12. Juli 2007

Randbemerkung: Brauchen wir eine Einheitssprache?

Bei Karl May kann man lesen, daß im Wilden Westen ein Gemisch aus Englisch, Spanisch, Französisch, indianischen Elementen gesprochen wurde, das jeder verstand.

"Sans-Ear" heißt einer von Karl Mays Helden. Naja, Helden waren sie ja alle nicht, außer seinem eigenen Ego und seinem Alter Ego.

Er war einer der Schrulligen bei Karl May, wie fast alle, Sans-Ear. Vielen von Karl Mays Figuren fehlte ja was. Aber das ist eine andere Geschichte.



Also, da gab es eine Lingua Franca. Braucht man die, ist sie wünschenswert?

Mir ist das heute durch den Kopf gegangen, als ich diesen Beitrag von Ungelt gelesen habe.

Ein Tscheche, er schreibt ein makelloses Deutsch.

Mir geht das in Frankreich so. Mein Französisch ist nicht so sehr verschieden von dem der meisten Franzosen, vermutlich grammatisch besser, weil ich gelernt habe, den Konjunktiv korrekt zu verwenden, die Verneinungen, die Tempi.

Nur daß ich einen starken Akzent habe. Also hält man mich meist für einen Belgier.

Im Englischen ist es ähnlich, aber etwas extremer. Ich schreibe es vermutlich besser als viele Native Speakers. Aber ich spreche es fürchterlich. Genauer: Ich kann das Alltags-Englisch nicht.

Es hat mir nie Probleme gemacht, einen Vortrag in freier Rede auf Englisch zu halten. Aber wenn man abends zusammensaß und die Amis und Engländer anfingen, ihre Witze zu reißen, dann verstand ich nichts mehr. Jedenfalls wenig.



So geht es vermutlich den meisten.

Also - Esperanto? Eine glänzende Idee. Aber warum auch immer - es hat sich nicht durchgesetzt. Die Esperantisten sind Sektierer geblieben.

Also bleibt meines Erachtens nur die Einheitssprache. Ich bin dafür - und habe das ja immer mal wieder geschrieben - , daß jedes Kind mit Englisch als seiner zweiten Muttersprache aufwachsen sollte.



Der Nachteil ist, daß dann viele andere Sprachkenntnisse überflüssig werden.

Ich hätte vielleicht nie ordentlich Französisch gelernt, wenn ich mich mit jedem Franzosen in der gemeinsamen Sprache Englisch hätte verständigen können. Ungelt hätte vielleicht nie sein ausgezeichnetes Deutsch gelernt.

Es geht also Kultur verloren mit der Einheitssprache.

Ich kann Spanisch und Italienisch lesen, aber nicht sprechen. Ich habe glücklicherweise Altgriechisch gelernt, beherrsche es aber nicht mehr. Meine Platon-Ausgabe ist zweisprachig, und mit Übersetzung kann ich den griechischen Text lesen und mich an ihm freuen; Platon war ja ein Künstler.

Ich kann Russisch nicht einmal lesen, obwohl ich einmal versucht habe, es zu lernen. Also habe ich keinen Zugang zu Puschkin, zu Tolstoi, zu Dostojewski.

Wenn es die Einheitssprache gibt, wird kaum jemand sich noch bemühen, Sprachen zu lernen. Dieser Preis muß wohl gezahlt werden.

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