"Merkel, Erhard und die Wirtschaft" betitelt die Leitende Redakteurin im Ressort Wirtschaft der FAZ Heike Göbel heute ihren Kommentar zum Parteitag der CDU. Göbels Botschaft ist einfach und bündig: Die Union beschwöre zwar den Geist der Marktwirtschaft. Ihre real existierende Politik aber sehe anders aus. Es sei das "Handeln von Angela Merkels schwarz-gelber Koalition nicht vom Wettbewerbsgeist Ludwig Erhards durchzogen".
Ja, das ist nun freilich wahr. Heike Göbel hat es leicht, Beispiele Revue passieren zu lassen:
Vor sieben Jahren, am 22. November 2005, wurde Angela Merkel zur Kanzlerin gewählt. Im vorausgehenden Wahlkampf war sie als vehemente Befürworterin der Marktwirtschaft aufgetreten. Die Union hatte in ihrem "Regierungsprogramm 2005 - 2009" Ankündigungen gemacht wie diese:
Aber was ist eigentlich seit 2009? Fast alles das, was an Liberalisierungen, an weniger Staat und mehr Marktwirtschaft 2005 von der Union angekündigt worden war, hätte sie ab 2009 gemeinsam mit der FDP realisieren können; denn das waren und sind ja auch Anliegen und Ziele der FDP.
Gewiß, die Krise der Jahre 2008 und 2009 hat die Rahmenbedingungen verändert. Aber deshalb haben sich die Vorzüge der Marktwirtschaft, hat sich die Notwendigkeit von weniger Staat und hat sich die Bedeutung der Gentechnologie, auch der Kerntechnologie ja nicht verändert.
Verändert hat sich das gesellschaftliche Klima. Die Union hat, der Lage sich anschmiegend, das, was sie an liberalen Positionen 2005 gehabt hatte, weitgehend aufgegeben. Es wäre an dem Koalitionspartner FDP gewesen, hier gegenzusteuern; die entstandene Lücke zu füllen, die Chance zu nutzen, die mit dieser Linkswanderung der Union ja auch verbunden war und ist.
Das war die Erwartung Vieler gewesen; damals, als die christlich-liberale Koalition, die 2005 gescheitert war, im Jahr 2009 nun doch Wirklichkeit wurde.
Diese Hoffnung wurde enttäuscht. Der damalige Vorsitzende der FDP, der den Wahlkampf mit dem Schwerpunkt Steuerpolitik bestritten hatte, zog es vor, Außenminister zu werden und das Finanzministerium der Union zu überlassen. Liberale Akzente in der Wirtschaftspolitik wurden weder unter dem Minister Brüderle noch unter seinem Nachfolger Rösler für die Öffentlichkeit erkennbar.
Die Union hatte sich in den vier Jahren gemeinsamen Regierens mit der SPD dieser assimiliert; ungefähr so, wie Herr und Hund einander zu ähneln beginnen, wenn sie lange beisammen waren.
Aber das war ja nicht irreversibel. Die FDP hat vor der Aufgabe versagt, ihr Gewicht in der Koalition geltend zu machen und den wirtschaftsliberalen Kurs einzufordern, den die Union ja noch 2005 selbst gewollt hatte.
Vielleicht, nein: mit Sicherheit hätte man Abstriche machen müssen. Aber es ist nicht erkennbar, daß die FDP überhaupt ernsthaft diesen Versuch gemacht hat; außer einem Beharren beim Thema Steuerpolitik, das von der Öffentlichkeit eher als Halsstarrigkeit wahrgenommen wurde.
Vor allem in den ersten Jahren der jetzigen Koalition, als sich das alles abzeichnete, habe ich sehr viel über die FDP geschrieben. Hier eine kleine Auswahl; vielleicht mögen Sie das eine oder andere nachlesen:
Ja, das ist nun freilich wahr. Heike Göbel hat es leicht, Beispiele Revue passieren zu lassen:
... verabredet Merkels Regierung letzte Details des Staatseinstiegs beim Flugzeug- und Rüstungskonzern EADS. Die Privatisierung der Bahn ist ad acta gelegt. Dass der Bund fünf Jahre nach der Bankenkrise noch die zweitgrößte private Bank stützt, ist in der CDU kein Thema. Die Energiewende gerät zum gigantischen Planspiel wider die Prinzipien des Marktes (...) Auch die Arbeitsmarktvorschriften nehmen zu. Ob Mindestlöhne oder gesetzliche Fixierung einer Frauenquote - die CDU erweitert mit gezielten Stichen den Staatseinfluss in den Unternehmen.Und weiter geht Göbels Philippika:
Die Beitragssätze, und damit die Lohnnebenkosten, liegen höher als notwendig und dürften bald wieder steigen. (...) Gezielt hat man einzelnen Branchen, wie der Luftfahrt, mit Sondersteuern den Wettbewerb erschwert. Die versprochene Abschaffung der Gewerbesteuer wurde nie ernsthaft versucht. Zum bedrohlichen Preistreiber wird die übereilte Energiewende.Kurzum, die Regierung macht die Politik, die sie seit dem Amtsantritt der Kanzlerin Merkel macht.
Vor sieben Jahren, am 22. November 2005, wurde Angela Merkel zur Kanzlerin gewählt. Im vorausgehenden Wahlkampf war sie als vehemente Befürworterin der Marktwirtschaft aufgetreten. Die Union hatte in ihrem "Regierungsprogramm 2005 - 2009" Ankündigungen gemacht wie diese:
Technologiefeindlichkeit hat Spitzentechnologien und Industriebranchen (Chemie, Bio- und Gentechnologie, Kernforschung) mit zukunftsträchtigen, wohlstandssichernden Arbeitsplätzen ins Ausland vertrieben. (...) Wir eröffnen den technologischen Spitzenfeldern der Zukunft in Deutschland die besten Entwicklungschancen: Bio- und Gentechnologie, Materialforschung, Medizintechnik und Optik, Nanotechnologie (...). Wir werden für die Entwicklung der Bio- und Gentechnologie den notwendigen und verantwortbaren Rechtsrahmen schaffen. (...)Und so fort. Das war das Programm gewesen, mit dem Angela Merkel ab 2005 hatte regieren wollen. Aber das Wahlergebnis war enttäuschend ausgefallen. Für die angestrebte Koalition mit der FDP reichte es nicht. Daß in der Großen Koalition, die stattdessen gebildet wurde, viele dieser Ankündigungen nicht durchsetzbar waren, ist einzusehen.
Ein Dickicht von Vorschriften und Regelwerken ist in Deutschland zur Bremse für Wachstum und Beschäftigung geworden. (...) Deregulierung, Aufgabenabbau und die Entlastung der Wirtschaft von Bürokratiekosten sind unverzichtbare Bausteine, damit sich unternehmerisches Handeln entfalten kann, Arbeitsplätze neu entstehen und Deutschland als Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb attraktiver wird. (...)
Wir bauen staatliche Aufgaben ab und stärken Eigenverantwortung statt Staatsgläubigkeit. (...) Wir setzen uns dafür ein, das bestehende EU-Recht systematisch zu vereinfachen und zu deregulieren. (...) Wir setzen EU-Recht wie die Anti-Diskriminierungsrichtlinie nur noch 1:1 in nationales Recht um. (...) Bei der Lohn- und Einkommensteuer senken wir den Eingangsteuersatz auf 12 % und den Spitzensteuersatz auf 39 %.
Aber was ist eigentlich seit 2009? Fast alles das, was an Liberalisierungen, an weniger Staat und mehr Marktwirtschaft 2005 von der Union angekündigt worden war, hätte sie ab 2009 gemeinsam mit der FDP realisieren können; denn das waren und sind ja auch Anliegen und Ziele der FDP.
Gewiß, die Krise der Jahre 2008 und 2009 hat die Rahmenbedingungen verändert. Aber deshalb haben sich die Vorzüge der Marktwirtschaft, hat sich die Notwendigkeit von weniger Staat und hat sich die Bedeutung der Gentechnologie, auch der Kerntechnologie ja nicht verändert.
Verändert hat sich das gesellschaftliche Klima. Die Union hat, der Lage sich anschmiegend, das, was sie an liberalen Positionen 2005 gehabt hatte, weitgehend aufgegeben. Es wäre an dem Koalitionspartner FDP gewesen, hier gegenzusteuern; die entstandene Lücke zu füllen, die Chance zu nutzen, die mit dieser Linkswanderung der Union ja auch verbunden war und ist.
Das war die Erwartung Vieler gewesen; damals, als die christlich-liberale Koalition, die 2005 gescheitert war, im Jahr 2009 nun doch Wirklichkeit wurde.
Diese Hoffnung wurde enttäuscht. Der damalige Vorsitzende der FDP, der den Wahlkampf mit dem Schwerpunkt Steuerpolitik bestritten hatte, zog es vor, Außenminister zu werden und das Finanzministerium der Union zu überlassen. Liberale Akzente in der Wirtschaftspolitik wurden weder unter dem Minister Brüderle noch unter seinem Nachfolger Rösler für die Öffentlichkeit erkennbar.
Die Union hatte sich in den vier Jahren gemeinsamen Regierens mit der SPD dieser assimiliert; ungefähr so, wie Herr und Hund einander zu ähneln beginnen, wenn sie lange beisammen waren.
Aber das war ja nicht irreversibel. Die FDP hat vor der Aufgabe versagt, ihr Gewicht in der Koalition geltend zu machen und den wirtschaftsliberalen Kurs einzufordern, den die Union ja noch 2005 selbst gewollt hatte.
Vielleicht, nein: mit Sicherheit hätte man Abstriche machen müssen. Aber es ist nicht erkennbar, daß die FDP überhaupt ernsthaft diesen Versuch gemacht hat; außer einem Beharren beim Thema Steuerpolitik, das von der Öffentlichkeit eher als Halsstarrigkeit wahrgenommen wurde.
Vor allem in den ersten Jahren der jetzigen Koalition, als sich das alles abzeichnete, habe ich sehr viel über die FDP geschrieben. Hier eine kleine Auswahl; vielleicht mögen Sie das eine oder andere nachlesen:
Wahlen '09 (19): Ich rate, EfDePe zu wählen; ZR vom 20. 9. 2009
FDP zurück ins Glied. Die unsichtbare Regierungspartei. Eine Hoffnung zerfällt; ZR vom 4. 1. 2010
Zur Strategie und Taktik der FDP; ZR vom 6. 2. 2010
Zettels Meckerecke: Wo ist eigentlich der liberale Flügel der FDP? Wer widerspricht den beiden Quotenfrauen? Nebst keinem Nachtrag; ZR vom 11. 8. 2010
Marginalie: Noch nie hatte sich ein Jahr nach einer Wahl die Parteienlandschaft so grundlegend verändert wie jetzt. Versuch einer Erklärung; ZR vom 27. 9. 2010
Marginalie: Barack Westerwelle und der Niedergang der FDP; ZR vom 23. 12. 2010
Dreikönigstreffen. Aufstieg und Fall der FDP. Wie kam es eigentlich zu dem glänzenden Wahlergebnis von 2009?; ZR vom 4. 1. 2011
Zettels Meckerecke: Die 2,8-Prozent-Partei. Es gibt keine Bestandsgarantie für die FDP. Kann sie jetzt noch etwas retten?; ZR vom 4. 9. 2011
Die CDU rückt nach links. Warum verliert sie dadurch nicht Wähler an die FDP? Ein Paradox, eine These. Und eine Hoffnung; ZR vom 17. 11. 2011
Was die Krise der FDP ist, und was sie nicht ist. Über den Erfolg der christlich-liberalen Koalition und das Erbe Guido Westerwelles; ZR vom 15. 12. 2011
Gingrichs Aufstieg, Wulffs Affäre, der Niedergang der FDP - drei Beispiele für rückgekoppelte Prozesse. Was folgt für das Los der FDP? Gutes!; ZR vom 26. 1. 2012
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