9. Juli 2009

Was hat Barack Obama eigentlich in Moskau erreicht? Die Analyse eines Militärexperten

Mit Barack Obama ist viel heller Sonnenschein in die internationalen Beziehungen eingekehrt. Wo immer er hinkommt, streckt er die Hand aus, ob gegenüber dem Islam, wie in der Rede von Kairo, ob gegenüber Hugo Chávez, oder ob jetzt in Moskau gegenüber Medwedew und Putin.

Und man schüttelt einander die Hand, wenngleich manchmal auf eine etwas eigenartige Weise, wie auf diesem kuriosen Foto zu sehen. Man wurde, wie der "Tagesspiegel" gestern Präsident Obama zitierte, von "Rivalen zu Partnern". Ein Abrüstungsabkommen wurde beschlossen, wenigstens in Form von Absichtserklärungen.

Wie schön kann doch die Welt sein, wenn ein guter Mensch an den Schalthebeln der Macht sitzt!



Oder doch nicht? Könnte es sein, daß die strategischen Interessen, die militärstrategischen zumal, von Wladimir Putin immer noch dieselben sind wie in jener schnöden Zeit, als sein Rivale - nicht Partner - noch George W. Bush hieß?

Das jedenfalls meinte der amerikanische Militärexperte Ralph Peters vorgestern in der New York Post. Peters weiß, worüber er schreibt: Er ist Oberstleutnant im Ruhestand, hat als Spezialist für die Sowjetunion lange Jahre für den militärischen Nachrichtendienst gearbeitet und war nach dem Ende der Sowjetunion zeitweise in Moskau stationiert.

Aus Peters' Sicht ist es das außenpolitische Ziel Putins, die mit dem Ende der UdSSR verlorengegangene strategische Gleichrangigkeit zwischen Rußland und den USA wieder herzustellen. Dazu muß er einerseits Rußland aufwerten, andererseits versuchen, die strategischen Möglichkeiten der USA einzuschränken.

Eine kritische Rolle bei diesem letzteren Vorhaben spielen die sogenannten "dual- use"- Waffensysteme. Das sind solche Systeme, die zum Abschuß nuklearer Waffen eingesetzt werden können, die aber auch für den konventionellen Einsatz geeignet sind; beispielsweise U-Boote und die B-2-Bomber der US-Luftwaffe.

Wird deren Anzahl reduziert, dann - so Peters - ist ein entscheidender strategischer Vorteil der USA gegenüber Rußland gefährdet: Die Fähigkeit zum weltweiten Eingreifen.

Und genau darum gehe es Putin. In den Medien wurde hauptsächlich über die vereinbarte Reduktion der Zahl der atomaren Sprengköpfe berichtet. Diese, meint Peters, sind aber relativ belanglos. Die USA werden ja Rußland nicht angreifen; und das weiß Putin. Für Rußland interessant ist die Verringerung der Zahl der Trägersysteme.

Interessant ist sie zum einen für Putin deshalb, weil Rußland dabei weniger Federn lassen muß als die USA. Denn die großen, schweren Raketen der Russen tragen mehr Sprengköpfe als die kleineren, leichteren der USA. In der Tat: Wie die New York Times am Montag berichtete, verfügen die USA über 1.198 Träger für rund 2.200 atomare Sprengköpfe. Die Russen haben nur 816 Träger, aber bestückt mit 2000 bis 3000 Sprengköpfen.

Wenn - wie es jetzt im Gespräch ist - die Zahl der Träger auf bis zu 500 reduziert werden soll, dann würden die USA also ihr Arsenal mehr als halbieren müssen; die Russen das ihrige nur vergleichsweise geringfügig verringern. Und zweitens würden den USA U-Boote und Bomber verlorengehen, die sie für weltweites konventionelles Eingreifen nutzen können.

Auch sonst sieht Peters wenig für die USA Erfreuliches in dem, was jetzt in Moskau als Absichten dargelegt wurde.

Rußland will den USA großzügig Überflugrechte für die Versorgung ihrer Truppen in Afghanistan einräumen. Aber zum einen liegt der Kampf gegen die Taliban und vor allem gegen den Opiumanbau und Heroinhandel im Interesse Rußlands selbst; die USA holen, meint Peters, im Grunde in Afghanistan für die Russen die Kohlen aus dem Feuer.

Und zum anderen machen sich die USA von Rußland abhängig, wenn sie künftig für die Versorgung ihrer Truppen auf diese Erlaubnis der Russen angewiesen sein werden. Es wird damit für die USA schwerer werden, Rußland noch Einhalt zu gebieten, wenn es die alte Position der UdSSR in Osteuropa wieder herzustellen versucht; in der Ukraine beispielsweise, in Georgien.



Das klingt alles ziemlich unerfreulich. Und in der Tat ist Peters pessimistisch, was die Außen- und Militärpolitik der Regierung Obama angeht:
There's been a debate in the Obama administration between veterans who learned the hard way not to trust the Russians and the new, unblooded idealists. Now we know who won.

Great news for the Russian Federation. Bad news for America. Until an adoring media spins it, of course.

Es gibt in der Regierung Obama eine Debatte zwischen Veteranen, die aus harter Erfahrung gelernt haben, den Russen nicht zu trauen, und den neuen, von Erfahrungen unbeleckten Idealisten. Jetzt wissen wir, wer gewonnen hat.

Eine ausgezeichnete Nachricht für die Russische Föderation. Eine schlechte Nachricht für Amerika. Natürlich nur solange, wie ehrfurchtsvolle Medien es nicht ins Gegenteil verdrehen.



Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Gorgasal. Titelvignette: Fahne der Raketentruppe der Russischen Föderation. Copyrighfrei aufgrund Teil IV des Zivilgesetzbuchs - Nr. 230-FZ - der Russischen Föderation vom 18. Dezember 2006.