2. Dezember 2012

Warum hat Tschechien dagegen gestimmt, daß die Palästinensische Autonomiebehörde Beobachterstatus bei der UNO erhält?

Im Nachtrag des Artikels zum UNO-Beobachterstatus für Palästina konnten Sie lesen, daß als einziges Land Europas Tschechien mit "nein" gestimmt hat. Was hat Prag zu diesem ostentativen Alleingang veranlaßt? Der französische Dienst von Reuters hat das analysiert. Auf diesen Artikel stütze ich mich im folgenden hauptsächlich.

Wie meist bei solchen diplomatischen Entscheidungen spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle.

Auf der europapolitischen Ebene hat Tschechien, das von einer Mitte-Rechts-Koalition unter Petr Nečas regiert wird und dessen Staatspräsident Václav Klaus zu den profiliertesten Kritikern eines zentralistischen Europa gehört, ostentativ eine eigene Position bezogen.

Das war ein Signal der Eigenständigkeit; zumal neben Israel, den USA und Kanada nur noch wenige kleine und kleinste Staaten mit "nein" gestimmt haben - Panama, die Marschallinseln, Mikronesien, Nauru und die Palaos-Inseln. Tschechien hat sich standhaft dem Umschwung widersetzt, der sich zugunsten des palästinensischen Antrags in den Tagen und Wochen vor der Abstimmung vollzogen hatte.

Zweitens und damit zusammenhängend hat die tschechische Regierung ihre Nähe zu den USA unterstrichen, in denen das Land eine Schutzmacht gegen Rußland sieht.

Am wichtigsten aber war für die Entscheidung das besondere Verhältnis Prags zu Israel. "Israel hat in Europa keinen besseren Freund als die Republik Tschechien" hat Benjamin Netanyahu bei seinem Besuch im Mai gesagt.



Dabei spielen zum einen psychologische Faktoren eine Rolle. Wie Israel ist Tschechien ein kleines Land, das traditionell von seinen Nachbarn bedroht wird - früher von Deutschland und der Sowjetunion, heute von Putins Rußland. Man fühlt sich dem von seinen arabischen Nachbarn und dem Iran bedrohten Israel nah.

Sodann gibt es eine Tradition der Zusammenarbeit mit Israel. Sie reicht zurück bis zur Entstehung des Staats Israel.

1948 lieferte die damalige ČSR der israelischen Armee trotz eines UNO-Embargos Waffen, vor allem 80 Flugzeuge, und bildete Luftwaffenpiloten aus; unter ihnen war der spätere Staatspräsident Ezer Weizman.

Nachdem die Kommunisten in der Tschechoslowakei (seit 1960 ČSSR) fest im Sattel saßen und die UdSSR auf einen proarabischen und antiisraelischen Kurs umschwenkte, änderte sich das Verhältnis zu Israel drastisch. Nach dem Sechstagekrieg von 1967 brach die ČSSR die diplomatischen Beziehungen zu Israel ab und unterstützte fortan aktiv die PLO.

Mit dieser Politik brach das Land ostentativ nach der Befreiung vom Kommunismus. Sein erster Staatsbesuch führte Präsident Havel 1990 nach Israel; ein Signal der radikalen Abwendung von der antiisraelischen Politik der kommunistischen Tschechoslowakei.

Seither gibt es die freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern, die auch bei der Gaza-Krise wieder hervortrat. So deutlich wie sonst nur die USA betonte der tschechische Außenminister Schwarzenberg das Recht Israels auf Selbstverteidigung.

Zur Begründung des jetzigen negativen Votums zum palästinensischen Beobachterstatus hat Schwarzenberg sich der Argumentation der USA angeschlossen: Mit dieser Aufwertung der Autonomiebehörde würden Friedens­verhand­lungen nicht erleichert, sondern erschwert werden.
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette vom Autor The Transhumanist gemeinfrei gestellt.