Um Thilo Sarrazin ist es ein wenig stiller geworden. Länger als zwei, drei Wochen läßt sich keine Sau durchs Dorf treiben. Der Medienzirkus ist weitergezogen.
Das Buch "Deutschland schafft sich ab" freilich verkauft sich unverändert blendend. In der Bestsellerliste des "Spiegel" steht es seit der Woche nach seinem Erscheinen auf Platz 1. Viele Bürger werden es vermutlich unter dem Weihnachtstisch finden. Sie werden es - so ist zu hoffen - nicht nur auspacken und sich beim Schenker bedanken, sondern es auch lesen. Oder sagen wir: darin lesen.
Daß das Thema Sarrazin aber auch für die Medien noch aktuell, daß es noch nicht "durch" ist, zeigen zwei Artikel dieses Wochenendes; einer in der New York Times und ein deutscher von Daniel Friedrich Sturm. Mit diesem letzteren befasse ich mich jetzt. Zu dem Artikel in der NYT nehme ich in der nächsten Folge der Serie Stellung.
Den Artikel von Daniel Friedrich Sturm gibt es in gleich vier Versionen:
Ja, manipulieren. Denn Thilo Sarrazin distanziert sich nicht von Thilo Sarrazin. Mit keinem Wort tut er das; und der Autor Daniel Friedrich Sturm schreibt das sogar selbst (Version 1):
Jeder, der Texte produziert, kennt das; ob es nun die Seminararbeit eines Studenten ist oder ein Buchmanuskript: Man weiß im Grunde (fast) immer, daß man noch etwas verbessern könnte. Ein Manuskript "abzuschließen" ist ein heikler Akt. Er wird erleichtert, wenn es einen Abgabetermin gibt. Wenn nicht, dann würde man eigentlich gern immer noch weiter an diesem und jenem feilen. Jedenfalls geht das den meisten Autoren so, die hohe Ansprüche an sich stellen.
Ich kannte einen Wissenschaftler, der es nicht schaffte, seine Doktorarbeit abzuschließen. Kaum erschien ihm eine Version so gut gelungen, daß sie seinem Anspruchsniveau gerecht wurde, da stellten sich schon wieder nagende Zweifel ein. Manchmal strich er das Werk rigoros zusammen; dann wieder schwoll es zu gewaltigem Volumen an. Er war ein kluger und wissenschaftlich sehr kompetenter Mann, und er hatte einen verständnisvollen Chef, der es schaffte, ihn bis zur Verrentung auf einer Stelle im akademischen Mittelbau zu halten. Unpromoviert.
Das war ein Extremfall. Aber das eine oder andere nachbessern möchte fast jeder Autor; auch nachdem er ein Manuskript abgeschickt, freigegeben oder durch einen anderen Akt ihm eine "endgültige" Form gegeben hat.
Bei einem Buch bietet eine Neuauflage, die nicht nur ein unveränderter Nachdruck ist, dazu die Gelegenheit.
Zur Zeit des Bleisatzes war jede Änderung teuer. Spätere Auflagen waren also in der Regel unveränderte Nachdrucke der Erstauflage, bis es vielleicht einmal zu einer revidierten Fassung kam. Die dann gründlich ausfiel, damit sich die Kosten auch lohnten.
Seit es den Lichtsatz gibt und die Texte am Computer formatiert werden, ist es kein Problem, in späteren Auflagen kleine Verbesserungen vorzunehmen. So, wie ich das beispielsweise auch tue, wenn ich bei den Artikeln dieses Blogs gelegentlich die eine oder andere Formulierung, die mir im Nachhinein unklar oder stilistisch schlecht erscheint, durch eine bessere ersetze. Heute Vormittag habe ich bei dem vorausgehenden Artikel die Überschrift kurz nach Erscheinen noch einmal verändert.
Das ist es, was Sarrazin für die 14. Auflage seines Buchs an wenigen Stellen gemacht hat. Wäre er ein beliebiger Autor, dann wäre das vermutlich kaum jemandem aufgefallen; und hätte man es bemerkt, dann wäre es keinen Kommentar wert gewesen.
Aber es ist ja Sarrazin.
Worum geht es? Worauf gründet sich die Behauptung Sturms, Sarrazin distanziere sich von sich selbst?
Daniel Friedrich Sturm nennt als ersten Punkt dies (zitiert nach Version 1 seines Artikels):
Wenn Sarrazin von einer "Bedrohung für das kulturelle und zivilisatorische Gleichgewicht im alternden Europa" spricht, dann weiß jeder Kundige, daß das nur auf lange Sicht der Fall sein kann
Denn es handelt sich ja um eine Entwicklung, die sich im Lauf von mehreren Generationen vollziehen würde. Sarrazin tabelliert dazu (S. 359; ich zitiere wie immer in dieser Serie nach der 4. Auflage) das Ergebnis seiner Modellrechnung über vier Generationen, also die Spanne von rund einem Jahrhundert.
Wenn Sarrazin jetzt das "auf lange Sicht" eingefügt hat, dann offenkundig nur, um nicht mißverstanden zu werden. Und wie nötig das war, zeigt der Umstand, daß Daniel Friedrich Sturm ihn offenbar mißversteht. Ihn absichtlich mißverstehen will?
Sturms zweiter Punkt:
"Relativiert" Sarrazin hier? "Distanziert" er sich von sich selbst. Nein.
Distanzieren könnte er sich allenfalls vom "Spiegel". Denn der gestrichene Satz faßt das zusammen, was Sarrazin einem Artikel von Peter Wensierski im "Spiegel" entnommen hatte und als seine Quelle nennt ("Spiegel" 36/2009 vom 31. 8. 2009, S. 52). Sie können diesen Artikel im Archiv des "Spiegel" nachlesen. Unter der Überschrift "Schlechtes Blut" schreibt der Autor Wensierski:
Warum er den Satz herausgenommen hat, kann man nur vermuten. Wäre ich der Autor, dann hätte ich ihn herausgenommen, weil dieser Punkt für die Argumentation in diesem Kapitel unerheblich ist, aber zu besonders heftigen Anfeindungen geführt hat, die Sarrazin in die Nähe der Nazis zu rücken versuchten.
Man muß böswilligen Kritikern ja nicht unbedingt den Anlaß zu einem gewollten Mißverständnis auf einem silbernen Tablett servieren.
Und was hat Daniel Friedrich Sturm sonst noch anzubieten? Sie werden es nicht glauben: Nichts.
Nachdem er die Sache mit der Streichung des einen Satzes angebracht und daran waghalsige Überlegungen zum Parteiausschlußverfahren gegen Sarrazin geknüpft hat, sagt er zu den inhaltlichen Änderungen in der 14. Auflage nur noch dies:
Und das war's denn auch.
Im Rest des Artikels mokiert sich Sturm noch über eine Änderung in der Danksagung. Dort hatte Sarrazin in den ersten Auflagen einen Verlagsmitarbeiter der dva namentlich erwähnt, jetzt nur noch den Verlag.
Warum auch immer. Vielleicht hatte dieser Mann das gewünscht; vielleicht war sich Sarrazin seiner Erinnerung nicht mehr sicher, ob es gerade dieser Mitarbeiter gewesen war, der ihn wegen eines solchen Buchs zum deutschen Sozialstaat angesprochen hatte.
Damit, daß Sarrazin irgend etwas von seinen Aussagen "relativiert" oder sich gar von sich selbst "distanziert", hat das jedenfalls nichts zu tun.
Das also ergibt sich, wenn man den Behauptungen von Friedrich Daniel Sturm im einzelnen nachgeht: Heiße Luft.
Aber welcher Leser von "Welt am Sonntag" oder von "Welt-Online" hat schon die Zeit und die Motivation, das zu tun? Welcher Leser der zahlreichen anderen Medien, die Daniel Friedrich Sturms Zeitungsente inzwischen übernommen haben?
Also bleibt hängen: Sarrazin ist dabei, von seinen Thesen abzurücken. Sarrazin tut das - denn dies insinuiert Sturm - im Hinblick auf das Parteiordnungsverfahren.
Die Sau ist durchs Dorf getrieben. Jetzt watschelt die Ente hinterher.
Das Buch "Deutschland schafft sich ab" freilich verkauft sich unverändert blendend. In der Bestsellerliste des "Spiegel" steht es seit der Woche nach seinem Erscheinen auf Platz 1. Viele Bürger werden es vermutlich unter dem Weihnachtstisch finden. Sie werden es - so ist zu hoffen - nicht nur auspacken und sich beim Schenker bedanken, sondern es auch lesen. Oder sagen wir: darin lesen.
Daß das Thema Sarrazin aber auch für die Medien noch aktuell, daß es noch nicht "durch" ist, zeigen zwei Artikel dieses Wochenendes; einer in der New York Times und ein deutscher von Daniel Friedrich Sturm. Mit diesem letzteren befasse ich mich jetzt. Zu dem Artikel in der NYT nehme ich in der nächsten Folge der Serie Stellung.
Den Artikel von Daniel Friedrich Sturm gibt es in gleich vier Versionen:
Der Vergleich der vier Überschriften ist für sich schon ganz interessant und könnte Thema einer Diskussion in einem Journalismus-Seminar sein. Von der sachlichen Überschrift "Thilo Sarrazin streicht umstrittene Buch-Passagen" über das flapsige "Schönheitskorrekturen" bis hin zu der tendenziösen Überschrift "Sarrazin distanziert sich von Sarrazin" kann man das ganze Spektrum von der Berichterstattung bis zu dem Versuch sehen, die Meinung des Lesers zu manipulieren.Thilo Sarrazin streicht umstrittene Buch-Passagen (Artikel in "Welt-Online"; Samstag 13. 11., 19.20 Uhr) (Version 1) Sarrazin distanziert sich von Sarrazin (Weitgehend identischer Artikel in "Welt-Online"; Sonntag 14. 11., 4.00 Uhr mit der Kennzeichnung "Welt am Sonntag") (Version 2) Sarrazin relativiert Buchpassagen (Meldung der "Welt am Sonntag"; im Internet mit Datum Sonntag 14. 11., 4.00 Uhr) (Version 3) Schönheitskorrekturen (Meldung von "Welt kompakt"; im Internet mit Datum Montag, 15. 11., 4.00 Uhr) (Version 4).
Ja, manipulieren. Denn Thilo Sarrazin distanziert sich nicht von Thilo Sarrazin. Mit keinem Wort tut er das; und der Autor Daniel Friedrich Sturm schreibt das sogar selbst (Version 1):
Nein, offiziell mag Thilo Sarrazin von seinem Buch und dessen teilweise steilen Thesen nichts zurücknehmen. Jede Kritik an seinem ausgesprochen verkaufsträchtigen Werk "Deutschland schafft sich ab" verbittet sich der frühere Berliner Finanzsenator und Ex-Bundesbankvorstand.Also hat er sich nicht distanziert. Er hat auch nichts relativiert. Er hat nur das gemacht, was jeder Autor tut, wenn er bei einer Neuauflage (hier ist es die 14.) Gelegenheit dazu hat: Er hat den Text an zwei (in Worten zwei) Stellen geändert, die zu Mißverständnissen Anlaß gaben oder hätten geben können. Er hat außerdem die Danksagung korrigiert. Das ist alles.
Jeder, der Texte produziert, kennt das; ob es nun die Seminararbeit eines Studenten ist oder ein Buchmanuskript: Man weiß im Grunde (fast) immer, daß man noch etwas verbessern könnte. Ein Manuskript "abzuschließen" ist ein heikler Akt. Er wird erleichtert, wenn es einen Abgabetermin gibt. Wenn nicht, dann würde man eigentlich gern immer noch weiter an diesem und jenem feilen. Jedenfalls geht das den meisten Autoren so, die hohe Ansprüche an sich stellen.
Ich kannte einen Wissenschaftler, der es nicht schaffte, seine Doktorarbeit abzuschließen. Kaum erschien ihm eine Version so gut gelungen, daß sie seinem Anspruchsniveau gerecht wurde, da stellten sich schon wieder nagende Zweifel ein. Manchmal strich er das Werk rigoros zusammen; dann wieder schwoll es zu gewaltigem Volumen an. Er war ein kluger und wissenschaftlich sehr kompetenter Mann, und er hatte einen verständnisvollen Chef, der es schaffte, ihn bis zur Verrentung auf einer Stelle im akademischen Mittelbau zu halten. Unpromoviert.
Das war ein Extremfall. Aber das eine oder andere nachbessern möchte fast jeder Autor; auch nachdem er ein Manuskript abgeschickt, freigegeben oder durch einen anderen Akt ihm eine "endgültige" Form gegeben hat.
Bei einem Buch bietet eine Neuauflage, die nicht nur ein unveränderter Nachdruck ist, dazu die Gelegenheit.
Zur Zeit des Bleisatzes war jede Änderung teuer. Spätere Auflagen waren also in der Regel unveränderte Nachdrucke der Erstauflage, bis es vielleicht einmal zu einer revidierten Fassung kam. Die dann gründlich ausfiel, damit sich die Kosten auch lohnten.
Seit es den Lichtsatz gibt und die Texte am Computer formatiert werden, ist es kein Problem, in späteren Auflagen kleine Verbesserungen vorzunehmen. So, wie ich das beispielsweise auch tue, wenn ich bei den Artikeln dieses Blogs gelegentlich die eine oder andere Formulierung, die mir im Nachhinein unklar oder stilistisch schlecht erscheint, durch eine bessere ersetze. Heute Vormittag habe ich bei dem vorausgehenden Artikel die Überschrift kurz nach Erscheinen noch einmal verändert.
Das ist es, was Sarrazin für die 14. Auflage seines Buchs an wenigen Stellen gemacht hat. Wäre er ein beliebiger Autor, dann wäre das vermutlich kaum jemandem aufgefallen; und hätte man es bemerkt, dann wäre es keinen Kommentar wert gewesen.
Aber es ist ja Sarrazin.
Worum geht es? Worauf gründet sich die Behauptung Sturms, Sarrazin distanziere sich von sich selbst?
Daniel Friedrich Sturm nennt als ersten Punkt dies (zitiert nach Version 1 seines Artikels):
Der augenfälligste Unterschied zwischen den ersten Auflagen von Sarrazins Buch und der derzeit im Buchhandel befindlichen 14. Auflage bezieht sich auf die Gebärfreude von Musliminnen. "Demografisch stellt die enorme Fruchtbarkeit der muslimischen Migranten eine Bedrohung für das kulturelle und zivilisatorische Gleichgewicht im alternden Europa dar", hieß es in Sarrazins Urtext.Das ist alles zu diesem Punkt.
Obgleich Sarrazin in seinem Buch immer wieder gegen Relativierungen, Floskeln und eine komplizierte Sprache zu Felde zieht, vernebelte er inzwischen jenen Satz auf Seite 267 um die Formel "auf lange Sicht".
Wenn Sarrazin von einer "Bedrohung für das kulturelle und zivilisatorische Gleichgewicht im alternden Europa" spricht, dann weiß jeder Kundige, daß das nur auf lange Sicht der Fall sein kann
Denn es handelt sich ja um eine Entwicklung, die sich im Lauf von mehreren Generationen vollziehen würde. Sarrazin tabelliert dazu (S. 359; ich zitiere wie immer in dieser Serie nach der 4. Auflage) das Ergebnis seiner Modellrechnung über vier Generationen, also die Spanne von rund einem Jahrhundert.
Wenn Sarrazin jetzt das "auf lange Sicht" eingefügt hat, dann offenkundig nur, um nicht mißverstanden zu werden. Und wie nötig das war, zeigt der Umstand, daß Daniel Friedrich Sturm ihn offenbar mißversteht. Ihn absichtlich mißverstehen will?
Sturms zweiter Punkt:
In seinem besonders umstrittenen achten Kapitel ("Demografie und Bevölkerungspolitik: Mehr Kinder von den Klugen, bevor es zu spät ist“) hat Sarrazin einen kompletten Satz gestrichen.Das ist wiederum alles, was Sturm zu diesem Punkt kritisch vorzubringen hat.
Es geht hier um die kulturelle Fremdheit muslimischer Migranten und deren geringes "qualifikatorisches oder intellektuelles Potenzial“. In der 1. Auflage schreibt Sarrazin auf Seite 370: "So spielen bei Migranten aus dem Nahen Osten auch genetische Belastungen – bedingt durch die dort übliche Heirat zwischen Verwandten – eine erhebliche Rolle und sorgen für einen überdurchschnittlich hohen Anteil an verschiedenen Erbkrankheiten."
In der aktuellen 14. Auflage ist dieser Satz nicht mehr enthalten.
"Relativiert" Sarrazin hier? "Distanziert" er sich von sich selbst. Nein.
Distanzieren könnte er sich allenfalls vom "Spiegel". Denn der gestrichene Satz faßt das zusammen, was Sarrazin einem Artikel von Peter Wensierski im "Spiegel" entnommen hatte und als seine Quelle nennt ("Spiegel" 36/2009 vom 31. 8. 2009, S. 52). Sie können diesen Artikel im Archiv des "Spiegel" nachlesen. Unter der Überschrift "Schlechtes Blut" schreibt der Autor Wensierski:
Auch deutsche Politiker und Behörden schweigen sich über den Inzest unter Migranten lieber aus, zu groß scheint die Angst vor dem Vorwurf, ausländerfeindliche Ressentiments zu schüren, dabei sind die Risiken durchaus dokumentiert. (...)Darauf hat sich Sarrazin gestützt. Er hatte also nicht den geringsten Anlaß, etwas zu "relativieren" oder sich gar von sich selbst zu "distanzieren".
Das Risiko, dass die Ehepartner ein genetisch geschädigtes Kind zur Welt bringen, kann bei einem engen familiären Band bis zu dreimal so hoch sein wie bei Eltern, die nicht miteinander verwandt sind. (...)
Der langjährige Leiter der genetischen Beratungsstelle der Berliner Charité, Jürgen Kunze, hat im Nahen Osten Regionen mit bis zu 80 Prozent Verwandtenehen gefunden. In der Türkei werden, je nach Landstrich, 20 bis 30 Prozent der Ehen innerhalb der Familie arrangiert. (...)
Die Berliner Professoren Rolf Becker und Rolf-Dieter Wegner, ausgewiesene Experten der Pränataldiagnostik mit einer führenden Praxis in Berlin, diagnostizierten bei 500 Verwandtenehen 35 schwere Krankheitsfälle. Bei Verwandtenehen über mehrere Generationen steige das Risiko, ein behindertes Kind zu bekommen, im Einzelfall mitunter auf 25 Prozent.
Warum er den Satz herausgenommen hat, kann man nur vermuten. Wäre ich der Autor, dann hätte ich ihn herausgenommen, weil dieser Punkt für die Argumentation in diesem Kapitel unerheblich ist, aber zu besonders heftigen Anfeindungen geführt hat, die Sarrazin in die Nähe der Nazis zu rücken versuchten.
Man muß böswilligen Kritikern ja nicht unbedingt den Anlaß zu einem gewollten Mißverständnis auf einem silbernen Tablett servieren.
Und was hat Daniel Friedrich Sturm sonst noch anzubieten? Sie werden es nicht glauben: Nichts.
Nachdem er die Sache mit der Streichung des einen Satzes angebracht und daran waghalsige Überlegungen zum Parteiausschlußverfahren gegen Sarrazin geknüpft hat, sagt er zu den inhaltlichen Änderungen in der 14. Auflage nur noch dies:
In seinem umfangreichen Fußnoten-Apparat hat Sarrazin gegenüber den ersten Auflagen den Hinweis auf einen "Spiegel"-Artikel aus dem vergangenen Jahr gestrichen, in dem es unter anderem hieß, in der Türkei würden "je nach Landstrich, 20 bis 30 Prozent der Ehen innerhalb der Familie arrangiert".Ja schau. Sarrazin hat diese Anmerkung logischerweise gestrichen, weil er den Satz im Text gestrichen hatte, auf den sie sich bezog. Möglicherweise hat ja auch Daniel Friedrich Sturm im Studium irgendwann einmal gelernt, daß man das so macht.
Und das war's denn auch.
Im Rest des Artikels mokiert sich Sturm noch über eine Änderung in der Danksagung. Dort hatte Sarrazin in den ersten Auflagen einen Verlagsmitarbeiter der dva namentlich erwähnt, jetzt nur noch den Verlag.
Warum auch immer. Vielleicht hatte dieser Mann das gewünscht; vielleicht war sich Sarrazin seiner Erinnerung nicht mehr sicher, ob es gerade dieser Mitarbeiter gewesen war, der ihn wegen eines solchen Buchs zum deutschen Sozialstaat angesprochen hatte.
Damit, daß Sarrazin irgend etwas von seinen Aussagen "relativiert" oder sich gar von sich selbst "distanziert", hat das jedenfalls nichts zu tun.
Das also ergibt sich, wenn man den Behauptungen von Friedrich Daniel Sturm im einzelnen nachgeht: Heiße Luft.
Aber welcher Leser von "Welt am Sonntag" oder von "Welt-Online" hat schon die Zeit und die Motivation, das zu tun? Welcher Leser der zahlreichen anderen Medien, die Daniel Friedrich Sturms Zeitungsente inzwischen übernommen haben?
Also bleibt hängen: Sarrazin ist dabei, von seinen Thesen abzurücken. Sarrazin tut das - denn dies insinuiert Sturm - im Hinblick auf das Parteiordnungsverfahren.
Die Sau ist durchs Dorf getrieben. Jetzt watschelt die Ente hinterher.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Thilo Sarrazin und Necla Kelek bei der Vorstellung von Sarrazins Buch am 30. August 2010. Vom Autor Richard Hebestreit unter Creative Commons Attribution 2.0 Generic-Lizenz freigegeben. Alle Zitate von Thilo Sarrazin aus: Thilo Sarrazin, Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser unser Land aufs Spiel setzen. München: Deutsche Verlagsanstalt, 4. Auflage 2010. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier.