26. Februar 2008

Marginalie: Woher kommen die Stimmen für die Kommunisten in Hamburg?

In Hamburg hat "Die Linke" beachtliche 6,4 Prozent geholt. Davon ist viel die Rede. Etwas anderes ist mindestens ebenso bemerkenswert, wird aber kaum kommentiert: Die extreme Rechte ist so gut wie verschwunden.

In einem Bundesland, in dem die Schill- Partei 2001 satte 19,4 Prozent erreichte und 2004 immerhin noch 3,6 Prozent, mehr als die FDP; in dem bei den beiden Wahlen zuvor die REPs plus die DVU zusammen 7,4 Prozent (1993) und 6,8 Prozent (1997) bekommen hatten - in diesem Stadtstaat war die extreme Rechte bei diesen Wahlen wie vom Erdboden verschluckt. Die REPs und die NPD traten gar nicht erst an. Die DVU brachte es auf ganze 0,8 Prozent.

Wo sind sie geblieben, die rechtsextremen Wähler in Hamburg? Dreimal dürfen Sie raten. Oder Sie verzichten auf's Raten und lesen in der FAZ, was dazu die "Forschungsgruppe Wahlen" herausgefunden hat:
Am Sonntag jedenfalls fielen bei der Linkspartei die Stimmen vormaliger Nichtwähler und – als größte Gruppe – vormaliger Wähler von Splittergruppen von Schill über Regenbogen bis NPD stärker ins Gewicht als alle Stimmen vormaliger SPD-, GAL- und CDU-Wähler zusammen.
Wir haben uns den Wähler der Partei "Die Linke" nicht als einen klassenbewußten Arbeiter vorzustellen, der seinen Marx und Lenin gelesen hat. Wir haben ihn uns vorzustellen als einen aus dem Subproletariat, aus der rechtsextremen Szene, aus dem Lager der immer Unzufriedenen.

Diese Leute wählen keine der "etablierten Parteien", der "Altparteien", oder wie immer das genannt wird. Sie wählen diejenigen, die "dagegen" sind - gegen das "System", gegen die Demokratie, gegen die Globalisierung, gegen die freiheitliche Ordnung dieser Gesellschaft.

Rühren die Kommunisten so die Trommel, wie das jetzt "Die Linke" getan hat, dann kassieren sie viele dieser Stimmen. Gibt es keine linke Protestpartei oder ist diese unauffällig, dann wählte man halt NPD, DVU, REPs. Oder die Schill- Partei, die freilich auf ihrem Höhepunkt auch viele bürgerliche Wähler angesprochen hat.



War es in Hessen anders?

Sind wenigstens dort diejenigen, die den Kommunisten den Einzug in den Landtag geschenkt haben, klassenbewußte Proletarier? Sind es ehemalige linke Sozialdemokraten, die ihrer Partei den Rücken gekehrt haben? Nein. Die Zahlen der "Forschungsgruppe Wahlen zeigen, daß
die Hamburger Linkspartei nicht nur den Inhalten und der Herkunft der Mandatsträger, sondern auch der Wählerstruktur nach keine andere ist als die, die der SPD-Vorsitzende Beck als Mehrheitsbeschafferin für die hessische SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti im Auge hat.
Auch das ist ein Aspekt des Bestrebens der hessischen SPD, sich mit Hilfe der Kommunisten an die Regierung wählen zu lassen: Sie würde den Machtwechsel dann zwar auf der Ebene der Funktionäre und Mandatsträger den Kommunisten verdanken, bei den Wählern aber einer unappetitlichen rotbraunen Melange.



Kurz: Wer extrem links oder extrem rechts wählt, der wählt nicht in erster Linie links oder rechts, sondern er wählt Extremisten.

Das zeigt auch das Beispiel Frankreich. Dort wurde die einst große Kommunistische Partei nicht etwa von den Sozialisten beerbt, sondern hauptsächlich von dem rechtsextremen Front National von Le Pen.

Dieser ist heute, bei den Wählern, die größte Arbeiterpartei Frankreichs. Im November 2006 hat das französische Institut IFOP die Wählerschaft dieses Front National unter die Lupe genommen. In Frankreich sind 32 Prozent der Bevölkerung Fabrikarbeiter oder kleine Angestellte (ouvriers, employés). Unter den Wählern Le Pens machen sie aber fast die Hälfte aus (47 Prozent).



Auf den ersten Blick scheinen diesen Analysen dem Umstand zu widersprechen, daß bei Wahlen in den Neuen Ländern immer wieder Rechtsextreme gut abschneiden, obwohl dort die Kommunisten stark sind.

Warum wählen Mecklenburger Rechtsextremisten, anders als die Hamburger, selten die Kommunisten? Vermutlich - das erscheint mir jedenfalls als plausible Erklärung -, weil die SED sich zu Zeiten ihrer Herrschaft ungefähr so als Protestpartei präsentierte, wie der Kardinal Meißner ein linker Libertärer ist.

Wer im Osten die Kommunisten wählt, der will nicht Aufruhr, sondern die Friedhofsruhe der DDR. Wer hingegen Aufruhr und Umsturz will, oder wer auch nur seine allgemeine Protesthaltung zum Ausdruck bringen möchte, der wählt dort nicht die Kommunisten, sondern eine der rechtsextremen Parteien.

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