5. Dezember 2009

Marginalie: Wollen Sie einmal die Islamischen Emirate von Afghanistan kennenlernen?

So nämlich heißt die offizielle politische Organisation der Taliban, und hier ist ihre WebSite auf Englisch, täglich aktualisiert. Aufmerksam geworden bin ich darauf durch einen heutigen Artikel von Jane Jamison im American Thinker.

Überwiegend ist das öde Kriegsberichterstattung im Stil von "Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt ...". Aber es findet sich doch auch politisch Interessantes.

Mir ist beim Durchsehen zweierlei aufgefallen:

Erstens habe ich wenig von der mit religiöser Bedeutung aufgeladenen bombastischen Sprache sonstiger islamistischer Verlautbarungen gefunden. Sondern es überwiegt etwas, von dem ich dachte, daß es auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet sei: Die Sprache des "antikolonialistischen Kampfs", des "nationalen Befreiungskriegs".

Beispiel aus einem mit "Der Herausgeber" gezeichneten Artikel vom 14. November 2009 über die Ziele der Mudschaheddin:
As an Islamic liberation force, the Mujahideen of the Islamic Emirate represent aspirations of the Afghan masses who want to free themselves from the claws of colonialism. (...) They want to establish an Islamic system based on justice and equality and gain independence of the country where the Afghans will be owners of their own country and fate.

Als eine islamische Befreiungsarmee repräsentieren die Mudschaheddin des Islamischen Emirats die Sehnsüchte der afghanischen Massen, die sich aus den Klauen des Kolonialismus befreien wollen. (...) Sie wollen ein islamisches System errichten, das auf Gerechtigkeit und Gleichheit beruht, und sie sie wollen die Unabhängigkeit des Landes erringen, in dem die Afghanen die Herren ihres eigenen Landes und ihres Schicksals sein werden.
Das ist genau jene Mischung aus Nationalismus und egalitären gesellschaftlichen Tendenzen, die auch die "Nationalen Befreiungsbewegungen" der sechziger bis achtziger Jahre bestimmt hat.

Jedenfalls in diesem Internet- Auftritt geben sich die Taliban nicht als fundamentalistische Hinterwäldler, sondern als Revolutionäre in der Tradition von Ho Tschi Minh und Che Guevara. Natürlich kann das eine Strategie ihrer Propaganda sein.

Das zweite ist, daß man zwar zahlreiche Drohungen gegen die USA und vor allem die Briten liest (die als die eigentlichen Kolonialherren dargestellt werden), daß Deutschland aber ausgespart wird; jedenfalls habe ich keine Drohungen gegen Deutschland gefunden.

Die Strategie der Taliban scheint auch in diesem Punkt keineswegs mit derjenigen der Kaida deckungsgleich zu sein, die ja vor den Bundestagswahlen Deutschland massiv unter Druck zu setzen versucht hat; siehe Das deutsche Volk "fällt sein eigenes Urteil"; ZR vom 19. 9. 2009.



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