3. November 2010

Marginalie: Republikaner gewinnen Mehrheit im Repräsentantenhaus, aber nicht im Senat. Triumphe der "Tea Party"

Noch liegen nur Hochrechnungen vor; noch sind die Wahllokale im Westen der USA geöffnet. Jetzt - um drei Uhr MEZ - ist es also noch viel zu früh, um das Ergebnis mit Sicherheit prognostizieren zu können. Aber drei starke Trends zeichnen sich ab.



Der erste Trend betrifft die Tea-Party-Bewegung. Unter den ersten Kandidaten für den Senat, die aufgrund der exit polls (Befragungen nach dem Verlassen der Wahllokale) und der ausgezählten Stimmen sowohl bei CNN als auch bei der New York Times als sichere Sieger gelten, sind zwei Kandidaten der Tea Party:
  • In Florida siegte der Republikaner Marco Rubio. Er hatte in den Vorwahlen Charlie Crist geschlagen, der als Gouverneur Präsident Obamas Wirtschaftspolitik unterstützt hatte und in den Senat hatte wechseln wollen. Crist kandidierte daraufhin als Unabhängiger.

    Rubio liegt mit rund 50 Prozent uneinholbar vor Crist (rund 30 Prozent) und dem Demokraten Kendrick B. Meek (rund 20 Prozent). Er ist der Sohn von Cubanern, die vor Castro flüchteten, und tritt vor allem für eine Senkung der Staatsausgaben ein. Sein Sieg ist nicht nur wichtig, weil er die Tea-Party-Bewegung repräsentiert, sondern auch, weil er ein Latino ist. Auf die Latinos hatte Präsident Obama bei diesen Wahlen besondere Hoffnungen gesetzt und sie in der Endphase des Wahlkampfs auch besonders hofiert.

  • Während ich das schreibe, spricht der Sieger in Kentucky, Rand Paul, Sohn des Idols der Libertären Ron Paul. Auch Rand Paul hatte sich bei den Vorwahlen gegen einen etablierten Politiker durchgesetzt, den vom Washingtoner Establishment unterstützten bisherigen Senator Mitch McConnell. Auch er tritt vor allem für weniger Staatsausgaben ein und betont wie sein Vater die Freiheit des Einzelnen. Seine politische Überzeugung hat er in der Rede mit einem Zitat von - wie er sagte - Abraham Lincoln umrissen: "The government is best that governs least" - Die Regierung ist die beste, die am wenigsten regiert.
  • Falls Sie, lieber Leser, Ihre Informationen über die Tea-Party-Bewegung aus den deutschen Medien beziehen, dann werden Sie sich möglicherweise wundern, daß beide weder Rassisten noch gewaltbereit noch in irgendeiner Hinsicht rechtsextrem sind. Es handelt sich auch nicht um wütende Kleinbürger. Beide sind Akademiker mit Doktorgrad, Rubio Rechtsanwalt und Paul Augenarzt.

    Rubio und Paul sind Männer, die strikt für Grundwerte der amerikanischen Verfassung eintreten - die Freiheit des Einzelnen und die Begrenzung staatlicher Macht. Gemessen an der Verfassung der Vereinigten Staaten sind sie beide Vertreter der Mitte. Man muß schon ein europäischer Linker und/oder böswillig sein, um sie als rechtsextrem einzustufen.

    Mehr über die Tea-Party-Bewegung und die Art, wie sie bei uns auf eine nachgerade absurde Weise verzerrt dargestellt wird, finden Sie in meinem gestrigen Artikel Ein Haßprediger. Nebst Informationen über die amerikanische "Tea-Party"-Bewegung; ZR vom 2. 3. 2010.



    Zweitens wird es immer unwahrscheinlicher, daß die Republikaner eine Mehrheit im Senat erreichen.

    63 der 100 Senatoren sind ja sozusagen schon gewählt - nämlich 2008, bei dem Erdrutsch der Obama-Wahlen; also überwiegend Demokraten. Es sieht im Augenblick nicht danach aus, daß die Republikaner diesen Start-Nachteil bei der jetzigen Wahl von 37 Senatoren voll überwinden können.

    Die Mehrheit der Demokraten wird kräftig schrumpfen (derzeit haben ihnen die Republikaner nach den Hochrechnungen bereits drei Sitze abgenommen), aber zu einer republikanischen Mehrheit wird es wohl nicht reichen.

    Die Wahlanalytiker von CNN - allen voran der wieder einmal glänzende John King - sagen das vorher, weil die Republikaner nur dann überhaupt eine Chance auf eine Mehrheit im Senat hätten, wenn sie die meisten umstrittenen Sitze gewinnen würden. Zwei davon haben sie aber bereits (in West Virginia und in Delaware) nicht gewinnen können.

    Sie müßten jetzt alle noch halbwegs offenen Mandate gewinnen; zum Beispiel auch in Californien, wo ein Sieg der demokratischen Kandidatin Barbara Boxer sehr wahrscheinlich ist. Aus einer republikanischen Mehrheit im Senat wird also wohl nichts werden.



    Vor ungefähr einer halben Stunde brachte - drittens - CNN die breaking news (die Sondermeldung), daß der Sender eine Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus prognostiziert. Sie dürfte bei über 50 Sitzen Abstand zu den Demokraten liegen.

    Vielleicht mögen Sie noch einmal meinen Artikel vom vergangenen Donnerstag über die Vorhersagen von Nate Silver überfliegen (Eine Vorhersage für den Ausgang der amerikanischen Wahlen am kommenden Dienstag. Obamas Niederlage; ZR vom 28. 10. 2010). Es sieht danach aus, daß Nate Silver wieder einmal das hinbekommen hat, was die Amerikaner to hit the bull's eye nennen - ins Schwarze treffen.



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Stoffel, der mich auf einen jetzt korrigierten Irrtum bei den Angaben über Charlie Crist aufmerksam gemacht hat.