Ein Somalier verdient, so kann man es in der Internet- Ausgabe des Wired Magazine lesen, im Durchschnitt sechshundert Dollar im Jahr. Der einfache somalisiche Pirat verdient um die zehntausend Dollar. Piraterie ist also eine einträgliche Branche.
Jedenfalls die Piraterie der Somalier. Denn sie haben ein neues Geschäftsmodell entwickelt. Statt, wie ihre Vorgänger über die Jahrtausende, Schiffe auszurauben, kapern sie das ganze Schiff, um für seine Freigabe Lösegeld zu erpressen.
Dieses neue Geschäftsmodell ist derart erfolgreich, daß sich der Profit pro gekapertem Schiff seit 2005 verhundertfacht hat, schreibt Wired Magazine. Die Zockerei der Finanz- Bankiers ist ein Klacks dagegen.
Erfolgreich ist ein Geschäftsmodell nur dann, wenn es von den Geschäftspartnern akzeptiert wird. Die Geschäftspartner der Piraten sind Reeder, Versicherungen und die Seestreitkräfte, die vor der Küste Somalias kreuzen.
Diese letzteren wollen, können oder dürfen mit den Piraten nicht so umspringen, wie es das Schicksal früherer Piraten war: Wer als Pirat aufgegriffen wurde, der hatte sein Leben verwirkt. Meist wurde der Pirat aber gar nicht aufgegriffen, sondern starb im Seegefecht.
Heute wird jedes Gefecht peinlich vermieden; gewaltsame Befreiungsaktionen sind seltene Ausnahmen. Erwischt ein patroullierendes Schiff Piraten auf frischer Tat, dann vertreibt man sie. Das heißt, sie kehren zu ihrem Stützpunkt zurück und werten die Erfahrung aus, um es beim nächsten Mal besser zu machen.
Soviel zum Kampf gegen die Piraterie; kürzlich hörte ich einen Kommentator sagen, es dürfe gar kein Militär eingesetzt werden, vielmehr sei die Polizei zuständig. Schimanski jagt Piraten; ein erheiternder Gedanke.
Was die Reeder und Versicherer angeht, so sind sie zuverlässige Geschäftspartner der Piraten. Denn sie verlieren weit mehr Geld, wenn sie nicht zahlen und dadurch das Schiff lange Zeit festsitzt, als wenn sie es möglichst bald auslösen. Für welchen Preis? Für den jeweiligen Marktpreis, an den sich die Piraten herantasten, indem sie zunächst ein Vielfaches (siehe unten) dessen verlangen, was sie gern erlösen würden.
So sind alle Seiten zufrieden: Die Geschäftspartner glauben, den Preis drastisch heruntergehandelt zu haben. Die Piraten bekommen einen nicht nur kostendeckenden, sondern vielmehr einen Preis, der einen hübschen Profit garantiert. Davon wird ein Teil an die Mitarbeiter ausgeschüttet; ein großer Teil wird aber reinvestiert: In schnellere Boote, bessere Waffen, vor allem auch eine Verbesserung der Kommunikations- Struktur.
Das Wired Magazine pflegt gründlich zu recherchieren. Also erschien vergangenen Dienstag zusätzlich zu dem Artikel, dem ich die obigen Informationen im wesentlichen entnommen habe, ein Interview mit einem Piraten.
Der umherschweifende Reporter Scott Carney, der es geführt hat (Spezialgebiet: Recherchen im Bereich des internationalen organisierten Verbrechens), versichert, daß die publizierte Version wörtlich mit dem Gespräch übereinstimmt, das er mit einem - natürlich anonym bleibenden - somalischen Oberpiraten geführt hat.
Den Erfolg des Geschäftsmodells erläuter der Pirat so:
Die Angriffe sind militärisch organisiert. Beteiligt sind zwölf Mann, je sechs im Angriffsboot und in einem Reserveboot, das bereitsteht, falls es Probleme gibt. In der Regel gibt es aber keine Probleme: Potentielle Opfer werden mit "sophisticated equipment" (hochwertigen Geräten) geortet. Zunächst schwingt sich ein besonders kletterfähiger Pirat an Bord. Er wirft ein Tau oder eine Strickleiter nach unten, zur Bequemlichkeit derer, die ihm folgen.
"It works best when he is'nt resisted" - am besten klappe das, wenn der Erstkletterer auf keinen Widerstand treffe. Tja, das kann man sich denken.
Billig ist eine solche Operation nicht. Für einen einzigen Angriff mit zwölf Mann müsse man, sagt der Pirat, rund dreißigtausend Dollar rechnen. Und nur bei einem von drei oder vier Angriffe hätte man Glück, d.h. erwische ein westliches Schiff und/oder ein Schiff mit wertvoller Fracht.
Das rechnet sich also erst, wenn die Lösgelder deutlich über hunderttausend Dollar liegen. Hinzu kommt die Gefahr. Manchmal verhungert eine Mannschaft auf offener See oder ertrinkt, wenn sie ein Schiff zu entern versucht.
Und Widerstand der Besatzung? Ja, auch dadurch könne jemand umkommen, meint der Pirat. Am wenigsten fürchten sich die Piraten vor den kreuzenden Schiffen der internationalen Kriegflotten. Denn man greife ein Schiff erst dann an, wenn man durch Aufklärung sicher sei, daß kein Kriegsschiff in der Nähe ist. Erst ein einziges Mal seien Piraten durch Militär zu Schaden gekommen, als französische Spezialeinheiten gegen sie vorgingen.
Und die Geiseln? Unter welchen Umständen man sie töten würde, fragte Scott Carney. Antwort:
Jedenfalls die Piraterie der Somalier. Denn sie haben ein neues Geschäftsmodell entwickelt. Statt, wie ihre Vorgänger über die Jahrtausende, Schiffe auszurauben, kapern sie das ganze Schiff, um für seine Freigabe Lösegeld zu erpressen.
Dieses neue Geschäftsmodell ist derart erfolgreich, daß sich der Profit pro gekapertem Schiff seit 2005 verhundertfacht hat, schreibt Wired Magazine. Die Zockerei der Finanz- Bankiers ist ein Klacks dagegen.
Erfolgreich ist ein Geschäftsmodell nur dann, wenn es von den Geschäftspartnern akzeptiert wird. Die Geschäftspartner der Piraten sind Reeder, Versicherungen und die Seestreitkräfte, die vor der Küste Somalias kreuzen.
Diese letzteren wollen, können oder dürfen mit den Piraten nicht so umspringen, wie es das Schicksal früherer Piraten war: Wer als Pirat aufgegriffen wurde, der hatte sein Leben verwirkt. Meist wurde der Pirat aber gar nicht aufgegriffen, sondern starb im Seegefecht.
Heute wird jedes Gefecht peinlich vermieden; gewaltsame Befreiungsaktionen sind seltene Ausnahmen. Erwischt ein patroullierendes Schiff Piraten auf frischer Tat, dann vertreibt man sie. Das heißt, sie kehren zu ihrem Stützpunkt zurück und werten die Erfahrung aus, um es beim nächsten Mal besser zu machen.
Soviel zum Kampf gegen die Piraterie; kürzlich hörte ich einen Kommentator sagen, es dürfe gar kein Militär eingesetzt werden, vielmehr sei die Polizei zuständig. Schimanski jagt Piraten; ein erheiternder Gedanke.
Was die Reeder und Versicherer angeht, so sind sie zuverlässige Geschäftspartner der Piraten. Denn sie verlieren weit mehr Geld, wenn sie nicht zahlen und dadurch das Schiff lange Zeit festsitzt, als wenn sie es möglichst bald auslösen. Für welchen Preis? Für den jeweiligen Marktpreis, an den sich die Piraten herantasten, indem sie zunächst ein Vielfaches (siehe unten) dessen verlangen, was sie gern erlösen würden.
So sind alle Seiten zufrieden: Die Geschäftspartner glauben, den Preis drastisch heruntergehandelt zu haben. Die Piraten bekommen einen nicht nur kostendeckenden, sondern vielmehr einen Preis, der einen hübschen Profit garantiert. Davon wird ein Teil an die Mitarbeiter ausgeschüttet; ein großer Teil wird aber reinvestiert: In schnellere Boote, bessere Waffen, vor allem auch eine Verbesserung der Kommunikations- Struktur.
Das Wired Magazine pflegt gründlich zu recherchieren. Also erschien vergangenen Dienstag zusätzlich zu dem Artikel, dem ich die obigen Informationen im wesentlichen entnommen habe, ein Interview mit einem Piraten.
Der umherschweifende Reporter Scott Carney, der es geführt hat (Spezialgebiet: Recherchen im Bereich des internationalen organisierten Verbrechens), versichert, daß die publizierte Version wörtlich mit dem Gespräch übereinstimmt, das er mit einem - natürlich anonym bleibenden - somalischen Oberpiraten geführt hat.
Den Erfolg des Geschäftsmodells erläuter der Pirat so:
Once you have a ship, it’s a win-win situation. We attack many ships everyday, but only a few are ever profitable. No one will come to the rescue of a third-world ship with an Indian or African crew, so we release them immediately. But if the ship is from Western country or with valuable cargo like oil, weapons or [the like] then its like winning a lottery jackpot. We begin asking a high price and then go down until we agree on a price.Die anfängliche Forderung liege ungefähr beim Zehnfachen dessen, was die Piraten sich wirklich als Lösegeld erwarten.
Wenn wir erst einmal ein Schiff haben, können wir nur noch gewinnen. Wir greifen jeden Tag viele Schiffe an, aber nur wenige sind überhaupt profitabel. Niemand wird ein Schiff aus der Dritten Welt mit einer indischen oder afrikanischen Besatzung auslösen; also lassen wir es sofort wieder frei. Aber wenn das Schiff aus einem westlichen Land kommt oder eine wertvolle Ladung wie Öl, Waffen oder [dergleichen] hat, dann ist das, wie wenn man in der Lotterie den Jackpot knackt. Wir verlangen zunächst einen hohen Preis und gehen dann herunter, bis wir uns auf einen Preis verständigen.
Die Angriffe sind militärisch organisiert. Beteiligt sind zwölf Mann, je sechs im Angriffsboot und in einem Reserveboot, das bereitsteht, falls es Probleme gibt. In der Regel gibt es aber keine Probleme: Potentielle Opfer werden mit "sophisticated equipment" (hochwertigen Geräten) geortet. Zunächst schwingt sich ein besonders kletterfähiger Pirat an Bord. Er wirft ein Tau oder eine Strickleiter nach unten, zur Bequemlichkeit derer, die ihm folgen.
"It works best when he is'nt resisted" - am besten klappe das, wenn der Erstkletterer auf keinen Widerstand treffe. Tja, das kann man sich denken.
Billig ist eine solche Operation nicht. Für einen einzigen Angriff mit zwölf Mann müsse man, sagt der Pirat, rund dreißigtausend Dollar rechnen. Und nur bei einem von drei oder vier Angriffe hätte man Glück, d.h. erwische ein westliches Schiff und/oder ein Schiff mit wertvoller Fracht.
Das rechnet sich also erst, wenn die Lösgelder deutlich über hunderttausend Dollar liegen. Hinzu kommt die Gefahr. Manchmal verhungert eine Mannschaft auf offener See oder ertrinkt, wenn sie ein Schiff zu entern versucht.
Und Widerstand der Besatzung? Ja, auch dadurch könne jemand umkommen, meint der Pirat. Am wenigsten fürchten sich die Piraten vor den kreuzenden Schiffen der internationalen Kriegflotten. Denn man greife ein Schiff erst dann an, wenn man durch Aufklärung sicher sei, daß kein Kriegsschiff in der Nähe ist. Erst ein einziges Mal seien Piraten durch Militär zu Schaden gekommen, als französische Spezialeinheiten gegen sie vorgingen.
Und die Geiseln? Unter welchen Umständen man sie töten würde, fragte Scott Carney. Antwort:
Hostages — especially Westerners — are our only assets, so we try our best to avoid killing them. It only comes to that if they refuse to contact the ship’s owners or agencies. Or if they attack us and we need to defend ourselves.Nicht wahr, da kann man nicht meckern. Faire Geschäftsleute sind sie, die Piraten aus Somalia.
Geiseln - vor allem westliche - sind unser einziger Aktivposten, also geben wir uns große Mühe, sie nicht zu töten. Dazu kommt es nur, wenn sie sich weigern, den Schiffseigner oder Agenturen zu kontaktieren. Oder wenn sie uns angreifen und wir uns verteidigen müssen.
Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Gorgasal. Titelvignette: Piratenflagge; von den Autor Manuel Strehl und jlandin unter GNU Free Documentation License, Version 1.2 freigegeben.