Als Voyager 1 gestartet wurde, war Helmut Schmidt gerade drei Jahre Bundeskanzler. Philipp Rösler ging noch nicht zur Schule, und wenige Monate zuvor war der Apple II auf den Markt gekommen; mit einem Arbeitsspeicher von 4 Kilo(!)byte und zum Preis von ungefähr 3.500 D-Mark.
Das war am 5. September 1977. Seither fliegt und fliegt und fliegt Voyager 1; wie auch seine Schwestersonde Voyager 2. Genau 35 Jahre, 2 Monate und 30 Tage ist Voyager 1 heute unterwegs; so kann man es der Wikipedia entnehmen. Die Sonde hat sich auf dieser Reise rund 18 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt. Das bedeutet, daß ein Funksignal von ihr ungefähr 18 Stunden unterwegs ist, bis es von einer irdischen Station aufgefangen werden kann.
Vorgestern hat sich in seinem Blog der Astronom und Schriftsteller Phil Plait mit Voyager befaßt; und zwar deshalb, weil dieser im Begriff ist, eine Schwelle zu überschreiten: Die Schwelle zwischen unserem Sonnensystem und der Weite unserer Galaxie - der Milchstraße - mit ihren rund hundert Milliarden Sonnen.
Ja, kann man denn überhaupt eine Schwelle bestimmen, eine "Grenze des Sonnensystems"? Die Frage ist berechtigt.
Eine Grenze des Schwerefelds der Sonne gibt es nicht. Die Gravitation nimmt mit wachsender Entfernung ab, ohne aber irgendwo eine Grenze zu erreichen.
Die Bahn des äußersten Planeten? Das wäre eine willkürliche Festlegung, denn zum einen ist es eine Frage der Definition, was ein Planet ist. Bis 2006 war Pluto der äußerste Planet; dann hat ihm die Internationale Astronomische Union diesen Status aberkannt (siehe Plutos Degradierung; ZR vom 25. 8. 2006).
Sie hat ihm den Rang eines Planeten entzogen, weil man mit immer besseren Geräten immer mehr Himmelskörper entdeckt hatte, die um die Sonne kreisen; noch weiter draußen als Puto und auch nicht kleiner als dieser - mit Namen wie Eris und Sedna. Planetoiden oder Zwergplaneten nennt man nun diese Begleiter der Sonne, die den Namen eines Planeten nicht tragen dürfen, weil dann kein Halten mehr wäre.
Nicht nur ist es also recht willkürlich, was man als einen Planeten definiert; sondern es ist dazu auch noch unbestimmt, wie weit entfernt denn der äußerste Begleiter der Sonne überhaupt ist. Eine Grenze des Sonnensystems kann man so also nicht festlegen.
Dennoch läßt sich eine solche Grenze bestimmen. Sie liegt zwischen dem - sehr, sehr dünnen - Gas, das sich in dem "leeren" Raum außerhalb des Sonnensystems findet, und dem Bereich des Sonnenwinds.
Der "leere Raum" ist nicht wirklich leer. Es gibt darin Atome und subatomare Partikel, freilich in sehr geringer Konzentration. Wenn eine Supernova explodiert, dann werden solche subatomaren Teilchen als kosmische Strahlung ins All geschleudert.
Und erst recht ist der Raum zwischen den Planeten unseres Sonnensystems nicht "leer", denn dort weht er, der Sonnenwind. Das sind elektrisch geladene subatomare Partikel - vor allem Elektronen und Protonen -, die aus der oberen Atmosphäre der Sonne aufgrund deren hoher Temperatur entweichen und das Sonnensystem füllen.
Es gibt nun eine Grenze, genauer - ein Grenzbereich - wo der Sonnenwind endet und der Bereich intensiver kosmischer Strahlung beginnt. Er liegt dort, wo die Magnetlinien des Magnetfelds der Sonne auf diejenigen des interstellaren Raums treffen; des Raums zwischen den Sternen unserer Milchstraße. Die Partikel von der Sonne hören dann auf, nach außen zu strömen; sie mischen sich mit dem interstellaren Gas. Dieser Bereich - sozusagen die Grenzhecke zwischen dem Terrain des Sonnenwinds und der Außenwelt - heißt die Heliopause.
Und diese Heliopause durchfliegt Voyager 1 gegenwärtig, wie verschiedene Meßinstrumente anzeigen: Seit einigen Monaten fällt die Anzahl der Partikel aus dem Sonnenwind; und zugleich werden immer mehr Partikel kosmischer Strahlung registriert. Die Messung des Magnetfelds liefert die Bestätigung: Dasjenige der Sonne dreht sich, weil diese rotiert. Diese Drehung hatte Voyager bisher gemessen. Jetzt nicht mehr.
Jetzt ist es also sicher: Die Informationen über uns Erdlinge, die beide Voyager-Sonden an Bord haben, werden von niemandem in unserem Sonnensystem betrachtet und gehört werden. Vielleicht ja aber irgendwo anders in unserer riesigen Milchstraße. Es gibt eine Schallplatte mit Audio von der Erde und ein Cover mit allerlei begleitenden Zeichnungen.
Für das Abspielen der Platte aus dem Jahr 1977 gibt es allerdings schon jetzt auf der Erde immer weniger Geräte.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Abbildung als Werk der NASA gemeinfrei.