3. Dezember 2010

Zettels Meckerecke: Kristina Schröder. Gender. Islam. Und auch noch Sarah Palin. Da hat er viermal danebengepickt, der scharfsichtige Alan Posener

Alan Posener ist ein klarer Kopf und bissiger Analytiker, dem ich oft zustimme. Aber auch ein scharfsichtiges Huhn pickt mal dorthin, wo kein Korn ist.

Posener pickt in einem kurzen Kommentar gleich mehrfach. Sarah Palin möchte er gern treffen, Kristina Schröder, biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern und auch gleich noch den Islam. Nur ist dort kein Körnlein, wo er hinpickt.

Sein Kommentar beginnt verheißungsvoll: "Kristina Schröder entwickelt sich zur deutschen Sarah Palin".

Das scheint mir zwar ein wenig übertrieben - das Charisma Palins hat sie zumindest bisher nicht hervorblitzen lassen -, aber es schien mir, bevor ich weiter las, doch ein bemerkenswertes Lob zu sein. Sarah Palin ist eine kluge Frau und eine der erfolgreichsten Politikerinnen der USA. Nur Hillary Clinton und Condoleezza Rice haben es bisher zu ähnlicher Popularität gebracht.

Aber der nächstes Satz Poseners hat mich dann doch ernüchtert: "Von nichts eine Ahnung, aber über alles eine Meinung haben". Wie kommt Posener darauf, Sarah Palin so zu beschreiben? Wie gar auch noch die nun wahrlich solide Kristina Schröder, die sehr wohl weiß, was sie sagt, und die es stets überlegt und zurückhaltend formuliert?

Und so geht es weiter, leider, pick pick pick.

"Erst kürzlich hat unsere Familienministerin beiläufig Simone de Beauvoir und ihre Thesen zur sozialen Konstruktion von Geschlechterrollen als Unsinn abgefertigt", behauptet Posener.

Das würde mich wirklich interessieren, wo sie das nach Poseners Kenntnis getan hat. Jedenfalls nicht in dem "Spiegel"-Gespräch, auf das Alice Schwarzer so gallig-beleidigt reagiert hat (siehe Alice Schwarzer vs. Kristina Schröder; ZR vom 10. 11. 2010).

Sie können das Gespräch hier nachlesen. Von Unsinn hat Kristina Schröder keineswegs gesprochen. Die betreffende Passage lautete:
SPIEGEL: Darin [in Schröders Abiturzeitung; Zettel] findet sich der Satz, dass Sie niemals Feministin werden möchten. Was fanden Sie denn so schlimm an denen?

Schröder: Gar nichts, aber ich stimme einer Kernaussage der meisten Feministinnen nicht zu, nämlich der von Simone de Beauvoir: "Man wird nicht als Frau geboren, man wird es." Dass das Geschlecht nichts mit Biologie zu tun hat, sondern nur von der Umwelt geschaffen wird - das hat mich schon als Schülerin nicht überzeugt.
Nicht alles das, was jemanden nicht überzeugt, hält er deshalb gleich für Unsinn; nicht jedes Nicht-Zustimmen ist gleich ein "Abfertigen". Was Schröder sagt, entspricht im übrigen schlicht dem Stand der Forschung.

Nun gut, Alan Posener erlaubt sich, ein wenig zu übertreiben. Das wäre noch kein Anlaß für diese Meckerecke; wie auch nicht sein, sagen wir, Abfertigen von Sarah Palin.

Aber das ist ja erst die Einleitung zu seinem Kommentar. Es geht ihm um etwas anderes: Das, was Kristina Schröder zum Islam gesagt hat. Und was Posener dazu schreibt, das hat mich - bei aller Wertschätzung dieses Autors - nun wirklich geärgert.



Alan Posener stützt sich offenkundig auf diesen Bericht, der am 26. 11. in "Spiegel-Online" erschien; jedenfalls finden sich seine Zitate alle auch dort. Und was hat Kristina Schröder nach diesem Bericht bei der Vorstellung von zwei Untersuchungen gesagt? Dies:
  • "Es gibt keinen Einheitsislam. Islam ist das, was jeweils die Muslime daraus machen."

  • "Wir wollen schließlich einen deutschen Islam, und deswegen brauchen wir auch deutsche islamische Autoritäten."

  • "Das ist ja auch eine Karriereoption für junge männliche Muslime, dass sie Imam werden können in Deutschland."
  • Das ist alles, was in dem Artikel in "Spiegel-Online" steht und woraus Posener zitiert.

    Was in aller Welt ist daran auszusetzen?

    Natürlich gibt es keinen Einheitsislam. Es gibt bekanntlich Schiiten und Sunniten. Es gibt fundamentalistische Strömungen und einen Islam, wie ihn in Deutschland zum Beispiel Bassam Tibi vertritt und in Kanada der Muslim Canadian Congress; siehe "Eine Moschee wäre eine Entweihung von Ground Zero"; ZR vom 17. 8. 2010.

    Und natürlich muß es das Ziel der deutschen Politik sein, daß der deutsche Islam nicht eine fundamentalistische Strömung ist, sondern ein liberaler Islam, wie ihn Bassam Tibi will.

    Das ist es, was Schröder sagte. Sie will, daß in Deutschland auf der Grundlage unseres demokratischen Rechtsstaats ausgebildete Imame den Islam lehren, und nicht importierte aus Ländern, die nicht unser Verständnis von Demokratie haben.

    Ob das gelingen wird, ist offen. Es anzustreben ist vernünftig. Kristina Schröder, die sich schon vor ihrer Zeit als Ministerin kritisch mit dem Islam befaßte, hat nichts gesagt, was zu beanstanden wäre.

    Was aber macht Alan Posener daraus? Er schreibt:
    Ach ja? Wollen "wir" wirklich einen "deutschen Islam"? Evangelische "Deutsche Christen" hatten wir mal, Schwamm darüber. Julius Schoeps, dessen Vater die "Gefolgschaft deutscher Juden" gründete, die "Trennung von deutschen und undeutschen Juden" forderte und zum Dank dafür aus Deutschland gejagt wurde, stellt unmissverständlich fest: "Ein deutsches Judentum gibt es nicht mehr."
    Was in aller Welt hat das, was Kristina Schröder will, mit den Nazis zu tun, mit deren "Deutschen Christen", mit Julius Schoeps und seinem Vater Hans-Joachim?

    Richtig, nichts.



    Ach ja, und dann zitiert Posener auch noch Simone de Beauvoir:
    Und was ist mit Schröders gewagter These, eine Religion sei das, was die Gläubigen daraus machen? Merkwürdigerweise erinnert sie in der Struktur an jenen Satz Simone de Beauvoirs, den Schröder so doof fand: "Als Frau wird man nicht geboren, zur Frau wird man gemacht."
    Nein, diesen Satz hat Simone de Beauvoir nicht geschrieben; auch wenn diese falsche Übersetzung immer wieder zitiert wird.

    Geschrieben hat sie "On ne naît pas femme, on le devient"; und warum das nicht heißt "Als Frau wird man nicht geboren, zur Frau wird man gemacht", das können Sie hier nachlesen.



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