gegenwärtig sechs weitere; vier sind außerdem in Planung.
Die Kooperation wurde bereits 2011 geplant; aber es gab bei den Franzosen Sorgen über einen möglichen Transfer von französischer Technologie an die Chinesen. Zur Wahrung geistigen Eigentums sind jetzt zusätzliche Vereinbarungen getroffen worden; und heute hat ein Direktor von EDF, Hervé Machenaud, mitgeteilt, daß jetzt eine Einigung bevorstehe.
Die sozialistische Regierung Frankreichs hat schon zugestimmt, nachdem die Regierung Sarkozy das Projekt zunächst blockiert hatte. In der französischen Regierung gibt es ein Komitee für Kernenergie (Comité de politique nucléaire; CPN). Bereits im September hat es grünes Licht gegeben und es den beiden französischen Firmen überlassen, die letzten Details auszuhandeln.
In Frankreich sind diejenigen, die aus der Kernenergie "aussteigen" wollen, eine kleine Minderheit; wie fast überall auf der Welt. Die einzige Partei, die das befürwortet, sind Les Verts, die französischen Grünen. Bei der Wahl im April/Mai dieses Jahres erhielt deren Kandidatin Eva Joly 2,31 Prozent der Stimmen.
Um die Aussteigernation herum wird es einsam. Wer außer uns Deutschen will keine Kernenergie mehr? Österreich, das freilich nie ein KKW hatte. Vielleicht noch die Schweiz, Italien, Belgien. Auch dort könnte man erneut nachdenken, wenn deutlich wird, daß hinter dem Vorreiter kaum jemand nachreitet.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelbild: Das französische Kernkraftwerk Cattenom in Lothringen, zwölf Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Vom Autor Stefan Kühn unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported-Lizenz freigegeben.