8. Dezember 2010

Marginalie: 2011 erhält die Rosa-Luxemburg-Stiftung 40 Prozent mehr Bundesmittel als 2010. Wofür eigentlich?

Ende vorletzter Woche war in "Welt-Online" eine Meldung zu lesen, in der es hieß:
Im kommenden Jahr wird die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) wesentlich öfter Seminare über Marx und Vorträge über Kapitalismuskritik anbieten können. Mit dem am Freitag im Parlament verabschiedeten Bundeshaushalt 2011 steigt der Etat der RLS für "gesellschaftspolitische und demokratische Bildungsarbeit" um über 40 Prozent. Der von der Koalition aus CDU/CSU und FDP vorgelegte Haushalt lässt die sogenannten Globalzuschüsse für die RLS von 6,641 Millionen Euro auf 9,306 Millionen Euro wachsen.
Hält etwa die Koalition die Bildungsarbeit dieser Stiftung für besonders förderungswürdig? Nein, natürlich nicht. Die Zuschüsse für die sogenannten "parteinahmen Stiftungen" aus Bundesmitteln werden nach deren Wahlergebnissen bei einer Reihe von vorausgehenden Bundestagswahlen festgesetzt.

Teils bekommt die Stiftung der Kommunisten folglich mehr, weil sie bei den Wahlen 2009 gut abgeschnitten haben. Teils aber bekommen sie auch deshalb mehr, weil alle Stiftungen mehr bekommen. Denn, so "Welt-Online":
Während der von der Koalition als „Sparhaushalt“ gefeierte Etat insgesamt um gut vier Prozent sinkt, werden die Zuschüsse an die parteinahen Stiftungen um über drei Prozent ausgedehnt. Damit sichern sich die großen Parteien CDU, CSU und SPD trotz Stimmenverlusten de facto gleich hohe Zuwendungen an "ihre" Stiftungen. Die SPD etwa verlor bei der Wahl 2009 elf Prozentpunkte – doch die Globalzuschüsse an die mit ihr verbundene Friedrich-Ebert-Stiftung steigen 2011 leicht auf 31,249 Millionen Euro.
Es ging also darum, die Zuschüsse für die Stiftungen, die den Wahlverlierern nahestehen, auf dem bisherigen Niveau zu halten. Es wurde in Kauf genommen, daß dadurch die Stiftungen der Gewinner der Wahl vom September 2009 mehr Geld bekommen. Darunter eben auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Der große Sprung nach vorn, den diese Stiftung dadurch in ihren Finanzen macht, hat mich veranlaßt, einmal nachzusehen, wofür sie denn diese Mittel ausgibt.



Nachsehen konnte ich zunächst einmal im Archiv dieses Blogs:
Jack Lemmon sucht sich selbst. Oder wie Kommunisten gegen den Kommunismus kämpfen; ZR vom 3. 7. 2007. Ein Artikel über die Aufarbeitung der DDR durch ausgerechnet Stipendiaten der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Darin ein Zitat der DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld:
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung bot in der Vergangenheit zahlreichen hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern der Staatssicherheit ein Podium und plant solche Veranstaltungen auch in Zukunft. In diesen Diskussionen wird das DDR-Unrecht von den Stasileuten geleugnet und die Rolle der Staatsicherheit verfälscht und geschönt. Nebenbei wird gegen die Verfassungsorgane im vereinten Deutschland gehetzt.
"Mit dem Rückzug ist es vorbei". Igor Maximytschew stellt die Frage von Leben und Tod; ZR vom 10. 10. 2008. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstaltete gemeinsam mit den "Berliner Freunden der Völker Rußlands", deren WebSite Sie sich hier ansehen können, einen Vortragsabend. "Der Vertrag von Brest 1918 und das Problem der europäischen Sicherheit heute". Näheres über diesen Vortrag finden Sie in diesem Artikel in ZR. Der Redner, Igor Maximytschew, war bis 1989 Gesandter an der sowjetischen Botschaft in Ostberlin. Über sein Geschichtsbild können Sie sich auch anhand dieses Vortrags über die Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs informieren.

"Karl Marx hätte seine helle Freude an unserer Partei"; ZR vom 1. 7. 2010. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstaltete eine Tagung "Sozialistische Politik zur Überwindung des Finanzmarktkapitalismus. Schritte zu einem Sozialismus des 21. Jahrhunderts". Aus dem Tagungsprogramm: "Systemkrise des Kapitalismus – neue Ansätze für sozialistische Transformationsperspektiven?"; "Vergesellschaftung des Finanzsektors – Überwindung der Finanzsteuerung in den Unternehmen". Lesenswert der Vortrag der Vorsitzenden der Partei "Die Linke", der in dem Artikel verlinkt ist.

Žižek, Negri und Genossen - die linken Schreibtischtäter; ZR vom 7.7. 2010. Im Juni 2010 fand in Berlin ein Kongreß "Die Idee des Kommunismus - Philosophie und Kunst" statt, finanziert u.a. von der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Unter den Rednern war der Italiener Antonio ("Toni") Negri, der in den siebziger Jahren den bewaffneten Kampf propagiert hatte und wegen seiner Verbindungen zu den Roten Brigaden im Gefängnis gesessen hatte. Es sprach dort auch Slavoj Žižek, der in einem Interview seine politische Haltung so umriß: "Die Sowjets waren die linke Utopie im 20. Jahrhundert. Ich bin gegen die gegenwärtige Form von Staat. Aber es braucht einen globalen Organismus aus Disziplin und Organisierung".

"Ziel unserer Aktion ist es, die Schiene unbrauchbar zu machen". Ein Aufruf zu Rechtsverstößen; ZR vom 14. 10. 2010. Ein Aufruf, in dem es heißt "Am Tag X werden wir mit tausenden unterschiedlichen Menschen durch massenhaftes Schottern, also das Wegräumen von Schottersteinen aus dem Gleisbett, den Castor blockieren", wurde unter anderem von (den?) "Stipendiatinnen und Stipendiaten der Rosa-Luxemburg-Stiftung" unterzeichnet.


Und was steht aktuell auf dem Programm der Rosa-Luxemburg-Stiftung? Zum Beispiel dies:
Am 9. 12. 2010 ein Vortrag mit Diskussion "Sommersonne, Wellenpracht, Badehose, Rätemacht... 11 Jahre Chavez - Ein Bericht aus Venezuela". Aus der Ankündigung: "Wenn der Kampfgeist im harten europäischen Winter eingefroren ist, dann ist es höchste Zeit, sich von der Energie der lateinamerikanischen Basisbewegungen anstecken zu lassen! (...) Für diesen Abend sind AktivistIinnen von Interbrigadas bei der Jungen Panke zu Gast, berichten von ihren Erfahrungen und stellen ihre Analyse der gesellschaftlichen Prozesse in Venezuela zur Diskussion".

Am 10. 12. 2010 ein Vortrag mit Diskussion "Arbeitsverhältnisse im Kapitalismus". Aus der Ankündigung: "Anhand der marxschen Thesen erläutert die Referentin die wesentlichen Merkmale kapitalistischer Arbeitsverhältnisse. Diese sind im Kontrast zur direkten Gewalt der vorkapitalistischen Verhältnisse vermittelt durch die strukturelle Gewalt von Recht und Vertrag. (...) Nach Heide Gerstenberger gehört direkte Gewalt jedoch nicht nur zur Entstehungsgeschichte und zu Krisenperioden des Kapitalismus, sondern prinzipiell zur kapitalistischen Realität".

Ab Februar 2011 Kapitalkurse "Das Kapital lesen und verstehen". Aus der Ankündigung: "Seit 2006 finden in der Rosa-Luxemburg-Stiftung Kapital-Kurse statt. In wöchentlichen Treffen wird das Hauptwerk von Karl Marx, Das Kapital, gemeinsam diskutiert. (...) Um die Kapital-Lektüre herum kreisen übers Jahr verteilt verschiedene "Satellitenseminare". Hier werden ausgewählte Probleme und Fragen zum Kapital und darüber hinaus vertieft: Wie unterscheiden sich herrschende Wirtschaftstheorien von der Marx'schen Kritik der Politischen Ökonomie? Wie steht es um die Möglichkeit, mit Marx die Geschlechterverhältnisse kritisch zu reflektieren? Wie lassen sich ökologische Fragen mit und im Anschluss an Marx diskutieren? Und nicht zuletzt: Welchen Spielraum haben soziale Auseinandersetzungen angesichts der von Marx analysierten Handlungsstrukturen?"
"Soziale Auseinandersetzungen" schreiben sie verschämt, wenn sie "Klassenkampf" meinen. Soviel Anpassung muß wohl schon sein, wenn man sich aus Mitteln der Steuerzahler alimentiert.



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