15. Dezember 2010

Marginalie: Guttenberg besuchte die kämpfende Truppe. Die Linke empört sich. Warum?

Wenn ein trivialer, wenn ein ganz und gar harmloser Sachverhalt bei Politikern empörte Reaktionen auslöst, dann sollte man hellhörig werden.

Bei "Zeit-Online" ist im Augenblick der meistkommentierte (200 Kommentare) Artikel dieser: "Scharfe Kritik an Guttenbergs Kundus-Besuch".

Zitiert werden dort Äußerungen über den Besuch des Ministers wie zum Beispiel: "plumpe Eigen-PR" (Claudia Roth), "Staatsschauspieler" (Andrea Nahles) und "Ich finde, Frau Katzenberger fehlt noch. Da hätten wenigstens die Soldaten was davon" (Sigmar Gabriel, der es meist noch eine Etage tiefer schafft als die anderen).

Die "Deutsche Welle" - der Sender also, den der deutsche Steuerzahler dafür bezahlt, Deutschland für ausländische Hörer und Internetnutzer positiv darzustellen - betitelt seine gestrige Presseschau zu diesem Thema "Peinliches Fronttheater" und reiht einen kritischen Kommentar an den anderen, bevor es genüßlich heißt "Klar hinter den Verteidigungsminster stellen sich einige der kleineren Blätter, so die Cellesche Zeitung".

Was hat sich zugetragen? Sie können es auf der WebSite des Verteidigungsministeriums lesen. Sachlich berichtete darüber am Montag beispielsweise auch "Focus":
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat am Montag gemeinsam mit seiner Ehefrau Stephanie die in Nordafghanistan stationierten Bundeswehrsoldaten besucht. Nach einem Zwischenstopp beim Regionalkommando Nord in Masar-i-Scharif reiste das Ehepaar nach Angaben des Verteidigungsministeriums ins Feldlager Kundus. (...)

Begleitet wurde Guttenberg auch von den Ministerpräsidenten David McAllister aus Niedersachsen und Wolfgang Böhmer aus Sachsen-Anhalt (beide CDU). Zur Delegation zählte weiterhin der Fernsehmoderator Johannes B. Kerner, der in Kundus für den TV-Sender Sat 1 eine Talkshow mit Guttenberg und den Soldaten produzieren wollte.
Das ist alles. Ein Verteidigungsminister besucht vor Weihnachten die kämpfende Truppe. Er wird von einem TV-Team begleitet, weil vor Ort ein Gespräch des Ministers mit Soldaten aufgezeichnet werden soll. Er wird von seiner Ehefrau begleitet. Er wird von Ministerpräsidenten aus zwei Bundesländern begleitet, in denen viele der in Afghanistan kämpfenden Soldaten ihre Standorte haben.

Guttenberg hat seine Frau mitgenommen, so wie Staatschefs, Regierungschefs und Minister ihre Frauen oft zu wichtigen Reisen mitnehmen. Er hat den Journalisten Johannes B. Kerner und sein Team mitgenommen, so wie fast immer Journalisten mitgenommen werden.

Auch in Krisengebiete. Manchmal schickt eine Präsident sogar seine Frau auf eine eigene Mission; so zum Beispiel Bill Clinton die First Lady Hillary, die 1996 im Auftrag ihres Mannes die US-Truppen in Bosnien besuchte. Begleitet von ihrer Tochter Chelsea, dem Comedian Sinbad und der Sängerin Sheryl Crow, die vor den Soldaten auftraten.

Als über diesen Besuch im Wahlkampf 2008 debattiert wurde, kam niemand auf den Gedanken, die Reise der First Lady also solche zu kritisieren oder die Zusammensetzung ihrer Begleitung zu bemängeln. Beanstandet wurde nur, daß Clinton im Nachhinein zu Unrecht behauptet hatte, man sei in Tusla unter dem Feuer von Heckenschützen dem Flugzeug entstiegen.



Warum also dieses Tamtam um die Reise des Ministers Freiherr zu Guttenberg?

Vordergründig geht es um den Vorwurf der Selbstdarstellung. Politiker, die sich ständig ins Rampenlicht drängen, werfen dem Minister vor, sich ins Rampenlicht zu drängen. Wenn ausgerechnet Claudia Roth dem Minister Guttenberg "plumpe Eigen-PR" ankreidet, dann hat das schon etwas von Realsatire an sich.

Tucholsky hat geschrieben, nichts sei verächtlicher, als wenn Literaten Literaten Literaten nennen. So ist es auch, wenn Selbstdarsteller Selbstdarsteller Selbstdarsteller nennen.

Gewiß ist der Freiherr zu Guttenberg ein glänzender Selbstdarsteller. Ich habe ihn deshalb anfangs unterschätzt (Zettels Meckerecke: Guttenberg hier! Guttenberg da! Guttenberg oben! Guttenberg unten! Guttenberg hüben! Guttenberg drüben! Guhuhuttenberg!; ZR vom 18. 3. 2009). Aber es zeigte sich dann, daß er gute Arbeit als Wirtschaftsminister leistete, und er ist jetzt ein guter Verteidigungsminister.

Ein Minister also, der weiß, wie wichtig es für Soldaten ist, daß ihre schwierige und gefährliche Arbeit anerkannt wird. Ein Zeichen der Anerkennung und der Fürsorge für die Truppe ist ein solcher Besuch; Ausdruck des Respekts vor dem, was die Soldaten für uns leisten.

Und hier dürfte wohl ein zweiter Grund für die Häme zu suchen sein, mit der linke Kritiker den Besuch des Ministers bei unseren Soldaten kommentieren.

Die Kommunisten lehnen den Afghanistan-Einsatz ganz ab. Die Grünen und die SPD stimmen ihm mehrheitlich zähneknirschend zu, weil man ihn, als man regierte, selbst beschlossen hat.

Aber damals stand man unter dem Eindruck von 9/11. Deutschland konnte sich nicht völlig der Solidarität mit den USA verschließen, aber man wollte diese in Gestalt einer friedenserhaltenden Mission nach beendetem Kampf üben; mit einer nach Afghanistan entsandten Truppe, die Brunnen gräbt und bei der Einrichtung von Schulen hilft. Militär light, wie man es als Linke gerade noch akzeptieren konnte.

Nun aber stehen unsere Soldaten im Kampf. Die Reise des Ministers unterstreicht das. Seine Frau hat ein Feldlazarett besucht. Mit seinem Besuch würdigt der Minister das, was diese kämpfende Truppe leistet. Das sehen viele Linke mit Argwohn, die - anders als übrigens die Mehrheit der Bevölkerung - noch immer kein normales Verhältnis zum Militär haben.

Ihre schwierige Arbeit in Afghanistan sollen sie machen, unsere Soldaten, wenn es denn sein muß. Aber daß das von einem Minister ostentativ gewürdigt wird, das mißfällt. Zumal, wenn die Bundesregierung gerade ihren aktuellen Bericht zur Lage in Afghanistan vorgelegt hat und demnächst die Verlängerung des Mandats der Bundeswehr zur Abstimmung im Bundestag ansteht.



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