8. Dezember 2009

Marginalie: Was die Konferenz von Kopenhagen mit der Hirnforschung zu tun hat. Und was mit Ziegeleien in Bangla Desh

Zuerst das mit den Ziegeleien in Bangla Desh. Es ist so absurd, daß Sie es vielleicht nicht glauben werden. Aber ich habe es aus absolut seriöser Quelle, nämlich aus der aktuellen Nummer von Science News; der Internet- Ausgabe vom 5. 12. 2009.

Es geht um einen dieser "Fußabdrücke" (footprints), die meßbar machen sollen, welche "Klimabilanz" ein bestimmtes Produkt oder ein Verhalten aufweist; siehe Über Fußabdrücke und die Metaphysik der "Klimabilanz"; ZR vom 27. 5. 2008. Gern drückt man das in Tonnen CO2 aus, die der Atmosphäre zugeführt werden.

Das wurde nun auch für die Kopenhagener Klimakonferenz gemacht. Eine zuständige Einrichtung der UNO, die UNFCCC, schätzt, daß diese Konferenz alles in allem für ungefähr 40.000 Tonnen mehr CO2 in der Atmosphäre verantwortlich sein wird.

Hauptsächlich wegen des Flugbenzins, das benötigt wird, um die Delegierten aus allen Gegenden der Welt heranzuschaffen. Aber es müssen auch Systeme zur Kommunikation mit den 192 Heimatländern aufgebaut werden, die Konferenzsäle müssen beheizt und beleuchtet werden und dergleichen mehr. Das kostet alles nun einmal Energie.

Was tun? Die dänische Regierung, vertreten durch ihre Energie- Agentur, und die Weltbank haben sich mit einer Investment- Bank in Bangla Desh zusammengetan. Es soll Geld für die Modernisierung von zwanzig Ziegeleien rund um Dhaka bereitgestellt werde. Diese stellen ihre Ziegel dann mit einem geringeren Ausstoß an CO2 her; und die Welt ist wieder in Ordnung.

Die Frage, was das eine mit dem anderen zu tun hat und ob man die Modernisierung der Ziegeleien nicht auch ohne die Konferenz von Kopenhagen hätte finanzieren können, scheint sich niemand gestellt zu haben.



Der zweite Artikel - ein längerer Aufsatz zur Hirnforschung von Laura Sanders -, steht in derselben Internet- Ausgabe von Science News, ist aber der gedruckten Ausgabe mit Erscheinungsdatum vom 19. Dezember entnommen (Band 176, Nr. 13, S. 16).

Auf den ersten Blick geht es um ein ganz anderes Thema als das Klima, nämlich die Methode, mittels funktioneller Kernspin- Tomographie (fMRI) die Aktivität einzelner Areale im Gehirn zu messen und daraus Folgerungen für die physiologischen Grundlagen psychischer Prozesse abzuleiten.

Ich habe diese Methode in einem früheren Artikel beschrieben (Über die Fortschritte der Hirnforschung in einem halben Jahrhundert; ZR vom 10. 7. 2009). Sie ist im einzelnen physikalisch sehr kompliziert, läuft aber im Kern darauf hinaus, zu messen, wieviel sauerstoffreiches Blut einem Areal zugeführt wird.

Je höher die Aktivität der Nervenzellen, umso mehr Sauerstoff wird benötigt; und das Gehirn verfügt über Mechanismen, die Zufuhr schnell und effizient dem Bedarf anzupassen. Man kann sich das wie auf einem freien Markt vorstellen, auf dem die Nachfrage bestimmt, was in welcher Menge angeboten wird.

Dieses Verfahren ist seit seit einigen Jahrzehnten ein Standard- Verfahren der Hirnforschung. Laura Sanders berichtet nun über eine Reihe von aktuellen Publikationen, die schwere Zweifel an ihm wecken; jedenfalls an vielen Resultaten, die mit ihm gewonnen wurden.

Man hat beispielsweise "erhöhte Aktivität" im Gehirn eines Versuchstiers "gemessen", das bereits tot war. In einer anderen Untersuchung wurden Probanden wiederholt zufällig auf zwei Gruppen verteilt, und man fand "signifikante" Unterschiede zwischen diesen Gruppen.

Es würde zu weit führen, hier diese methodischen Probleme im einzelnen darzustellen. Falls Sie an Neurophysiologie interessiert sind, dann empfehle ich Ihnen sehr die Lektüre des Artikels.

Es hat sich jedenfalls gezeigt, daß viele Untersuchungen mit dieser Methode so angelegt sind, daß man das findet, was man sucht. Beliebt ist das Verfahren (das man Studenten im Statistikkurs auszutreiben versucht), zunächst einmal aus dem Wust der Daten die auffälligen herauszufischen und diese dann auf einen signifikanten Unterschied zu anderen Daten zu testen. Eine Metaanalyse von 53 Untersuchungen ergab, daß dieser Fehler in 28 von ihnen begangen worden war. Eine zweite Metaanalyse lieferte ein ähnlich bedenkliches Ergebnis.

Damit sind wir bei Klimamodellen.

In einer normal funktionierenden Wissenschaft kommt es zu solchen Fehlern, weil Wissenschaftler auch nur Menschen sind, die gern etwas Neues herausfinden wollen, die also nach deutlichen, publikationsfähigen Resultaten suchen. Das gehört nun einmal zum Wissenschaftsprozeß.

Aber zugleich gibt es in einer normal funktionierenden Wissenschaft eine ständige gegenseitige Kontrolle. Alle Kritikpunkte, die Laura Sanders darlegt, wurden von Forschern vorgetragen, die selbst auf diesem Gebiet in führender Position arbeiten. Es ging ihnen selbstverständlich nicht darum, ihre eigene Disziplin zu diskreditieren, sondern sie besser zu machen.

So sollte es in der Klimaforschung auch sein. Aber faktisch ist es so, daß viele Forscher sich auf eine Überzeugung - die vom menschengemachten Klimawandel - geeinigt haben, die sie nicht mehr zur Disposition stellen. Der Prozeß der ständigen gegenseitgen Kritik funktioniert nicht mehr so, wie er sollte.

Die Klimaforschung hat es ungleich schwerer als die Neurophysiologie, zu prüfen, ob ein Modell stimmt, weil sie nicht experimentieren kann. Hier wäre der ständige Prozeß wissenschaftlicher Kritik also besonders vonnöten.

Nichts davon werden wir aus Kopenhagen hören. Eine der problematischsten Wissenschaften; eine, die auf besonders schwankendem Boden steht, wird gegenüber der Öffentlichkeit so präsentiert werden, als sei sie in der Lage, mit großer Gewißheit in die Zukunft zu blicken. Wacklige Modelle werden als Abbildung der Realität verkauft werden.

Und diejenigen, die versuchen, das in jeder Wissenschaft Normale zu tun, nämlich Daten und Theorien kritisch zu prüfen, werden als Ignoranten und Bösewichter hingestellt werden.



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