8. Juni 2012

Marginalie: Ausbau der Kernenergie in Osteuropa - mit Rußlands Hilfe. Angebote liegen auf dem Tisch

Wenn der eine aussteigt, dann steigt der andere ein.

Rosatom ist die staatliche russische Atomagentur; zuständig sowohl für die militärische als auch die friedliche Nutzung der Atomenergie. Rosatom will jetzt nach Osteuropa expandieren.

Wie Stratfor vorgestern meldete, verhandeln die Russen mit Ungarn. Sie bieten an, den Ausbau von dessen Versorgung mit Atomstrom zu finanzieren. Kosten rund 10 Milliarden Euro.

In Osteuropa wächst mit der wirtschaftlichen Entwicklung einerseits der Nachfrage nach Energie. Andererseits stammen große Teile der Infrastruktur noch aus der Zeit der Sowjetherrschaft. Es besteht also Erneuerungsbedarf. Hier will Moskau einsteigen.

In Ungarn wird gegenwärtig 42 Prozent des Stroms von den vier Blöcken des KKW Pak produziert. Die Ungarn planen einen Ausbau ihrer nuklearen Stromversorgung auf 60 Prozent. Es sollen zwei neue 1000-Megawatt-Reaktoren gebaut werden. Außer Rosatom bewerben sich noch französische Firma Areva sowie Mitsubishi um den Auftrag zum Bau der Kraftwerke. Sie werden das aber nicht durch ein großzügiges Finanzierungs­angebot begleiten.

Das Angebot Moskaus ist laut Stratfor Teil einer umfassenden Strategie, im Atomgeschäft Osteuropas Fuß zu fassen. Ähnliche Angebote hat es Tschechien und Bulgarien gemacht. Zugleich liefert Rußland zunehmend Uran nach Westeuropa; in die Schweiz und nach Frankreich.



Stratfor sieht diese Entwicklung unter dem Gesichtspunkt der russischen Weststrategie. Bisher hat es bei dem Versuch, Länder Ost- und Mitteleuropas von sich abhängig zu machen, hauptsächlich auf Erdgas gesetzt. Die EU bemüht sich aber um eine Liberalisierung dieses Marktes; andere Anbieter, die beispielsweise verflüssigstes Erdgas liefern, könnten die russische Vormachtstellung gefährden. Das soll jetzt durch eine Offensive bei der Kernenergie aufgefangen werden.

Aus deutscher Sicht springt etwas Anders ins Auge: Die naive deutsche Vorstellung von vor einem Jahr, ein deutscher "Ausstieg" werden via "Signalwirkung" auch andere dazu bringen, auf die Kernkraft zu verzichten, war eine Schimäre. So unrealistisch, wie dieser ganze "Ausstieg" ein Produkt kollektiver Besoffenheit war. Unvernunft läßt sich selten exportieren.

Es scheint, daß Deutschland langsam aus dem Rausch erwacht; auch wenn vorerst sozusagen unter Ausschluß der ARD-Öffentlichkeit. Wieder zur Vernunft gekommen, wird man sich fragen: Wie konnten wir nur?

Vielleicht wird man sich das fragen. Andererseits hilft gegen einen Kater ja bekanntlich auch der nächste Schluck aus der Pulle.­
Zettel



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