4. Dezember 2009

Bessere Anreize für Professoren? - Mehr Geld für Hiwis! Eine Anmerkung zur Quantität der Lehre

Bei den Kollegen vom ÖkonomenBlog fordert Dominique Döttling bessere Anreize für Professoren. Anreize nämlich, bessere Lehre anzubieten. Das Argument ist bekannt: "Professoren können durch gute Lehre ihre eigene Reputation kaum verbessern. Darum wird lieber geforscht und veröffentlicht, während die Lehre oft nur als notwendiges Übel angesehenen wird."

Daran ist viel Wahres. Wer will, der kann als Hochschullehrer die Lehre als lästige Routine behandeln und seine Kraft der Forschung widmen, oder vielleicht ja auch der Hochschulpolitik.

Viele allerdings geben sich viel Mühe mit der Lehre, weil sie nicht nur Karriere machen wollen, sondern weil sie Menschen mit Verantwortungsgefühl und mit Pflichtbewußtsein sind. Auch ist Lehren für viele etwas Schönes.

Nur - liegt das gegenwärtige Problem mit dem Bologna- Prozeß überhaupt bei der Qualität der Lehre? Ich kann das nicht erkennen. Es liegt bei der Quantität der Lehre.



Mit der Einführung der Bachelor- Studiengänge ist das Studium verschult worden; das war ja der Sinn der Sache. Nicht das gesamte Studium, aber eben das Studium bis zum Abschluß als Bachelor. Das anschließende Master- und Promotionsstudium ist davon nicht betroffen.

An die Stelle der klassischen Vorlesung sind Kurse getreten, zu denen ein Leistungsnachweis verlangt wird. Statt daß die Studierenden ein- oder zweimal im Lauf ihres Studiums in die Prüfung gehen, finden Semester für Semester studienbegleitende Prüfungen statt.

Das bedeutet eine Mehrbelastung der Lehrenden, die in der gegenwärtigen Diskussion so gut wie nicht zur Sprache kommt.

Zugleich sind die Anforderungen an die Qualität der Lehre nicht gestiegen, sondern sie sind gesunken.

Ein verschultes Studium benötigt nicht den Hochschullehrer, der durch eigene Spitzenforschung ausgewiesen ist, sondern den guten Didaktiker. In vielen Fächern geht man nach einem Lehrbuch vor, wie in der Schule. International ist das schon längst üblich.

Statt Anreize für Professoren zu schaffen, sollte man also - auch da in Anpassung an das, was international üblich ist - fortgeschrittene Studenten (graduate students) und vor allem Doktoranden in viel größerem Umfang in die Lehre einbeziehen. Das würde die Quantität der Lehre erheblich verbessern können und ihnen zugleich bei der Finanzierung ihres Studiums helfen.

In Deutschland hat sich für diese Lehrenden, die zugleich selbst noch Studierende sind, der häßlich Begriff Hiwis eingebürgert - "Hilfswillige"; ursprünglich eine Wortschöpfung der Nazis. Nun gut, er ist wohl nicht mehr zu beseitigen. Es müßte möglich sein und es wäre finanzierbar, daß jeder Masters- Student und jeder Doktorand in der Regel eine Hiwi- Stelle bekommt. Stipendien könnten dann gestrichen werden.



Was nun den Anreiz für die Professoren angeht - wenn man ihn denn für erforderlich hält -, gibt es ein ganz einfaches Mittel, das in der Geschichte unserer Universitäten eine lange Tradition hat: das Hörergeld.

Als ich Anfang der sechziger Jahre studierte, mußte ich für jede Vorlesung, für jedes Seminar, für jedes experimentelle Praktikum zahlen. Nicht pauschal, sondern so, wie man eben eine Dienstleistung kauft. Nur ganze wenige Veranstaltungen waren privatissime gratis.

Dieses Hörergeld erhielt der Hochschullehrer Semester für Semster abgerechnet, zusätzlich zu seinem Gehalt. Wenn er fair war, gab er es anteilig an seine Mitarbeiter weiter, falls diese an den Lehrveranstaltungen beteiligt gewesen waren.

Ich hatte damit Anspruch auf gute Lehre, für die ich ja schließlich bezahlte. Ich war nicht der arme abhängige Student, sondern König Kunde.

Und die Professoren hatten ein Interesse daran, gute Lehre anzubieten, denn sie wollten ja viele Kunden haben.

Als ich dann Mitte der sechziger Jahre auf die andere Seite wechselte, bin ich selbst in den Genuß der Hörergelder gekommen. Ein paar Jahre später wurden sie durch eine "Hörergeldpauschale" ersetzt, die dann irgenwann in die Besoldungsordnung eingearbeitet wurde.

Wenn jetzt Studierende wieder Studiengebühren zahlen, dann wissen sie nicht, an wen und für was. Ich kann verstehen, daß sie dagegen protestieren.

Sie sollen sich wieder die Dienstleistung ihres Prof kaufen dürfen, und sie sollen als zahlende Kunden damit das Recht erwerben, anständig bedient zu werden.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Linuxerist. Frei unter GNU Free Documentation License, Version 1.2 oder später.