1. Dezember 2010

Zettels Meckerecke: "Der Widerstand geht weiter". Eine Schlichtung, die keine war. Stuttgart 21 und die Heiner-Geißler-Show

Der Widerstand geht weiter, das ist klar nach diesem Schlichterspruch

Der Stuttgarter Stadtrat Hannes Rockenbauch (SÖS), auch führend im "Aktionsbündnis der S-21-Gegner", nach einem Bericht des "Handelsblatts" als Reaktion auf den Spruch des Schlichters Heiner Geißler.


Kommentar: Rockenbauch, der für ein Bündnis "Stuttgart ökologisch-sozial" im Stadtrat sitzt, ist eine der führenden Gestalten des Protests gegen Stuttgart 21. Seine Reaktion wirft ein Schlaglicht auf die Situation.

Diese Reaktion zeigt, wie fragwürdig eine "Schlichtung" ist, die nicht den Regeln einer Schlichtung folgt.

Wenn in einem Arbeitskampf eine Schlichtung stattfindet, dann gibt es ein geordnetes Verfahren, nach dem die Konfliktparteien den Spruch annehmen oder ablehnen; ebenso ist es in anderen Bereichen zivilrechtlicher Schlichtung.

Im Fall von Stuttgart 21 ist niemand verpflichtet, sich an irgend etwas zu halten. Was stattfand, hatte ja nicht die Spur einer Rechtsgrundlage. Es war eine für alle Beteiligten unverbindliche Show.

Die Bahn wird aus Imagegründen vermutlich das tun, was Geißler verlangt. Die Gegner von Stuttgart 21 lassen keine Bereitschaft erkennen, den Spruch ihrerseits zu respektieren.

Warum sollten sie auch? Der gesamte Vorgang fand und findet im rechtsfreien Raum statt. Die Planung für Stuttgart 21 ist abgeschlossen; und zwar nach einem Planungs- und Entscheidungsprozeß unter Beachtung aller demokratischen Prinzipien und rechtlichen Vorschriften. Die Protestierer haben sich von vornherein außerhalb des Rechtsstaats gestellt.

Die "Schlichtung" war keine. Da es kein Verfahren gibt, das zu einer Annahme oder Ablehnung des Schlichterspruchs durch die Protestierer führen könnte, dürfen sie weitermachen wie bisher. Und sich über die Publicity freuen, die ihnen die Heiner-Geißler-Show beschert hat.

Man hat sich um dieser Publizität willen vorübergehend auf Argumentieren statt Krakeelen eingelassen. Aber das ist offensichtlich mit dem Tag des Schlichterspruchs vorbei. Jetzt wird erneut auf "Widerstand" geschaltet.

Mag sein, daß es Mitläufer gibt, welche die Schlichtung ernst nehmen und sich ihr jetzt beugen. Wie die Äußerung von Rockenbauch zeigt, denken die Aktivisten nicht daran, das zu tun.



War diese "Schlichtung" ein Präzendenzfall? Wird künftig, wenn beispielsweise irgendwo eine Sozialtherapeuthische Anstalt für Sexualstraftäter beschlossen wurde, der Protest von Bürgern auch zu einer "Schlichtung" führen? Oder beim Bau einer Autobahn, für die das Planfeststellungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden war?

Darf künftig jeder, dem eine nach den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats zustande gekommene Entscheidung nicht behagt, so etwas veranstalten; unter dem Wohlwollen der Medien und mit dem Spektakel einer Live-Sendung?

Es mag sinnvoll sein, die rechtlichen Möglichkeiten für eine Bürgerbeteiligung bei solchen Projekten auszuweiten. Das sei dahingestellt. Aber eben die rechtlichen Möglichkeiten. Und nicht die Möglichkeit, TV-Shows an die Stelle von Recht und Gesetz treten zu lassen.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.