Zur gedruckten "Zeit" dieser Woche gibt es schon heute die Vorabmeldungen; darunter eine zu einem Interview mit der Familienministerin Kristina Schröder. Darin lesen wir:
Am besten natürlich, so ging es mir den Kopf, ersparte man dann den Müttern das Synchronübersetzen, indem die Texte gleich purgiert werden; politisch bearbeitet, wie das in Obrigkeitsstaaten und Diktaturen gang und gäbe ist.
Oder beispielsweise auch schon in den USA; wo kürzlich eine Neuausgabe von Mark Twains "Huckleberry Finn" so bearbeitet wurde, daß nicht mehr das Wort "Nigger" vorkam (siehe Huckleberry Finn, purgierte Fassung. Politische Korrektheit, Aufklärung und die Magie der Wörter, ZR vom 6. 1. 2011).
Ich fand beim ersten Lesen dieses Muckertum ausgerechnet bei Kristina Schröder, die doch bisher als eine mutige und ehrliche Politikerin aufgefallen war, überraschend.
Dann fielen mir meine Eltern ein. Sie waren überzeugte Atheisten und gehörten keiner Kirche an. Aber sie ließen uns Kinder taufen und haben mir das später so erklärt: Wir wollten nicht, daß ihr Kinder Außenseiter in einer christlichen Gesellschaft seid. Später könnt ihr über euren Glauben ja selbst entscheiden.
Das war in der Tat damals eine christliche Gesellschaft, in der ich groß geworden bin. Es gab in allen Schulen und Klassen, in denen ich gewesen bin, meines Wissens keinen einzigen konfessionslosen Schüler. Wir hatten einmal einen Neuapostolischen; der wurde von allen anderen gemieden. Es gab einmal einen Juden, der frei hatte, während wir anderen alle im evangelischen oder katholischen Religionsunterricht saßen. Auch er ein Außenseiter.
Ich bin meinen Eltern heute dankbar, daß sie mich haben taufen lassen; daß ich in den Kindergottesdienst gegangen und als ein ganz normaler Schüler aufgewachsen bin. Als ich alt genug war, konnte ich mich ja entscheiden.
Ob nicht die kluge und mutige Kristina Schröder ähnliche Überlegungen angestellt hat? Möchte sie nicht vielleicht vermeiden, daß ihre Tochter im Kindergarten naiv vom "Negerkönig" plappert und dann zurechtgewiesen, zur Außenseiterin gemacht wird?
Für sich selbst darf man mutig sein; Mannesmut vor Fürstenthronen. Aber man darf nicht diejenigen kompromittieren, für die man verantwortlich ist.
Die Vorabmeldung in "Zeit-Online" zu dem Interview und die entsprechende Meldung in der "Welt" waren gerade ein paar Stunden alt, da gab es auch schon in "Süddeutsche.de" einen Kommentar, der vermuten läßt, daß Kristina Schröder klug handelt.
Denn dort wurde nun sogar dieses Zugeständnis an die politische Korrektheit gegen sie gewendet:
Wie hätte man es dort wohl kommentiert, wenn sie selbst das gesagt hätte, was der Autor Marc Felix Serrao schreibt, daß nämlich "der Begriff 'Neger' bei Astrid Lindgren nichts mit rassistischer Herabsetzung zu tun hat"?
Ja, es gibt Grund zur Kritik. Aber nicht die Mutter ist zu kritisiern, die ihre Kinder davor schützt, zu Außenseitern zu werden. Zu kritisieren ist eine Gesellschaft, in der man schon zum Außenseiter zu werden droht, wenn man als Kind aus dem Buch einer klassischen Kinderbuchautorin das aufsagt, was diese geschrieben hat.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) will beim Vorlesen für ihre anderthalb Jahre alte Tochter diskriminierende Begriffe sofort entschärfen. Wenn etwa Pippi Langstrumpfs Vater als "Negerkönig" bezeichnet werde oder Jim Knopf als "Negerbaby", dann werde sie dies bei ihrer Tochter "synchron übersetzen, um mein Kind davor zu bewahren, solche Ausdrücke zu übernehmen. Auch ohne böse Absicht können Worte ja Schaden anrichten. Wenn ein Kind älter ist, würde ich dann erklären, was das Wort 'Neger' für eine Geschichte hat und dass es verletzend ist, das Wort zu verwenden", sagte sie der ZEIT. (...)Und ist zur Unehrlichkeit entschlossen. Das war meine erste Reaktion, als ich das gelesen habe. Denn was heißt "synchron übersetzen" denn hier anderes als verfälschen? Einen Text nicht so vorlesen, wie er dasteht, sondern ihn zurechtbiegen, bis er politisch korrekt ist?
Schröder plädierte grundsätzlich für Ehrlichkeit in der Erziehung (...).
Am besten natürlich, so ging es mir den Kopf, ersparte man dann den Müttern das Synchronübersetzen, indem die Texte gleich purgiert werden; politisch bearbeitet, wie das in Obrigkeitsstaaten und Diktaturen gang und gäbe ist.
Oder beispielsweise auch schon in den USA; wo kürzlich eine Neuausgabe von Mark Twains "Huckleberry Finn" so bearbeitet wurde, daß nicht mehr das Wort "Nigger" vorkam (siehe Huckleberry Finn, purgierte Fassung. Politische Korrektheit, Aufklärung und die Magie der Wörter, ZR vom 6. 1. 2011).
Ich fand beim ersten Lesen dieses Muckertum ausgerechnet bei Kristina Schröder, die doch bisher als eine mutige und ehrliche Politikerin aufgefallen war, überraschend.
Dann fielen mir meine Eltern ein. Sie waren überzeugte Atheisten und gehörten keiner Kirche an. Aber sie ließen uns Kinder taufen und haben mir das später so erklärt: Wir wollten nicht, daß ihr Kinder Außenseiter in einer christlichen Gesellschaft seid. Später könnt ihr über euren Glauben ja selbst entscheiden.
Das war in der Tat damals eine christliche Gesellschaft, in der ich groß geworden bin. Es gab in allen Schulen und Klassen, in denen ich gewesen bin, meines Wissens keinen einzigen konfessionslosen Schüler. Wir hatten einmal einen Neuapostolischen; der wurde von allen anderen gemieden. Es gab einmal einen Juden, der frei hatte, während wir anderen alle im evangelischen oder katholischen Religionsunterricht saßen. Auch er ein Außenseiter.
Ich bin meinen Eltern heute dankbar, daß sie mich haben taufen lassen; daß ich in den Kindergottesdienst gegangen und als ein ganz normaler Schüler aufgewachsen bin. Als ich alt genug war, konnte ich mich ja entscheiden.
Ob nicht die kluge und mutige Kristina Schröder ähnliche Überlegungen angestellt hat? Möchte sie nicht vielleicht vermeiden, daß ihre Tochter im Kindergarten naiv vom "Negerkönig" plappert und dann zurechtgewiesen, zur Außenseiterin gemacht wird?
Für sich selbst darf man mutig sein; Mannesmut vor Fürstenthronen. Aber man darf nicht diejenigen kompromittieren, für die man verantwortlich ist.
Die Vorabmeldung in "Zeit-Online" zu dem Interview und die entsprechende Meldung in der "Welt" waren gerade ein paar Stunden alt, da gab es auch schon in "Süddeutsche.de" einen Kommentar, der vermuten läßt, daß Kristina Schröder klug handelt.
Denn dort wurde nun sogar dieses Zugeständnis an die politische Korrektheit gegen sie gewendet:
... da die frühe Prägung ja besonders wichtig ist, gilt es, jedes Wort abzuwägen, das in die kleinen Ohren dringt. "Negerkönig" etwa. Den Titel trägt der Vater von Pippi Langstumpf. Aber nicht bei Schröders zu Hause (...).Ausgerechnet in der SZ, diesem Hort politischer Korrektheit, wird nun Kristina Schröder dafür attackiert, daß sie den Göttern der politischen Korrektheit ein Opfer bringt.
Nun könnte man darauf hinweisen, dass der Begriff "Neger" bei Astrid Lindgren nichts mit rassistischer Herabsetzung zu tun hat, ganz im Gegenteil: "Mein Vater ist ein Negerkönig. Irgendwann kommt er und holt mich, und dann werde ich eine Negerprinzessin. Hei hopp, was wird das für ein Leben!"
Aber Politiker haben viel zu tun, die können nicht alles verstehen, worüber sie reden.
Wie hätte man es dort wohl kommentiert, wenn sie selbst das gesagt hätte, was der Autor Marc Felix Serrao schreibt, daß nämlich "der Begriff 'Neger' bei Astrid Lindgren nichts mit rassistischer Herabsetzung zu tun hat"?
Ja, es gibt Grund zur Kritik. Aber nicht die Mutter ist zu kritisiern, die ihre Kinder davor schützt, zu Außenseitern zu werden. Zu kritisieren ist eine Gesellschaft, in der man schon zum Außenseiter zu werden droht, wenn man als Kind aus dem Buch einer klassischen Kinderbuchautorin das aufsagt, was diese geschrieben hat.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette gemeinfrei, da das Copyright erloschen ist. Mit Dank an Ulrich Elkmann.