23. Juni 2012

Todesstrafe und Ökostrategie. Ein Gastbeitrag von Juno

"Spiegel Online" meldet auf seiner Wissenschaftsseite Erstaunliches:
Hawaiianern drohte Todesstrafe bei falscher Altenpflege

Wer zu wenig oder falsch pflegte, konnte des Todes sein. Jahrhundertelang galten auf Hawaii strenge Regeln, um die Alten zu schützen: Die moderne Gesellschaft könnte viel vom alten Gesetz der Insulaner lernen, meinen zwei Forscher, die Hawaii mit Florida verglichen haben.
Was ist daran erstaunlich? Natürlich nicht so sehr die Bräuche alter Naturvölker. Dass es bei diesen, gemessen an unseren heutigen Maßstäben, manchmal brutal und blutig zuging, wissen wir ja im Prinzip.

Das eigentlich Erstaunliche ist, dass "Spiegel-Online" hier mit einem billigenden, ja sogar fast empfehlenden Ton über die Todesstrafe schreibt. Noch dazu in Bezug auf amerikanische Bundesstaaten. Wo doch die Todesstrafe in Florida und anderswo bislang stets mit aller Schärfe verurteilt wurde. Zum Beispiel mit Schlagzeilen wie "Qualvoller Gifttod - Horror-Hinrichtung in Florida - kippt die Todesstrafe in den USA?"

Was ist da los? Wie ist das möglich?

Nun, zum einen führt der Vorspann – wie so oft in der Online-Welt – letztlich doch in die Irre. Die von "Spiegel-Online" zitierten Forscher empfehlen im weiteren Text zwar "strenge Regeln", aber keineswegs die Todesstrafe. Das Reizwort dient also nur dazu, Leserinteresse zu wecken.

Zum anderen habe auch ich den Vorspann ein wenig manipuliert. Es geht in dem Artikel nämlich in Wahrheit nicht um Altenpflege, sondern um Überfischung. Der Originaltext lautet:
Hawaiianern drohte Todesstrafe bei Überfischung

Wer zu viel oder falsch fischte, konnte des Todes sein. Jahrhundertelang galten auf Hawaii strenge Fangregeln, um die Fischbestände zu schützen: Die moderne Fangindustrie könnte viel vom alten Gesetz der Insulaner lernen, meinen zwei Forscher, die die Fischerei Hawaiis mit der Floridas verglichen haben.
Wenn es um den Schutz der Umwelt geht, dann sind die ethischen Maßstäbe und Empfindlichkeiten bei uns heutzutage eben ein bisschen robuster als bei allen anderen Themen. Dann darf man auch schon einmal ein wenig mit der Todesstrafe für Übeltäter liebäugeln. Ist natürlich nicht ernst gemeint, aber man wird doch gedanklich experimentieren dürfen.

So wie zum Beispiel auch ein Autor, der unlängst im "Tagesspiegel" über die Vorteile eines Diktators sinnierte:
Es wäre also denkbar, dass ein Parlament entscheidet, bezogen auf die Energie- und Klimapolitik einen solchen "wohlmeinenden Diktator" zeitlich befristet zu bestimmen. Er hätte die Aufgabe, zum Vorteil der Menschen über die Klimapolitik zu bestimmen. (...)

Es gibt ... zwei interessante Praxisbeispiele: die chinesische kommunistische Partei und die Europäische Kommission. Die EU-Kommission ist genau das. Sie hat meiner Einschätzung nach in der Klima- und Energiepolitik sehr erfolgreich eingegriffen und die europäischen Staaten weiter getrieben, als sie von selbst gegangen wären.
Der das schrieb, ist der norwegische Professor für Klimastrategie Jorgen Randers; bis 2006 Chef-Klimaberater der norwegischen Regierung.



Wer in Deutschland über die Vorteile einer Aushebelung der Verfassung sinnieren will, der wird sich schwer tun, dafür einen Platz in den Medien zu finden. Es gibt nur eine einzige Ausnahme - beim Thema Umweltschutz.

Schon klar: Niemand hat die Absicht, eine Ökodiktatur zu errichten. Aber manchmal kann doch auch der moderne "Spiegel-Online"-Leser von alten Insulaner-Gesetzen lernen.

Und wem die Überlegungen des Klimastrategen Jorgen Randers bekannt vorkommen, der erinnert sich vielleicht an den kommunistischen Vordenker Wolfgang Harich; siehe Wolfgang Harich und die Öko-Diktatur; ZR vom 16. 3. 2007. ­
Juno



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