9. Juni 2012

Zitat des Tages: Hansi Flicks Äußerung im Wortlaut. Es gibt da eine hübsche Pointe

Da heißt's einfach Stahlhelme aufsetzen, groß machen, und dann ..., wenn so eine Situation kommt. Aber wir haben ja auch ... unsere Spielphilosophie ist ja auch die, daß wir im Zweikampf geschickt agieren, daß wir auf Ballgewinn aus sind, und möglichst wenige Fouls. Und klar, morgen ist es natürlich auch noch die Vorgabe, daß man um den ... sagen wir mal, um zwanzig, fünfundzwanzig, man könnte es fast auch auf dreißig Meter ausweiten, ... letztendlich geschickt im Zweikampf agiert. Und ... ja, Ronaldo hat schon einen außergewöhnlichen ... äh ... ja ... muß ich ich es jetzt richtig sagen, ich sag nicht .. "Schuß" sagen, sondern [lacht] ... äh ... Freistoß-Qualität.
Der Assistent von Bundestrainer Löw, Hans-Dieter ("Hansi") Flick, gestern bei einer Pressekonferenz in Danzig als Antwort auf die Frage eines Journalisten, wie sich die deutsche Mannschaft auf Freistöße der portugiesischen Mannschaft in der Nähe des Tors vorbereite. Das Video können Sie beispielsweise hier ansehen.

Kommentar: Flick hat also offenbar, noch während er sprach, geahnt, daß er "Autobahn" gesagt hatte, und ironisierte das mit der Bemerkung über den Schuß.

Die öffentliche Aufregung konnte er damit nicht abwenden. Wenn man nach "'Hansi Flick' Stahlhelm" googelt, erhält man im Augenblick 49.700 Fundstellen. Es dürften im Lauf des Samstag noch einige mehr werden.

Dieses Theater war schon bei Katrin Müller-Hohensteins "innerem Reichsparteitag" vor zwei Jahren lächerlich gewesen (siehe Aufregung über den "inneren Reichsparteitag". ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz entgleist zum zweiten Mal; ZR vom 14. 6. 2010). Diesmal ist es absurd.

Denn der Fußball ist doch - wie die meisten Mannschafts­sport­arten - nachgerade gesättigt mit Begriffen, die ursprünglich aus dem Militär kommen. Da gibt es Angriff und Verteidigung, Schuß und Treffer, Strategie und Taktik. Da gibt es den Vorstoß und den Rückzug in die eigene Hälfte. Und wer sind dabei die Akteure? Die "Truppe".

Nun gut, könnte man sagen, das "Stahlhelm aufsetzen" gehört aber nicht zur üblichen Fußballsprache. Das stimmt. Es gehört vielmehr zur Alltagssprache. Es ist nichts als ein bildhafter Ausdruck für (das ja auch dem Militär entstammende) "sich wappnen"; so, wie "den Riemen fester binden". Und das ist nicht der Schuh- sondern der Helmriemen.

Ihnen ist der Ausdruck nicht geläufig? Dann lesen Sie einmal diese beliebig herausgegriffenen Zitate:
"Heute heißt es Stahlhelme aufsetzen, von Amerika ausgehend korrigieren die Börsen und werden nach den Rückgängen in Asien heute auch in Europa für erhebliche Kursrückgänge sorgen". (Der Börsen-Informationsdienst Börsen-Express)

"... ein Fußballturnier, bei dem die britischen Tabloids nicht die Stahlhelme aufsetzen, wäre irgendwie nicht komplett". (Die FAZ)

"'Wir stehen das kaum durch', lautete die interne Analyse selbst in der vertraulichen Runde am Montag Abend. 'Wenn du bleibst, müssen wir die Stahlhelme aufsetzen', hatten sie Schleußer zugerufen und am Ende entschieden, dass er nicht weicht". (Der "Tagesspiegel")
Das letzte Zitat stammt vom 26. Januar 2000 und bezieht sich auf den damaligen NRW-Finanzminister Heinz Schleußer und die "Düsseldorfer Flugaffäre", in die er verwickelt war. "Sie", die da vom "Stahlhelm aufsetzen" sprachen, das waren - laut dem Bericht des "Tagesspiegel" - "die Genossen" in Düsseldorf.



Gestern Abend ist in "Sueddeutsche.de" ein Kurzinterview mit Bundestrainer Löw erschienen; mit dieser Passage:
Sind die Wogen nach der Stahlhelm-Äußerung von Hansi Flick inzwischen wieder geglättet?

Löw: "Es gab bei uns keine Wogen. Hansi hat sich unmittelbar nach der ganzen Sache offiziell entschuldigt. Der Versprecher hat zu Irritationen geführt. Aber wer Hansi kennt, der weiß, dass er sich natürlich davon absolut distanziert. Das war bei uns kein Thema."
Versprecher, Entschuldigung, ein absolutes Distanzieren. Wir leben heute in einem Land, in dem jedes Wort aller, die in der Öffentlichkeit stehen, von Tugendwächtern überprüft und gegebenenfalls skandalisiert wird. Derart, daß dem Sprachsünder nur noch das Abschwören hilft.

Ich kann mich nicht erinnern, daß der Druck, sich in der Öffentlichkeit strikt an Sprachregelungen zu halten, jemals in der Geschichte der Bundesrepublik so groß war wie heute.

Und dann wundert man sich, daß Politiker, daß Prominente aus allen Bereichen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit immer mehr nur in gestanzten Sätzen, in Floskeln und Klischees reden? Sie haben ja keine Wahl.­
Zettel



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