25. Oktober 2008

Zitate des Tages: "Mein persönliches Heil wird nicht kommen, wenn es kein Heil für das Land gibt". Obamas Karriere, Obamas politische Ziele

People wonder if he is decisive. It is clear he is decisive in terms of his own career: (...) When it comes to his career, his decisions are thought through and his judgments sound.

But when it comes to decisions that have to do with larger issues, with great questions and not with him, things get murkier. There is the long trail of the missed and "present" votes, the hesitance on big questions.

One wonders if in the presidency he'll be like the dog that chased the car and caught it: What's he supposed to do now?


(Die Leute fragen sich, ob er entschlußkräftig ist. Es ist klar, daß er bei seiner eigenen Karriere entschlußkräftig ist: (...) Wenn es um seine Karriere geht, dann sind seine Entscheidungen durchdacht und sind seine Urteile vernünftig.

Aber wenn es um Entscheidungen geht, die mit weiterreichenden Themen zu tun haben, mit großen Fragen und nicht mit ihm selbst, dann wird es verschwommener. Da gibt es die lange Spur der Abstimmungen, die er versäumt oder bei denen er sich enthalten hat, die Zögerlichkeit bei großen Fragen.

Man fragt sich, ob er als Präsident wie der Hund sein wird, der hinter dem Auto herjagte und es einholte: Was soll er jetzt damit tun?)

Peggy Noonan im Wall Street Journal vom 24. Oktober 2008 über Barack Obama.

I talk a lot in the book about my attempts to renew the dream that both of my parents had. I worked as a community organizer in Chicago, [and] was very active in low- income neighborhoods working on issues of crime and education and employment, and seeing that in some ways certain portions of the African- American community are doing as bad, if not worse, and recognizing that my fate remained tied up with their fates. That my individual salvation is not going to come about without a collective salvation for the country.

(Ich spreche in dem Buch viel über meine Versuche, den Traum zu erneuern, den meine Eltern beide hatten. Ich arbeitete als Gemeinde- Organisator in Chicago [und] war in Wohngegenden mit niedrigem Einkommen sehr aktiv. Ich befaßte mich mit Themen wie Verbrechen und Ausbildung und Arbeitsstellen. Und ich sah, daß es in mancher Hinsicht bestimmten Teilen der afro- amerikanischen Gemeinschaft genauso schlecht ging, wenn nicht schlechter, und daß mein Schicksal mit ihren Schicksalen verbunden bleiben würde. Daß mein persönliches Heil nicht kommen wird, wenn es kein kollektives Heil für das Land gibt.)

Barack Obama am 8. September 1995 in einem jetzt bekannt gewordenen Interview mit Eye on Books über sein damaliges Buch "My Father's Dream", das seit gestern im Internet diskutiert wird.

Kommentar: Der letzte Satz ist derjenige, der jetzt im Internet am häufigsten zitiert wird. "Salvation" kann man verschieden übersetzen, und ich bin unsicher, was hier die beste Übersetzung ist. "Heil" ist am nächstliegenden; die Heilsarmee heißt englisch Salvation Army. Man kann salvation aber auch mit "Errettung", "Erlösung", "Rettung", sogar mit "Seelenheil" übersetzen.

Wie auch immer Obama diesen Satz gemeint hat - mir scheint, daß hier der Schlüssel zu dem liegen könnte, worüber sich Peggy Noonan wundert.

Für Obama, so kann man diesen Satz verstehen, ist sein eigenes zentrales biographisches Thema - die Zugehörigkeit zur schwarzen ebenso wie zur weißen Kultur - zugleich das Thema der USA. So, wie er diesen Konflikt in sich zu bewältigen versucht, so will er heal this Nation, "unsere Nation heilen". Ja, er will repair this world, make this time different than all the rest - "diese Welt wieder heil machen, unsere Zeit zu einer wie keine andere machen".



Seit ich die ersten Auftritte Obamas in der Pose des Erlösers sah, habe ich mich immer wieder gefragt, ob das alles nur die Show eines begnadeten Schauspielers ist, oder ob der Mann es ernst meint damit, daß er der Erlöser ist. Nach der Lektüre des Interviews von 1995 halte ich es für möglich, daß er es ernst meint.

Den Widerspruch, auf den Peggy Noonan aufmerksam macht, würde er dann wahrscheinlich gar nicht erkennen können. Ja, er hat alle seine Anstrengungen der eigenen Karriere gewidmet. Aber wenn jemand überzeugt ist, daß er dem Land das Heil bringt, indem er sein eigenes Heil verwirklicht - wie ist das dann überhaupt von der Arbeit für das Land zu trennen?

Es könnte sein, daß es so ist. Alternativ könnte es sein, daß alles dieses Gerede von Heilen und Erlösung, daß die kollektive Verzückung, in die Obama sein Publikum während des Vorwahlkampfs versetzt hat, nichts als eine Strategie gewesen sind, um gegen die kühl- intellektuelle Hillary Clinton die Primaries zu gewinnen.

Obama wäre dann zwar ein in der Tat ein politischer Schauspieler, aber wenigstens kein Erretter. Die entschieden sympathischere Alternative.



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