1. Oktober 2008

Zettels Meckerecke: Führt Frankreich eine Kaloriensteuer ein?

Eigentlich kann ich nicht meckern. Denn das, worüber zu meckern sich lohnt, findet nicht statt.

Naja, sagen wir: Es findet vorerst nicht statt. Dies ist im Augenblick in der Internet- Ausgabe des Nouvel Observateur zu lesen:
La ministre de la Santé Roselyne Bachelot a écarté mardi 30 septembre l'idée avancée par un rapport parlementaire de taxer davantage la "malbouffe" et d'abaisser en contrepartie la TVA sur les fruits les légumes. "La démarche est intéressante (mais) nous sommes dans une période difficile sur le plan économique et taxer un certain nombre de produits reviendrait à taxer les plus faibles", a estimé Roselyne Bachelot sur Canal+.

Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot hat am Dienstag, dem 30. September die im Bericht eines Parlaments- Ausschusses vorgetragene Idee zurückgewiesen, "minderwertige Nahrung" (malbouffe, man kann das auch mit "Fraß" übersetzen) stärker zu besteuern und im Gegenzug die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse zu senken. "Der Vorstoß ist interessant, (aber) wir befinden uns in einer wirtschaftlich schwierigen Situation, und bestimmte Produkte zu besteuern hieße die Schwächsten besteuern", meinte Roselyne Bachelot auf [dem Sender] Canal+.
Wie schön! Vorläufig bleibt es den Franzosen also (wahrscheinlich, wenn die Abgeordneten der Ministerin folgen) erspart, ihre geliebte Crème Fraîche, die Foie Gras, die Pieds de Cochon und alle die kalorienlastigen Gerichte aus der Auvergne teurer bezahlen zu müssen, wohingegen sie für Bananen, Kartoffeln und Artischocken weniger auszugeben brauchten.

Freilich, nur "pour l'instant" wolle sie diesen Vorschlag nicht aufnehmen, nicht im Augenblick, sagte die Ministerin. Man wird also sehen. On verra.

Wie kommt man auf einen so lustigen Einfall? Wegen der Volksgesundheit. Denn es geht um den Kampf gegen das Übergewicht. Einen Kampf, der, folgen wir der Kommission, nicht nur mit dem Mittel der Steuerpolitik geführt werden soll. Ein anderer von nicht weniger als 83 Vorschlägen, die man sich ausgedacht hat, ist ein Verbot der Werbung für süße Getränke und sonstiges Kalorienhaltiges in Programmen für Kinder und Jugendliche.



Ja, ist das denn nicht richtig? Sollten vor allem Kinder und Jugendliche nicht lieber gesundes Obst essen und zum Frühstück ein supergesundes Müsli, statt Schokolade und Chips zu mampfen und dazu Cola zu trinken?

Aber ja. Sie sollten. Sie sollten auch wandern, statt am Computer zu spielen. Wir alle sollten gute Literatur lesen, statt schlechter Bestseller. Wir sollten gottesfürchtig leben, statt in Sünde. Wir sollten alle eine demokratische Partei wählen, statt Kommunisten oder Neonazis.

Wir sollten immer das Vernünftige, das Gesunde, das kulturell wertvolle, das politisch Correcte tun.

Aber was zum Geier geht es den Staat an, ob wir diesem Sollen folgen? Ist er denn unser Arzt, unser Lehrer, unser Priester und unser Marcel Reich-Ranicki in Personalunion?



Nicht, daß es solche Vorstöße gibt, finde ich schlimm. Macht ist süß, fast so süß wie Knabbereien, und Politiker wollen Macht ausüben. Schlimm finde ich, daß dergleichen heutzutage keinen Widerspruch mehr auslöst, keine Empörung.

Allenfalls von Seiten der jeweils betroffenen Industrie. Jean- René Buisson, Chef des französischen Verbands der Lebensmittel- Industrie, hat gegen die geplanten Steuermaßnahmen heftigen Protest angemeldet.



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