26. Oktober 2008

Zettels Meckerecke: Ypsilanti in der Falle. Vorbei mit dem "glanzvollen Theater"

Wie schafft man es als Sozialdemokrat, zugleich von Wählern der linken Mitte gewählt zu werden und mit den Kommunisten zusammenzuarbeiten? Ganz einfach: Man macht es eben nicht zugleich.

Man gewinnt, erster Akt, die Wähler der linken Mitte, indem man hoch und heilig verspricht - indem man garantiert -, daß man nicht mit den Kommunisten zusammenarbeiten wird. Zweiter Akt: Nachdem man deren Stimme eingesackt hat - sie können sie ja nicht mehr zurückholen - , arbeitet man mit den Kommunisten zusammen.

Als Frau Ypsilanti es so machte, hat sie Dasjenige in die Tat umgesetzt, was der Politologe Franz Walter für die Kunst des Politischen hält, nämlich das geschickte Lügen; oder, in Walters Diktion, "Irreführung, Maskerade, das glanzvolle Theater".

Sie hat zugleich aber auch eine Falle gebastelt, in der sie nun selber hockt.



Keine Art von Verbrechern sind so mobil wie die Hochstapler und Betrüger. Sie "treten auf", verschwinden, sind kurz danach woanders am Werk. Der Grund liegt auf der Hand: Betrug und Hochstapelei funktionieren nur, solange man den Betrüger, den Hochstapler für ehrlich hält.

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's gänzlich ungeniert, was zwar nicht Wilhelm Busch dichtete, sondern vermutlich Werner Kroll. Wahr bleibt's. Aber wahr bleibt eben auch, daß mit der gewonnenen Ungeniertheit das Vertrauen verloren ist, dem man den erfolgreichen Coup verdankt hatte.

Der Hochstapler also "begibt sich weiter fort bis an einen andern Ort". Und das ist nun wirklich von Wilhelm Busch. Andrea Ypsilanti, mit ihrem ruinierten Ruf, kann sich aber nicht, wie der Tobias Knopp, woanders hin begeben. Also weiß jeder, woran man mit ihr ist.

Sie sitzt damit in einer Falle, die in der Spieltheorie unter dem Stichwort Repeated Games untersucht wird, wiederholte Spiele.

Die Spieltheorie analysiert unter anderem das Lügen und Täuschen und kommt grundsätzlich zu dem nicht sehr erfreulichen Schluß, daß sich eine solche Strategie unter Umständen durchaus lohnen kann. Nur funktioniert das eben nicht mehr bei wiederholten Spielen. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. À la longue gewinnt der Zuverlässige und nicht der Lumpenhund. Es sei denn, daß jener sich vom Acker machen und es anderswo versuchen kann. Aber dann ist es eben kein Repeated Game mehr.



In dieser Falle also steckt jetzt Andrea Ypsilanti. Jeder rechnet damit, daß sie trickst, und ist gewarnt. Auch ihre Genossen.

In den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen galt es einerseits, einen Koalitionsvertrag hinlänglich nach dem Geschmack nicht nur der Grünen, sondern auch der Kommunisten zu basteln, auf die man ja fortan angewiesen sein wird.

Andererseits aber muß Ypsilanti fürchten, von denjenigen in der Fraktion, denen es auch um die wirtschaftliche Zukunft Hessens geht, nicht gewählt zu werden, wenn sie den Grünen und den Kommunisten entgegenkommt.

Schön wäre es gewesen, hätte sie das à la Landtagswahlen lösen können: Erst den Grünen und den Kommunisten "garantieren", daß sie eine grünlinke Wirtschaftspolitik machen wird, und dann das Gegenteil tun, um die Moderaten zu gewinnen.

Nur braucht sie ja die Stimmen der einen wie der anderen am selben Tag, zur selben Stunde. Wortbruch funktioniert also diesmal leider nicht.

Was tun? Divide et impera, das war offenbar Ypsilantis Plan. Teilen nämlich will sie das Wirtschaftsministerium, eins links, eins rechts. Und damit ihren Widersacher Jürgen Walter einerseits einbinden, damit er für sie stimmt. Ihn andererseits aber in ein machtloses Ressort schicken, in dem er sich im Dauerclinch aufreiben sollte. Nicht schlecht ausgedacht; fast so gut wie der Trick mit der Garantie.



Bisher hat Hessen ein Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung. Es soll - so steht es in einer Vorabmeldung des "Spiegel" - aufgeteilt werden in ein Ressort für "Wirtschaft, Landesentwicklung und Bauen" und ein Ministerium für "Verkehr und Europa- Angelegenheiten".

Das eine, das mächtige Ministerium soll der SPD- Linksaußen Hermann Scheer bekommen, der eigentlich gern Umweltminister geworden wäre. Und das andere, das schäbige Restministerium, mit der Zuständigkeit für Europa ein wenig aufgemotzt, hatte die schlaue Andrea Ypsilanti ihrem rechten Widersacher, dem Netzwerker Jürgen Walter zugedacht. Der hätte dort gegen den ungleich mächtigeren Hermann Scheer ungefähr so erfolgreich ankämpfen können, wie das gestern Abend Danilo Häußler gegen Mikkel Kessler versucht hat.

Walter nun allerdings roch den Braten und lehnte dieses Danaergeschenk - auch "Focus" hat dazu eine Vorausmeldung, in der das steht - nach eigener Aussage ab. Eine "absurde Konstruktion" nannte er - jetzt wieder gegenüber dem "Spiegel" - diese Aufteilung. Einen "enormen Abstimmungsbedarf" hätte sie bedeutet; sprich: Er hätte als Verkehrsminister keine Entscheidung fällen können, die nicht der für Landesplanung zuständige Scheer hätte aushebeln können.

Offenbar hatte Andrea Ypsilanti den Genossen Jürgen Walter falsch eingeschätzt. Sie mag sich gedacht haben, daß er alles akzeptieren würde, nur um Minister zu werden. Daß er auf ein Ministeramt so versessen sei, wie sie selbst offenbar auf das Amt der Ministerpräsidentin. Wozu dann logischerweise auch gehört hätte, daß er sein Kreuzchen bei Andrea Ypsilanti macht.

Er will aber nicht um jeden Preis Minister werden, wie sich jetzt zeigt. Er will das nicht nur nicht, sondern er verkündet diesen seinen Willen so nachdrücklich, daß ihn am Montag sowohl der "Spiegel" als auch "Focus" zitieren werden. Jeder soll wissen, was Ypsilanti mit ihm vorgehabt hatte, und daß er das nicht mit sich machen läßt.

Ob er es bei diesem Warnschuß bewenden läßt, der Jürgen Walter, oder ob er bei der geheimen Wahl scharf schießt, das ist jetzt eine spannende Frage.



Für Kommentare bitte hier klicken.