24. Juli 2007

Der seltsame deutsche Antiamerikanismus

Ein aktueller - noch keine vier Wochen alter - Bericht des Pew Research Center enthält Umfragedaten, die weitweit erhoben wurden. Unter anderem wurde in 47 Ländern gefragt, ob man die USA eher positiv oder eher negativ sehe. Der gedruckte "Spiegel" dieser Woche bringt (S. 31) einen Auszug aus den Umfrage- Ergebnissen.

Danach ist die Meinung über die USA in keinem der berücksichtigten europäischen Länder so negativ wie in Deutschland.

Negativer ist das Bild der USA nur noch in diesen Ländern: Indonesien, Malaysia, Ägypten, Jordanien, Argentinien, Marokko, Pakistan, Palästinensergebiete, Türkei.



Gewiß, es handelt sich um eine Momentaufnahme.

Gewiß, die Antworten fallen deutlich positiver aus, wenn man nicht nach den "USA" fragt, sondern nach den "Amerikanern".

Dennoch, das Faktum bleibt, daß in Deutschland nach dieser Umfrage ein erschreckender Anti- Amerikanismus herrscht.



Das ist seltsam. Deutschland ist kein islamisches Land, wie fast alle, in denen der Anti- Amerikanismus noch größer ist.

Deutschland ist andererseits ein Land, das immer wieder von der Großzügigkeit, von der Freundschaft der USA profitiert hat.

Nach 1945 wurde in der US-Zone nicht demontiert, sondern es gab Hilfe für hungernde Kinder (sogenannte "Schulspeisung", ich habe sie jahrelang gegessen), es gab die Amerika- Häuser. Es gab schließlich vor allem den Marshall- Plan. Es gab die Luftbrücke, die das blockierte Berlin rettete.

Die USA haben auch später die Freiheit Westberlins verteidigt und sind dabei bis an den Rand eines Kriegs gegangen.

Die USA waren die einzige westliche große Macht, die die deutsche Wiedervereinigung bedingungslos unterstützt hat; ganz anders als Frankreich und England.



Wir Deutsche können uns über die USA wahrhaftig nicht beklagen. Aber mit einer Zweidrittel- Mehrheit beurteilen wir sie negativ. Wie kommt das?

Natürlich ist das eine Frage für die empirische Sozialforschung. Ich möchte nur einige Hypothesen nennen und sagen, für wie plausibel ich sie jeweils halte.

1. Es liegt an der Politik der Bush- Administration. Bewertung: Diese ist zwar sehr wahrscheinlich am weltweiten Anstieg des Anti- Amerikanisms beteiligt. Aber eben des weltweiten. Den extrem hohen gegenwärtigen Anti- Amerikanismus gerade in Deutschland erklärt es nicht. Also unplausibel.

2. Es liegt an der anti- amerikanischen Propaganda, wie sie in den deutschen Medien und im Bildungswesen weit verbreitet ist. In den Politmagazinen der Öffentlich- Rechtlichen zum Beispiel; an vielen Universitäten, an vielen Schulen. Bewertung: Ein Faktor, der eine Rolle spielen dürfte, vor allem in Wechselwirkung mit dem ersten Faktor. Bush liefert der anti- amerikanischen Agitation Material frei Haus, und diese nutzt es.

3. Die immer noch kurze demokratische Tradition, das immer noch mangelhafte demokratische Denken in Deutschland. Bewertung: Dies könnte ein entscheidender Faktor sein.

Ähnlich wie in islamischen Ländern gibt es in Deutschland eine Tradition darin, die Welt in Gut und Böse, in Freund und Feind einzuteilen. Dieses undemokratische Denken wurde durch die sogenannte "Demokratisierung" nach 1968 keineswegs vermindert, sondern im Gegenteil gestärkt. Kapitalismus schlecht, Sozialismus gut. Die da oben schlecht, wir da unten gut. Und so fort.

Hypothese: So, wie die beiden ersten Faktoren einander verstärken, so könnte dieses Denken in manichäischen Kategorien wiederum mit jedem der beiden interagieren. Eine negative Grundhaltung zu den USA gibt es in vielen Ländern, aber sie wird dort nicht verstärkt durch eine einseitige Medien- Propaganda. Deren Wirkung wiederum durch die deutsche Neigung zum undemokratischen Denken verstärkt wird.



Gegen Ende 2001 haben meine Frau und ich ein Konzert von Konstantin Wecker besucht. Er bedauerte am Anfang den Anschlag vom 11. September und legte dann los mit seinem anti- amerikanischen Programm; Anti- Amerikanismus pur nicht nur in den Liedern, sondern vor allem auch in den gesprochenen Zwischentexten.

Nun gut, so ist Konstantin Wecker. Das, was mich aber wirklich erschreckt hat, war die Reaktion des - überwiegend jungen - Publikums. Je anti- amerikanischer eine Äußerung, umso größer der Jubel. Der manchmal an eine kollektive Besoffenheit erinnerte, wie bei der Sportpalast- Rede von Goebbels. Nur einige wurden immer stiller und rührten keine Hand mehr. Ich bin der Pause gegangen.

Da war er förmlich zu spüren, dieser Mangel an demokratischer Reife in Deutschland. Die Großväter dieser jungen Leute hatten den Nazi- Rednern zugejubelt, wenn sie gegen die "US-Plutokraten" zu Felde zogen. Diese jetzigen Gegner der USA ließen eine ähnliche Mentalität erkennen, auch wenn sie sich als Linke verstanden haben dürften und die damaligen "Plutokraten" jetzt "Imperialisten" oder "Neoliberale" nennen.

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