Vor wenigen Minuten war in Djakarta Anstoß zum Endspiel der Asien- Meisterschaft im Fußball.
Al Jazeera berichtet ständig. Nicht nur aus sportlichem Interesse, sondern auch deshalb, weil dem Traditions- Meister Saudi- Arabien der Irak als Gegner gegenübersteht.
Eben meldet sich die Kurdistan- Korrespondentin von Al Jazeera, Hoda Abdel- Hamid. Sie sagt, zum ersten Mal seit langer Zeit wehten in Kurdistan Flaggen des Irak (die dort normalerweise sogar verboten seien!). Bilder im Hintergrund zeigen das Stadion von Kirkuk, fast gefüllt für die Video- Übertragung, und in der Tat sieht man überall die irakische Nationalfahne.
Auch die Kurden würden sich in dieser Situation als Iraker fühlen, sagt Frau Abdel- Hamid.
Die Nationalmannschaft setzt sich aus sunnitischen und schiitischen Arabern und Kurden zusammen. Schon bei ihren vorausgehenden Siegen gab es eine Welle nationaler Begeisterung. Zuerst bin ich durch den Blog "Iraq the Model" darauf aufmerksam geworden; das war, als der Irak Vietnam besiegt hatte. Jetzt ist man also im Endspiel.
Für den Fall eines Siegs wird ein Freudenfest auf den Straßen der irakischen Städte erwartet. Für Bagdad wurde präventiv ein Fahrverbot für alle Fahrzeuge verhängt, das eine halbe Stunde vor Anstoß des Spiels in Kraft tritt.
Natürlich wird befürchtet, daß Terroristen die Straßenfeste für blutige Anschläge "nutzen" werden.
Was ist eine solche Welle nationaler Einigkeit - vergleichbar dem deutschen Sommer 2006 - wert? Pessimisten sagen natürlich, daß das ein Kräuseln an der Oberfläche ist, das nichts an den tieferliegenden Problemen ändern kann. So wenig, wie die Euphorie des Sommer 2006 in Deutschland Arbeitsplätze geschaffen oder die Integration von Einwanderern erleichtert hat.
Aber hat sie nicht vielleicht?
Mir erscheint die Vermutung nicht unvernünftig, daß der Aufschwung der deutschen Wirtschaft durch den Optimismus jener Wochen einen zusätzlichen Schub bekommen hat; obwohl das schwer meßbar sein dürfte.
Mir scheint auch, daß es die Integration von Einwanderern sehr wohl befördert haben könnte, daß sie gemeinsam mit eingesessenen Deutschen die deutsche Fahne schwangen und für unsere Mannschaft zitterten. Auch das ist natürlich kaum objektiv zu bestätigen.
Solch ein psychologischer Effekt wird sich sicherlich nie gegen einen objektiven Trend durchsetzen können. Aber einen positiven Trend, wenn er schon existiert, verstärken, ihn stabilisieren - das könnte er vielleicht schon.
Gibt es denn im Irak solche einen objektiven Trend? Ja.
Uns erreichen ja, warum auch immer, fast nur negative Nachrichten aus dem Irak. Es ist, als gebe es einen Medien- Filter, der jede noch so klitzekleine Meldung über eine Bombe, eine Regierungs- Krise passieren läßt und in dem alles, was es aus dem Irak Positives zu melden gibt, auf magische Weise hängenbleibt.
Im Augenblick nun gibt es eine sehr große Hoffnung auf eine Wende zum Besseren auf Regierungs- Ebene, auf eine Entwicklung hin zu einer stärkeren nationalen Einheit.
Ende vergangenen Jahres habe ich über einen Blogbeitrag von Omar berichtet, in dem dieser argumentierte: Vorläufig noch sind im Irak die gemäßigten Schiiten Gefangene ihrer extremisten Bundesgenossen, und die gemäßigten Sunniten sind ebenso von von den sunnitischen Terroristen und ihren Sympathisanten abhängig. Das verhindert eine vernünftige Zusammenarbeit der Demokraten im Irak.
Seither haben sich die Verhältnisse positiv entwickelt, und gerade in diesen Tagen zeichnet sich eine weitere Chance für eine Wende zum Besseren ab.
Die bewaffneten Schiiten unter Sadr haben die Regierung inzwischen verlassen; Maliki hat sich weitgehend aus der Abhängigkeit von ihnen lösen können.
Eine parallele Entwicklung zeichnet sich jetzt bei den Sunniten ab. Und zwar im Rahmen einer Entwicklung, die auf den ersten Blick nur krisenhaft erscheint.
Aber eine Krise - ein Wendepunkt also, wörtlich übersetzt - kann eben auch Gutes mit sich bringen.
Das Negative steht im Titel des Berichts der "International Herald Tribune": Präsident Talabani und die Regierung kritisieren die Drohung der sunnitischen "Einigungs- Front" (Accordance Front), die Regierung zu verlassen.
Aber weiter unten in dem Artikel erfährt man, daß das sich am Ende als ein großer Fortschritt erweisen könnte.
In dieser "Einigungs- Front" sind nämlich zwei extremistische Parteien und eine gemäßigte, die "Irakische Islamische Partei" von Vizepräsident Tariq al-Hashemi.
Wenn die "Einigungs- Allianz" ihre Drohung wahrmacht und die Regierung verläßt, dann könnte die "Irakische Islamische Partei" in die Regierung zurückkehren.
Und zwar als Teil einer Regierung der Demokraten, unter Ausschluß aller Extremisten, an der derzeit gearbeitet wird. Vor allem Talabani bemüht sich um eine solche neue Regierung. Sie soll, nach Talabanis Vorstellungen, aus zwei gemäßigten schiitischen, zwei gemäßigten kurdischen Parteien und eben der sunnitischen "Irakischen Islamischen Partei" bestehen.
Dann hätte der Irak zum ersten Mal eine Regierung, die weder auf der einen noch auf der anderen Seite von Extremisten abhängig wäre. Nicht mehr angewiesen auf Abgeordnete, die Verbindungen zum Terrorismus haben.
Eine Regierung, die damit endlich ohne Rücksichten gegen den Terrorismus vorgehen könnte.
Gute Nachrichten also. Jetzt müßten die "Löwen der beiden Flüsse" nur noch Asien- Meister werden.
PS: Der Sender "El Iraqia" überträgt das Spiel. Es ist jetzt genau eine Viertel Stunde gespielt, und es steht noch 0:0. Im "Kleinen Zimmer" gibt's ab jetzt einen kleinen Live- Ticker.
Al Jazeera berichtet ständig. Nicht nur aus sportlichem Interesse, sondern auch deshalb, weil dem Traditions- Meister Saudi- Arabien der Irak als Gegner gegenübersteht.
Eben meldet sich die Kurdistan- Korrespondentin von Al Jazeera, Hoda Abdel- Hamid. Sie sagt, zum ersten Mal seit langer Zeit wehten in Kurdistan Flaggen des Irak (die dort normalerweise sogar verboten seien!). Bilder im Hintergrund zeigen das Stadion von Kirkuk, fast gefüllt für die Video- Übertragung, und in der Tat sieht man überall die irakische Nationalfahne.
Auch die Kurden würden sich in dieser Situation als Iraker fühlen, sagt Frau Abdel- Hamid.
Die Nationalmannschaft setzt sich aus sunnitischen und schiitischen Arabern und Kurden zusammen. Schon bei ihren vorausgehenden Siegen gab es eine Welle nationaler Begeisterung. Zuerst bin ich durch den Blog "Iraq the Model" darauf aufmerksam geworden; das war, als der Irak Vietnam besiegt hatte. Jetzt ist man also im Endspiel.
Für den Fall eines Siegs wird ein Freudenfest auf den Straßen der irakischen Städte erwartet. Für Bagdad wurde präventiv ein Fahrverbot für alle Fahrzeuge verhängt, das eine halbe Stunde vor Anstoß des Spiels in Kraft tritt.
Natürlich wird befürchtet, daß Terroristen die Straßenfeste für blutige Anschläge "nutzen" werden.
Was ist eine solche Welle nationaler Einigkeit - vergleichbar dem deutschen Sommer 2006 - wert? Pessimisten sagen natürlich, daß das ein Kräuseln an der Oberfläche ist, das nichts an den tieferliegenden Problemen ändern kann. So wenig, wie die Euphorie des Sommer 2006 in Deutschland Arbeitsplätze geschaffen oder die Integration von Einwanderern erleichtert hat.
Aber hat sie nicht vielleicht?
Mir erscheint die Vermutung nicht unvernünftig, daß der Aufschwung der deutschen Wirtschaft durch den Optimismus jener Wochen einen zusätzlichen Schub bekommen hat; obwohl das schwer meßbar sein dürfte.
Mir scheint auch, daß es die Integration von Einwanderern sehr wohl befördert haben könnte, daß sie gemeinsam mit eingesessenen Deutschen die deutsche Fahne schwangen und für unsere Mannschaft zitterten. Auch das ist natürlich kaum objektiv zu bestätigen.
Solch ein psychologischer Effekt wird sich sicherlich nie gegen einen objektiven Trend durchsetzen können. Aber einen positiven Trend, wenn er schon existiert, verstärken, ihn stabilisieren - das könnte er vielleicht schon.
Gibt es denn im Irak solche einen objektiven Trend? Ja.
Uns erreichen ja, warum auch immer, fast nur negative Nachrichten aus dem Irak. Es ist, als gebe es einen Medien- Filter, der jede noch so klitzekleine Meldung über eine Bombe, eine Regierungs- Krise passieren läßt und in dem alles, was es aus dem Irak Positives zu melden gibt, auf magische Weise hängenbleibt.
Im Augenblick nun gibt es eine sehr große Hoffnung auf eine Wende zum Besseren auf Regierungs- Ebene, auf eine Entwicklung hin zu einer stärkeren nationalen Einheit.
Ende vergangenen Jahres habe ich über einen Blogbeitrag von Omar berichtet, in dem dieser argumentierte: Vorläufig noch sind im Irak die gemäßigten Schiiten Gefangene ihrer extremisten Bundesgenossen, und die gemäßigten Sunniten sind ebenso von von den sunnitischen Terroristen und ihren Sympathisanten abhängig. Das verhindert eine vernünftige Zusammenarbeit der Demokraten im Irak.
Seither haben sich die Verhältnisse positiv entwickelt, und gerade in diesen Tagen zeichnet sich eine weitere Chance für eine Wende zum Besseren ab.
Die bewaffneten Schiiten unter Sadr haben die Regierung inzwischen verlassen; Maliki hat sich weitgehend aus der Abhängigkeit von ihnen lösen können.
Eine parallele Entwicklung zeichnet sich jetzt bei den Sunniten ab. Und zwar im Rahmen einer Entwicklung, die auf den ersten Blick nur krisenhaft erscheint.
Aber eine Krise - ein Wendepunkt also, wörtlich übersetzt - kann eben auch Gutes mit sich bringen.
Das Negative steht im Titel des Berichts der "International Herald Tribune": Präsident Talabani und die Regierung kritisieren die Drohung der sunnitischen "Einigungs- Front" (Accordance Front), die Regierung zu verlassen.
Aber weiter unten in dem Artikel erfährt man, daß das sich am Ende als ein großer Fortschritt erweisen könnte.
In dieser "Einigungs- Front" sind nämlich zwei extremistische Parteien und eine gemäßigte, die "Irakische Islamische Partei" von Vizepräsident Tariq al-Hashemi.
Wenn die "Einigungs- Allianz" ihre Drohung wahrmacht und die Regierung verläßt, dann könnte die "Irakische Islamische Partei" in die Regierung zurückkehren.
Und zwar als Teil einer Regierung der Demokraten, unter Ausschluß aller Extremisten, an der derzeit gearbeitet wird. Vor allem Talabani bemüht sich um eine solche neue Regierung. Sie soll, nach Talabanis Vorstellungen, aus zwei gemäßigten schiitischen, zwei gemäßigten kurdischen Parteien und eben der sunnitischen "Irakischen Islamischen Partei" bestehen.
Dann hätte der Irak zum ersten Mal eine Regierung, die weder auf der einen noch auf der anderen Seite von Extremisten abhängig wäre. Nicht mehr angewiesen auf Abgeordnete, die Verbindungen zum Terrorismus haben.
Eine Regierung, die damit endlich ohne Rücksichten gegen den Terrorismus vorgehen könnte.
Gute Nachrichten also. Jetzt müßten die "Löwen der beiden Flüsse" nur noch Asien- Meister werden.
PS: Der Sender "El Iraqia" überträgt das Spiel. Es ist jetzt genau eine Viertel Stunde gespielt, und es steht noch 0:0. Im "Kleinen Zimmer" gibt's ab jetzt einen kleinen Live- Ticker.
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