Gregor Gysi hatte eine Spitzenstellung im Justizapparat der DDR und gehörte damit zu den wichtigsten Verantwortlichen des DDR- Unrechtssystems.
Als der Vorsitzende der Kollegien der Rechtsanwälte in der DDR war er der oberste Rechtsanwalt in einem Justizsystem, in dem - so hat es das Verfassungsgericht festgestellt - die Rechtsanwälte "ihre Tätigkeit an den weltanschaulichen Grundlagen der DDR auszurichten" hatten. "Eine ihrer Aufgaben bestand in der Stärkung der sozialistischen Gesetzlichkeit (...), die sich bewußt vom Rechtsstaat bürgerlicher Prägung abgrenzte (...). Sie sollten dazu beitragen, daß die subjektiven Interessen der Bürger nicht von den objektiven Interessen der Gesellschaft und des Staates abwichen. (...) Die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts bestand nur in diesem Rahmen".
Damit die Rechtsanwälte sich auch an diese Vorgaben hielten, gab es seit 1980 die Rechtsanwalts- Kollegien. Der Mann, der diesen Kollegien zuletzt vorstand und der damit eine zentrale Funktion im DDR- Justizapparat hatte, ist heute Spitzenpolitiker in der Bundesrepublik Deutschland.
Als solcher hat er - da seine Partei im Bundestag vertreten ist, sogar in einem Bundesland mitregiert - Anspruch darauf, von den Medien nicht mißachtet zu werden.
Nun wird er allerdings nicht nur nicht mißachtet, sondern er genießt eine Medien- Präsenz, von der viele demokratische Politiker nur träumen können.
Nun gut, man kann argumentieren, daß seine Partei außer ihm und Lafontaine keine Leute hat, die einer Talkshow zu einer ordentlichen Quote verhelfen können. Also greift man notgedrungen auf sie zurück, wenn ein Thema zu besprechen ist, zu dem ihre Partei nun einmal eine pointierte Meinung hat.
Schließlich ist der Wettbewerb zwischen den Talkshows hart, und wenn man schon niemanden von der NPD einladen kann, dann ist doch immerhin Gysi gut für eine deutlich abweichende Meinung. Also für Streit, also für Quote.
Zugestanden.
Aber das erklärt nicht das, was das ZDF sich diese Woche leistet. Was sich zu leisten es jedenfalls ankündigt.
Für den kommenden Donnerstag ist als Thema der Sendung "Maybrit Illner" angekündigt: "'Ich bin dann mal gläubig...' - Die neue Sehnsucht nach Spiritualität?".
Eingeladen ist Bernhard Bueb, ein studierter Theologe, der einmal Leiter des Internats "Schloß Salem" war und der durch seinen Bestseller "Lob der Disziplin" bekannt geworden ist. Eingeladen ist die Professorin der Katholischen Theologie Uta Ranke- Heinemann, die immer gern eingeladen wird, wenn auf flotte Weise über ein theologisches Thema disputiert werden soll. Zwei, die sachkundig sind.
Und eingeladen ist - Sie werden es ahnen, lieber Leser - Gregor Gysi. "Gregor Gysi (Die Linke), konfessionslos" steht in der Gästeliste des ZDF.
Nicht wahr, das ist ein Grund zum Meckern?
Was in aller Welt qualifiziert unter 80 Millionen Deutschen ausgerechnet den Vorsitzenden der Fraktion der "Linken" im Bundestag, zu diesem Thema als sachkundig zu gelten?
Hätte man denn für den Part des Religionskritikers nicht, sagen wir, jemanden wie Horst Herrmann einladen können, oder einen Kenner der atheistischen Philosophen Schopenhauer, Nietzsche und Heidegger wie Rüdiger Safranski, der dem ZDF ja ohnehin über das "Philosophische Quartett" verbunden ist?
Beide eloquent, beide wohl etwas kompetenter zum Thema als Gregor Gysi. Beide auch in ihrem intellektuellen Niveau angemessene Diskussionspartner für Bueb und Ranke-Heinemann. Ebenso, wie einer der vielen anderen deutschen Philosophen und Publizisten, die sich mit dem Atheismus befassen und/oder sich zu ihm bekennen.
Aber was zum Teufel - um ein hier passendes Kraftwort zu verwenden - denkt sich die Redaktion von "Maybrit Illner" dabei, statt eines Sachkundigen als Vertreter der atheistischen, der kirchenkritischen, der Position der Konfessionslosen ausgerechnet einen aktiven Politiker einzuladen, noch dazu einen Vertreter des Marxismus, dessen Verständnis von Atheismus für diesen ungefähr so repräsentativ ist wie die "Apotheker- Zeitung" für die deutsche Journalistik?
Ich versuche, mich in die Redaktion von "Maybrit Illner" hineinzuversetzen. Ich versuche, irgendeine noch so krause Überlegung zu finden, die diese Einladung inhaltlich rechtfertigen könnte.
Und weil ich keine finden konnte (daß man einfach einem Kommunisten Bildschirm- Präsenz zuschanzen wollte, glaube ich nicht), ist mir ein schrecklicher Verdacht gekommen:
Wollen vielleicht diese Redakteure den Gregory Gysi in eine Art Sippenhaft für seinen Vater nehmen? Soll Maybrit Illner ihn zu diesem Klaus Gysi befragen, über den der Independent in seinem Nachruf schrieb, daß er als DDR- Staatssekretär für Kirchenfragen "seine Hauptaufgabe darin sah, die lutheranischen Kirchen ... bei der Stange zu halten und sie daran zu hindern, Feinden des Systems Schutz zu gewähren"?
Hat man Gregor Gysi eingeladen, weil sein Vater einer von denen war, die die Protestanten ungefähr so in den Sozialismus einbinden wollten, wie das die Nazis mit ihren "Deutschen Christen" für den Nationalsozialismus versucht haben?
Ach nein. Wenn ich es recht bedenke - das ist ihr eigentlich doch nicht zuzutrauen, der Redaktion von "Maybritt Illner".
Sie werden sich überlegt haben: Bueb ist ein ruhiger Mann. Ranke-Heinemann ist schrill und laut. Jetzt brauchen wir noch einen, der glatt und ironisch ist. Also nehmen wir den Gysi.
Auf den ist Verlaß. Der kommt immer.
Als der Vorsitzende der Kollegien der Rechtsanwälte in der DDR war er der oberste Rechtsanwalt in einem Justizsystem, in dem - so hat es das Verfassungsgericht festgestellt - die Rechtsanwälte "ihre Tätigkeit an den weltanschaulichen Grundlagen der DDR auszurichten" hatten. "Eine ihrer Aufgaben bestand in der Stärkung der sozialistischen Gesetzlichkeit (...), die sich bewußt vom Rechtsstaat bürgerlicher Prägung abgrenzte (...). Sie sollten dazu beitragen, daß die subjektiven Interessen der Bürger nicht von den objektiven Interessen der Gesellschaft und des Staates abwichen. (...) Die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts bestand nur in diesem Rahmen".
Damit die Rechtsanwälte sich auch an diese Vorgaben hielten, gab es seit 1980 die Rechtsanwalts- Kollegien. Der Mann, der diesen Kollegien zuletzt vorstand und der damit eine zentrale Funktion im DDR- Justizapparat hatte, ist heute Spitzenpolitiker in der Bundesrepublik Deutschland.
Als solcher hat er - da seine Partei im Bundestag vertreten ist, sogar in einem Bundesland mitregiert - Anspruch darauf, von den Medien nicht mißachtet zu werden.
Nun wird er allerdings nicht nur nicht mißachtet, sondern er genießt eine Medien- Präsenz, von der viele demokratische Politiker nur träumen können.
Nun gut, man kann argumentieren, daß seine Partei außer ihm und Lafontaine keine Leute hat, die einer Talkshow zu einer ordentlichen Quote verhelfen können. Also greift man notgedrungen auf sie zurück, wenn ein Thema zu besprechen ist, zu dem ihre Partei nun einmal eine pointierte Meinung hat.
Schließlich ist der Wettbewerb zwischen den Talkshows hart, und wenn man schon niemanden von der NPD einladen kann, dann ist doch immerhin Gysi gut für eine deutlich abweichende Meinung. Also für Streit, also für Quote.
Zugestanden.
Aber das erklärt nicht das, was das ZDF sich diese Woche leistet. Was sich zu leisten es jedenfalls ankündigt.
Für den kommenden Donnerstag ist als Thema der Sendung "Maybrit Illner" angekündigt: "'Ich bin dann mal gläubig...' - Die neue Sehnsucht nach Spiritualität?".
Eingeladen ist Bernhard Bueb, ein studierter Theologe, der einmal Leiter des Internats "Schloß Salem" war und der durch seinen Bestseller "Lob der Disziplin" bekannt geworden ist. Eingeladen ist die Professorin der Katholischen Theologie Uta Ranke- Heinemann, die immer gern eingeladen wird, wenn auf flotte Weise über ein theologisches Thema disputiert werden soll. Zwei, die sachkundig sind.
Und eingeladen ist - Sie werden es ahnen, lieber Leser - Gregor Gysi. "Gregor Gysi (Die Linke), konfessionslos" steht in der Gästeliste des ZDF.
Nicht wahr, das ist ein Grund zum Meckern?
Was in aller Welt qualifiziert unter 80 Millionen Deutschen ausgerechnet den Vorsitzenden der Fraktion der "Linken" im Bundestag, zu diesem Thema als sachkundig zu gelten?
Hätte man denn für den Part des Religionskritikers nicht, sagen wir, jemanden wie Horst Herrmann einladen können, oder einen Kenner der atheistischen Philosophen Schopenhauer, Nietzsche und Heidegger wie Rüdiger Safranski, der dem ZDF ja ohnehin über das "Philosophische Quartett" verbunden ist?
Beide eloquent, beide wohl etwas kompetenter zum Thema als Gregor Gysi. Beide auch in ihrem intellektuellen Niveau angemessene Diskussionspartner für Bueb und Ranke-Heinemann. Ebenso, wie einer der vielen anderen deutschen Philosophen und Publizisten, die sich mit dem Atheismus befassen und/oder sich zu ihm bekennen.
Aber was zum Teufel - um ein hier passendes Kraftwort zu verwenden - denkt sich die Redaktion von "Maybrit Illner" dabei, statt eines Sachkundigen als Vertreter der atheistischen, der kirchenkritischen, der Position der Konfessionslosen ausgerechnet einen aktiven Politiker einzuladen, noch dazu einen Vertreter des Marxismus, dessen Verständnis von Atheismus für diesen ungefähr so repräsentativ ist wie die "Apotheker- Zeitung" für die deutsche Journalistik?
Ich versuche, mich in die Redaktion von "Maybrit Illner" hineinzuversetzen. Ich versuche, irgendeine noch so krause Überlegung zu finden, die diese Einladung inhaltlich rechtfertigen könnte.
Und weil ich keine finden konnte (daß man einfach einem Kommunisten Bildschirm- Präsenz zuschanzen wollte, glaube ich nicht), ist mir ein schrecklicher Verdacht gekommen:
Wollen vielleicht diese Redakteure den Gregory Gysi in eine Art Sippenhaft für seinen Vater nehmen? Soll Maybrit Illner ihn zu diesem Klaus Gysi befragen, über den der Independent in seinem Nachruf schrieb, daß er als DDR- Staatssekretär für Kirchenfragen "seine Hauptaufgabe darin sah, die lutheranischen Kirchen ... bei der Stange zu halten und sie daran zu hindern, Feinden des Systems Schutz zu gewähren"?
Hat man Gregor Gysi eingeladen, weil sein Vater einer von denen war, die die Protestanten ungefähr so in den Sozialismus einbinden wollten, wie das die Nazis mit ihren "Deutschen Christen" für den Nationalsozialismus versucht haben?
Ach nein. Wenn ich es recht bedenke - das ist ihr eigentlich doch nicht zuzutrauen, der Redaktion von "Maybritt Illner".
Sie werden sich überlegt haben: Bueb ist ein ruhiger Mann. Ranke-Heinemann ist schrill und laut. Jetzt brauchen wir noch einen, der glatt und ironisch ist. Also nehmen wir den Gysi.
Auf den ist Verlaß. Der kommt immer.
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