30. Dezember 2010

Zitat des Tages: Minister Ramsauer über den Umgang mit der deutschen Sprache. Ein Stück Kampf gegen die Dummheit

Englisch ist eine Weltsprache, die die Menschen verbindet, und das ist auch in Ordnung. Wir aber leben in Deutschland und sprechen unsere Muttersprache. Ich kenne kein Land der Erde, in dem man so respektlos mit der eigenen Sprache umgeht.

Das sagte Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer nicht in den letzten Tagen, sondern bereits am 3. Februar 2010 in einem Interview mit Hans-Peter Schütz, früher Leiter des politischen Ressorts des "Stern", jetzt dort freier Autor.


Kommentar: Das Interview Ramsauers ging zurück auf dessen seinerzeitige Ankündigung, in seinem Ministerium wieder deutsche Begriffe verwenden zu lassen. "Welt-Online" berichtete damals, am 30. 1. 2010:
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat den Anglizismen in seinem Ministerium den Kampf angesagt. Er erließ für sein Haus ein striktes "Denglisch"-Verbot, also die Vermischung deutscher und englischer Begriffe, berichtete die "Bild"-Zeitung. So heißt das "Travel Management" im Verkehrsministerium künftig wieder "Reisestelle".

Statt "Task Forces" arbeiten bei Ramsauer jetzt wieder "Projektgruppen". Und statt zum "Inhouse Meeting" kommen die Ministerialbeamten nun zum "hauseigenen Seminar" zusammen. "Ich will, dass im Haus wieder mehr deutsch gesprochen wird", sagte Ramsauer der Zeitung mit Blick auf seine Deutsche-Offensive im eigenen Haus.
Jetzt, nach fast einem Jahr, hat Ramsauer das Thema wieder aufgegriffen, in einem Interview mit dem "Tagesspiegel". Warum auch nicht; in der nachrichtenarmen Zeit zwischen den Jahren ist das allemal für ein paar Schlagzeilen gut.

Und vermutlich hat Ramsauer auch kalkuliert, daß er damit den einen oder anderen politisch Korrekten auf den Plan rufen würde; wie Sebastian Fischer in "Spiegel-Online" ("populistisch"), und in "Welt-Online" Gideon Böss ("Ich finde dieses Sprachen-Gejammer überflüssig"). Es ist gut für Ramsauer, es ist gut für sein Ministerium, wenn in diesen Tagen ein wenig über ein solches Thema debattiert wird, statt über die doch eher hilflosen Bemühungen der Deutschen Bahn, sich den Witterungsbedingungen anzupassen.

Nun veranstaltet der Minister Ramsauer ja aber kein "Sprachen-Gejammer"; sondern er hat vor einem Jahr Anordnungen getroffen, was den Sprachgebrauch in seinem Ministerium angeht. Jetzt stellt er gegenüber dem "Tagesspiegel" zufrieden fest, daß er Tausende zustimmende Zuschriften und Anrufe erhalten hat.

Ja, gewiß doch. Und zu Recht. Denn wenn jemand gegen alberne Anglizmen vorgeht, dann hat das ja nicht nur nichts mit Gejammer zu tun, sondern auch wenig mit Sprachpurismus, über den man streiten kann. Es ist vielmehr ein Stück Kampf gegen die Dummheit.

Böss schreibt:
Jüngere Menschen verwenden diese Sprache ganz selbstverständlich, weil es die Sprache ihrer Freizeit ist. Internet, Computer, Musik und Film, all dies ist eng mit den USA verbunden und dort wird eben nicht Deutsch gesprochen, gesungen und programmiert.
Ja, wenn es denn so wäre! Aber sie denken ja nicht daran, Englisch zu sprechen, diese jungen Leute. Wie sollten sie auch? Die meisten beherrschen diese Sprache gar nicht. Nach meinen Beobachtungen sprechen viele deutsche Abiturienten schlechter Englisch als in Amsterdam die meisten Taxifahrer und Kellner.

Sie radebrechen Englisch, die von Böss apostrophierten "jüngeren Menschen", sie kauderwelschen. Sie bewegen sich in ihrer sprachlichen Unbeholfenheit allenfalls auf Pidgin-Niveau.



Es geht bei Bemühungen wie denjenigen Ramsauers nicht um das Englische, das in der Tat viele Deutsche besser beherrschen sollten.

Es geht auch nicht darum, daß bestimmte Fachtermini, die nun einmal oft englisch sind, in der jeweiligen deutschen Fachsprache beibehalten werden. Wenn ein Pilot vom touchdown spricht und ein Mediziner ein Borderline-Syndrom diagnostiziert, dann ist dagegen nichts einwenden.

Was Ramsauer bekämpft, das sind dumme, manchmal nachgerade dämliche Anglizismen.

Eine Projektgruppe wird ja nicht dadurch effizienter, daß man ihr den (übrigens der US-Marine entstammenden) Namen "Task Force" aufpappt. Ein Treffen "Meeting" zu nennen, rechtfertigt sich noch nicht einmal durch größere Kürze des Worts, sondern weckt allenfalls Assoziationen zu religiösen Erweckungsveranstaltungen. (Zum ersten Mal habe ich das Wort im Deutschen gelesen, als Billy Graham herübergekommen war, um seine camp meetings zu zelebrieren).

Eine solche Sprache ist albern; sie wirkt unseriös. So etwas hat in einem Ministerium nichts zu suchen. Es wäre vielleicht interessant, einmal herauszufinden, wer von Ramsauers Vorgängern der letzten Jahre (in schnellem Wechsel Franz Müntefering, Reinhard Klimmt, Kurt Bodewig, Manfred Stolpe und Wolfgang Tiefensee; alle SPD) diesen Unsinn angeordnet oder jedenfalls zugelassen hat.



Eine Sprache "rein halten" zu wollen ist freilich ebenso dumm wie diese gedankenlosen Verhunzungen. Alle modernen Sprachen haben Elemente anderer Sprachen aufgenommen; das Deutsche besonders des Lateinischen zur Römerzeit und des Französischen im 17. und 18. Jahrhundert, als es die Kultursprache Europas war. Auch jetzt wird sich das Deutsche unter dem Einfluß des Englischen verändern.

Eine Sprache ist wie ein Club, der gern immer einmal wieder ein neues Mitglied aufnimmt. Aber er sollte das selektiv tun. Ein Club, der wahllos jeden aufnimmt, ja der von sich aus die Dummen und die Blender graptscht, ist ein schlechter Club.

Ich habe mich mit diesem Thema in der Serie Anmerkungen zur Sprache befaßt, vor allem in den Folgen Kleine, gemeine, leise Anglizismen, Ein Prosit an der Symbol-Bar und Denglisch aus Dummheit.



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