Kennen Sie Gudauta? Nein? Dann lesen Sie hier die Geschichte der seltsamen Verwandlung von Gudauta.
Gudauta ist eine Stadt in Georgien. Ein Badeort, eine Kleinstadt, nordwestlich der Provinzhauptstadt Sukhumi am Schwarzen Meer gelegen. Die Vignette zeigt das Rathaus im Zentrum Gudautas.
"Eine Stadt in Georgien" stimmt allerdings nicht ganz. Oder vielmehr: Man kann darüber streiten, ob es stimmt. Gudauto liegt nämlich in Abchasien. Und Abchasien ist zwar eine Provinz Georgiens, aber die dort im Augenblick Herrschenden haben die Unabhängigkeit der Provinz erklärt.
Mit der internationalen Anerkennung hapert es allerdings noch etwas. Bisher wurde Abchasien nur von Rußland und von Nicaragua als Staat anerkannt. Ob sich das noch sehr ändern wird, ist fraglich; denn die Vermutung liegt nahe, daß die Unabhängigkeit nur ein Schritt auf dem Weg zur Einverleibung Abchasiens in die Russische Föderation ist.
Womit ich beim Thema bin. Das Interessante an Gudauta ist nämlich nicht seine Qualität als Badeort, sondern der Umstand, daß sich dort eine russische Militärbasis befindet. Das heißt, eigentlich dürfte sich dort gar keine russische Militärbasis befinden.
Bei Gudauta liegt der Luftwaffen- Stützpunkt Bombora, auf dem zu Sowjet- Zeiten das 345. Luftwaffen- Garderegiment stationiert war. Als Georgien die Unabhängigkeit erlangt hatte, blieb der Stützpunkt zunächst erhalten; aber Georgien wollte keine russischen Truppen im Land haben und drängte auf die Aufgabe aller russischer Militärbasen auf seinem Territorium.
Es gab ein diplomatisches Hin und Her, und im Jahr 1999 erklärten sich die Russen schließlich auf einer Konferenz der OSZE in Istanbul damit einverstanden, den Stützpunkt zusammen mit anderen Basen auf georgischem Boden aufzugeben.
So steht es in dem betreffenden Artikel der Wikipedia, und das ist auch das Aktuellste, was man dort findet, nebst dem Schlußsatz: "The Gudauta base remains one of the main problems in complicated Russian- Georgian relations"; die Basis bleibe eines der Hauptprobleme innerhalb der schwierigen Beziehungen zwischen Rußland und Georgien.
Wieso bleibt Gudauta ein Problem, wo doch die Russen sich vor fast zehn Jahren verpflichtet hatten, ihre Militärbasis zu räumen?
Tja.
Was eigentlich in Gudauto nach dem Istanbuler Abkommen los war, wußte niemand so recht. Die Russen jedenfalls zeigten sich mit den Ergebnissen der Konferenz von Istanbul zunehmend unzufrieden und forderten Neuverhandlungen, zu denen schließlich im Juni 2007 eine außerordentliche Konferenz der Unterzeichner des KSE-Vertrags in Wien zusammentrat. Was sich dort abspielte, hat damals Jean-Christophe Peuch detailliert im Informationsdienst Eurasia.Net berichtet.
Danach erklärten die Russen, sie hätten die Basis Gudauta aufgegeben und betrieben die Anlage jetzt als Sanatorium für Offiziere im Ruhestand.
Die Nato- Staaten wollten, daß das durch eine Inspektion bestätigt werde. Die Russen reagierten so, wie die sowjetische Diplomatie zu reagieren pflegte: Sie sagten nicht ja, nicht nein. Die Georgier wollten unbedingt mit eigenen Inspektoren beteiligt sein; das wiesen die Russen zurück.
Der russische Verhandlungsführer, Armeegeneral Wladimir Nikischin, sagte Jean- Christophe Peuch: "We are not against such a mission provided it brings necessary, useful and -- most importantly -- fair results" - die Russen seien nicht gegen eine solche Mission, vorausgesetzt, sie erbringe notwendige, nützliche und vor allem faire Ergebnisse. Man durfte dreimal lachen.
Es ging in Wien aus wie das Hornberger Schießen. Es wurden keine Inspektionen vereinbart, und man wußte weiter nicht, was denn in dem Sanatorium Gudauta so vor sich ging.
Gut ein Jahr nach der Wiener Konferenz, im August dieses Jahres, marschierte Rußland in Georgien ein und besetzte Abchasien. Und nun erfahren wir, wie es mit dem Sanatorium weitergegangen ist.
Gestern nämlich berichtete darüber die georgische Zeitschrift "The Financial" in ihrem Internet- Portal FinChannel.Com:
Ich finde diese Geschichte in mehrfacher Hinsicht interessant.
Erstens zeigt sie, auf welche planmäßige, langfristig angelegte Weise Rußland dabei vorgeht, die alten sowjetischen Machtpositionen wieder einzurichten.
Zweitens arbeitet die russische Diplomatie exakt so, wie man es aus Sowjetzeiten kennt: Man macht scheinbar Zugeständnisse, die dann nicht eingehalten werden. Es werden vage Versprechungen formuliert. Solange man schwach ist, zeigt man sich konziliant, und sobald man in einer Position der Stärke ist, ist es vorbei mit dem Entgegenkommen. Auch dumme Lügen wie die vom Sanatorium werden nicht verschmäht.
Abchasien dürfte für die Russen mindestens so wichtig, wahrscheinlich wichtiger sein als Südossetien. Man hat das Tamtam in Südossetien veranstaltet und sich hinter diesem Sperrfeuer ohne großen Widerstand des Westens Abchasien unter den Nagel gerissen.
Drittens ist die Geschichte des Stützpunkts Gudauta bezeichnend für das Verhalten der europäischen Gegenspieler Rußlands. Die das eben nicht sind. Die sich hinhalten, die sich einwickeln lassen und dann die vollendeten Tatsachen, die die Russen schaffen, mehr oder weniger achselzuckend hinnehmen.
Und das ist vielleicht der Hauptunterschied zur Zeit des Kalten Kriegs. Damals hatten die Russen es mit einem entschlossenen Westen zu tun. Heute gibt es bei uns nicht wenige, die wohlwollend zusehen, wie die Russen ihre "berechtigten Interessen" verfolgen.
Gudauta ist eine Stadt in Georgien. Ein Badeort, eine Kleinstadt, nordwestlich der Provinzhauptstadt Sukhumi am Schwarzen Meer gelegen. Die Vignette zeigt das Rathaus im Zentrum Gudautas.
"Eine Stadt in Georgien" stimmt allerdings nicht ganz. Oder vielmehr: Man kann darüber streiten, ob es stimmt. Gudauto liegt nämlich in Abchasien. Und Abchasien ist zwar eine Provinz Georgiens, aber die dort im Augenblick Herrschenden haben die Unabhängigkeit der Provinz erklärt.
Mit der internationalen Anerkennung hapert es allerdings noch etwas. Bisher wurde Abchasien nur von Rußland und von Nicaragua als Staat anerkannt. Ob sich das noch sehr ändern wird, ist fraglich; denn die Vermutung liegt nahe, daß die Unabhängigkeit nur ein Schritt auf dem Weg zur Einverleibung Abchasiens in die Russische Föderation ist.
Womit ich beim Thema bin. Das Interessante an Gudauta ist nämlich nicht seine Qualität als Badeort, sondern der Umstand, daß sich dort eine russische Militärbasis befindet. Das heißt, eigentlich dürfte sich dort gar keine russische Militärbasis befinden.
Bei Gudauta liegt der Luftwaffen- Stützpunkt Bombora, auf dem zu Sowjet- Zeiten das 345. Luftwaffen- Garderegiment stationiert war. Als Georgien die Unabhängigkeit erlangt hatte, blieb der Stützpunkt zunächst erhalten; aber Georgien wollte keine russischen Truppen im Land haben und drängte auf die Aufgabe aller russischer Militärbasen auf seinem Territorium.
Es gab ein diplomatisches Hin und Her, und im Jahr 1999 erklärten sich die Russen schließlich auf einer Konferenz der OSZE in Istanbul damit einverstanden, den Stützpunkt zusammen mit anderen Basen auf georgischem Boden aufzugeben.
So steht es in dem betreffenden Artikel der Wikipedia, und das ist auch das Aktuellste, was man dort findet, nebst dem Schlußsatz: "The Gudauta base remains one of the main problems in complicated Russian- Georgian relations"; die Basis bleibe eines der Hauptprobleme innerhalb der schwierigen Beziehungen zwischen Rußland und Georgien.
Wieso bleibt Gudauta ein Problem, wo doch die Russen sich vor fast zehn Jahren verpflichtet hatten, ihre Militärbasis zu räumen?
Tja.
Was eigentlich in Gudauto nach dem Istanbuler Abkommen los war, wußte niemand so recht. Die Russen jedenfalls zeigten sich mit den Ergebnissen der Konferenz von Istanbul zunehmend unzufrieden und forderten Neuverhandlungen, zu denen schließlich im Juni 2007 eine außerordentliche Konferenz der Unterzeichner des KSE-Vertrags in Wien zusammentrat. Was sich dort abspielte, hat damals Jean-Christophe Peuch detailliert im Informationsdienst Eurasia.Net berichtet.
Danach erklärten die Russen, sie hätten die Basis Gudauta aufgegeben und betrieben die Anlage jetzt als Sanatorium für Offiziere im Ruhestand.
Die Nato- Staaten wollten, daß das durch eine Inspektion bestätigt werde. Die Russen reagierten so, wie die sowjetische Diplomatie zu reagieren pflegte: Sie sagten nicht ja, nicht nein. Die Georgier wollten unbedingt mit eigenen Inspektoren beteiligt sein; das wiesen die Russen zurück.
Der russische Verhandlungsführer, Armeegeneral Wladimir Nikischin, sagte Jean- Christophe Peuch: "We are not against such a mission provided it brings necessary, useful and -- most importantly -- fair results" - die Russen seien nicht gegen eine solche Mission, vorausgesetzt, sie erbringe notwendige, nützliche und vor allem faire Ergebnisse. Man durfte dreimal lachen.
Es ging in Wien aus wie das Hornberger Schießen. Es wurden keine Inspektionen vereinbart, und man wußte weiter nicht, was denn in dem Sanatorium Gudauta so vor sich ging.
Gut ein Jahr nach der Wiener Konferenz, im August dieses Jahres, marschierte Rußland in Georgien ein und besetzte Abchasien. Und nun erfahren wir, wie es mit dem Sanatorium weitergegangen ist.
Gestern nämlich berichtete darüber die georgische Zeitschrift "The Financial" in ihrem Internet- Portal FinChannel.Com:
Abkhazia to Host Two Russian Bases – Shamba
According to Civil Georgia, Russia will station troops in Abkhazia at two military bases – in Gudauta and Ochamchire, Sergey Shamba, the breakaway region’s foreign minister, said on October 21. Russian troops will also have outposts in upper Kodori Gorge, he said, according to the Abkhaz official news agency, Apsnipress. Russia will have 3,800 servicemen in Abkhazia, Shamba said. (...) He also said that it was planned, as envisaged in a partnership and cooperation treaty with Russia, to sign an agreement with Russia that would pave the way for Russian assistance in protecting the Abkhaz border with Georgia.
Schamba: Abchasien wird zwei russische Basen aufnehmen
Laut Civil Georgia wird Rußland Truppen auf zwei Militärbasen stationieren - in Gudauta und Ochamchire. Das sagte Sergej Schamba, der Außenminister der abtrünnigen Region, am 21. Oktober laut der abchasischen amtlichen Nachrichtenagentur Apsnipress. Die russischen Truppen würden des weiteren Außenposten in oberen Teil der Kodori- Schlucht einrichten. Wie Schamba sagte, wird Rußland 3.800 Mann in Abchasien stationieren. (...) Er sagte ebenfalls, daß es, wie in dem Vertrag für Partnerschaft und Zusammenarbeit vorgesehen, beabsichtigt sei, einen Vertrag mit Rußland zu unterzeichnen, der den Weg dafür ebnen werde, daß Rußland sich daran beteiligt, die abchasische Grenze zu Georgien zu schützen.
Ich finde diese Geschichte in mehrfacher Hinsicht interessant.
Erstens zeigt sie, auf welche planmäßige, langfristig angelegte Weise Rußland dabei vorgeht, die alten sowjetischen Machtpositionen wieder einzurichten.
Zweitens arbeitet die russische Diplomatie exakt so, wie man es aus Sowjetzeiten kennt: Man macht scheinbar Zugeständnisse, die dann nicht eingehalten werden. Es werden vage Versprechungen formuliert. Solange man schwach ist, zeigt man sich konziliant, und sobald man in einer Position der Stärke ist, ist es vorbei mit dem Entgegenkommen. Auch dumme Lügen wie die vom Sanatorium werden nicht verschmäht.
Abchasien dürfte für die Russen mindestens so wichtig, wahrscheinlich wichtiger sein als Südossetien. Man hat das Tamtam in Südossetien veranstaltet und sich hinter diesem Sperrfeuer ohne großen Widerstand des Westens Abchasien unter den Nagel gerissen.
Drittens ist die Geschichte des Stützpunkts Gudauta bezeichnend für das Verhalten der europäischen Gegenspieler Rußlands. Die das eben nicht sind. Die sich hinhalten, die sich einwickeln lassen und dann die vollendeten Tatsachen, die die Russen schaffen, mehr oder weniger achselzuckend hinnehmen.
Und das ist vielleicht der Hauptunterschied zur Zeit des Kalten Kriegs. Damals hatten die Russen es mit einem entschlossenen Westen zu tun. Heute gibt es bei uns nicht wenige, die wohlwollend zusehen, wie die Russen ihre "berechtigten Interessen" verfolgen.
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